Mord im Orient-Express (1974) | Filmkritik

Mord im Orient-Express 1974

Gerade können wir im Kino Kenneth Branaghs Version des Agatha Christie Klassikers Mord im Orient-Express bewundern. Im sagenumwobenen Luxuszug von Istanbul nach London kommt es zum unfreiwilligen Ableben eines Antiquitätenhändlers, mittendrin der scharfsinnige und exzentrische Meisterdetektiv Hercule Poirot.

Ein Klassiker mit Albert Finney

Mit Zwirbelbart und einem Hang zum Dramatischen ist es am belgischen Gentleman, den Mörder unter einem Haufen zwielichtiger Verdächtiger ausfindig zu machen. Diese Geschichte wurde allerdings bereits 1974, mit Albert Finney in der Hauptrolle, zu Zelluloid gebracht. Doch lohnt sich angesichts des Hochglanz-Remakes ein Blick auf den Klassiker vergangener Zeiten?

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Alles beginnt mit einer wahnsinnigen Flut aus Zeitungsartikeln, die uns die Entführung der kleinen Daisy Armstrong näher bringt. Das Dienstmädchen wird verdächtigt und begeht schließlich Selbstmord. Auch andere Leben werden nach dieser Tragödie zerstört. Ein Schicksal, dass im Laufe des Films noch an Bedeutung gewinnen wird.

Welcher Fahrgast hat ein Geheimnis?

Wenig später betreten einige höchst seltsame Personen die edlen Schlafwagen des Orient-Express. Unter ihnen auch der kauzige Ermittler Hercule Poirot (Albert Finney), der eigentlich nur Ruhe wünscht und vergebens ein freies Abteil sucht.

An Bord befinden sich neben Geschäftsmann Mister Ratchett (Richard Widmark) auch Gräfin Adrenyi (Jacqueline Bisset) mit Gatten (Michael York) und Colonel Arbuthnot (Sean Connery), die wie ein willkürlich zusammengewürfelter Haufen scheinen.

Für Poirot beginnt eine nervenaufreibende Zugfahrt. Als durch eine Lavine der Zug unfreiwillig zum Stehen kommt, passiert des Nachts ein Mord. Mit dutzenden Messerstichen im Schlaf getötet, blutet Mister Ratchett die weißen Laken des Luxuszuges voll. Doch wie kam der Mörder in den Zug? Ist einer der schrulligen Fahrgäste etwa zu solch einer Tat fähig?

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Wer das Brettspiel Cluedo kennt, weiß, was jetzt folgt. Hercule Poirot muss sich jeden Fahrgast einzeln vornehmen und prüft jedes Alibi auf Widersprüche. Wer war wann wo? Stimmen die vagen Aussagen der Verdächtigen? Wo ist die Verbindung der einzelnen Fahrgäste zum Opfer? Wer hatte Motiv und Gelegenheit? Und wer war Mister Ratchett wirklich?

Gemeinsam mit dem Detektiv nimmt auch der Zuschauer in diesem Kammerspiel die Ermittlungen auf. Durch kleinste Nuancen und Gesten entlarvt man auf diese Weise den Lügner, um sich Schritt für Schritt Richtung Lösung zu tasten. Dabei kommt der Luxuszug wie ein verstörendes Gefängnis daher. Immerhin ist ein Mörder unter den Fahrgästen.

Ein überraschendes Ende

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Schon zu Beginn des Films dröhnt altbackene Musik aus den Boxen. Der Ton hat über die Jahre schwer gelitten und ist für das heutige Ohr eine Gewöhnungssache. Albert Finney wirkt als Ermittler wie ein kauziger Außenseiter mit wenig Charme, dafür aber einem unverkennbaren Stil. Die Darstellerriege kann sich selbst nach all den Jahren durchaus sehen lassen. Mit Sean Connery (James Bond) als Colonel und Michael York (Austin Powers) sind große Schauspielprofis am Werk.

Bei den Damen sind mit Jacqueline Bisset (Wilde Orchidee) und Ingrid Bergmann (Casablanca) ebenfalls große Namen im Cast. Jeder spielt seine Rolle auf routinierte und zurückhaltende Weise. Eben so, wie man sich verhalten würde, hätte man etwas zu verbergen.

Im Showdown, wenn sich alle Verdächtigen im Salon einfinden, wird durch Poirot der Mord rekapituliert und der Mörder gestellt, ganz nach Tradition der Agatha Christie Romane. Dann geht auch dem Zuschauer endlich ein Licht auf und das wahre Ausmaß des Verbrechens wird enthüllt. Ein wahrer Plottwist am Ende.

Eine mörderische Zugfahrt

Inszeniert wurde das kammerspielartige Mordfall im Fall von Regisseur Sidney Lumet, der vor allem durch seine Regiearbeit an Die zwölf Geschworenen (1957) internationale Bekanntheit erlangte. Des Weiteren wirkte er an preisgekrönten Werken wie Prince of the City (1981) und Hundstage (1975) mit.

Die mörderische Zugfahrt in Mord im Orient-Express hat gerade durch seine hochwertige Besetzung einen unglaublichen Charme. Leider wirkt die Erzählung an manchen Stellen steif und langatmig, was der Dramaturgie vergangener Filme geschuldet ist. Ob Odyssee im Weltraum oder Spiel mir das Lied vom Tod – überall ist der Schnitt langsam und Kameraeinstellungen bleiben beharrlich und ermüdend auf ein und derselben Szene. Für das heutige Kinopublikum ist das nicht immer einfach. Kein Wunder, dass ein Remake eine gute Idee war.

Trotzdem lohnt es sich, den Klassiker aus dem Jahr 1974 zu sehen. Wann bekommt man sonst solche Größen Hollywoods in jungen Jahren zu sehen?

Regie: Sidney Lumet
Drehbuch: Paul Dehn
Musik: Richard Rodney Bennett
Darsteller: Albert Finney, Lauren Bacall, Martin Balsam, Ingrid Bergman, Jacqueline Bisset, Jean-Pierre Cassel, Sean Connery, John Gielgud, Wendy Hiller, Anthony Perkins, Vanessa Redgrave, Rachel Roberts, Richard Widmark, Michael York

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