Das Jahr 2020 wollte die Kinogänger mit zahlreichen Blockbustern an ihre Kinosessel fesseln. Doch wie wir alle wissen, kam es ganz anders.
Fast alle großen Kinoproduktionen wurden um zahlreiche Monate in das Jahr 2021 verschoben oder komplett aus dem Kalender gestrichen. Die COVID-19-Pandemie hat die Welt weiterhin komplett in ihrer Hand.
Mit Tenet hat nun jedoch der erste wirkliche Blockbuster des Jahres den Weg in das Kino gewagt. Trotz zahlreicher Beschränkungen und weiterhin steigender Fallzahlen in vielen Ländern. Regisseur Christopher Nolan wollte sein neuestes Werk unbedingt noch in diesem Jahr auf den weltweiten Leinwänden zeigen und nicht, wie andere Studios, den Film gar einzig per Stream veröffentlichen.
Tenet: Die Rettung für die Kinos?
Über Tenet war vor seiner Veröffentlichung wenig bekannt. Nolan mag es, sein Publikum mit Unwissen in seine Filme zu schicken. Und so gaben uns auch dieses Mal die wagen Beschreibungen und Trailer zum Film nur einen kleinen Einblick auf das letztendliche Werk und diese warfen meist mehr Fragen auf, als sie Antworten lieferten.
Alles, was ich für Sie habe, ist ein Wort. Tenet.
Ohne allzu viel über die Handlung von Tenet zu verraten, geht es in dem Science-Fiction-Action-Spionage-Film um nicht weniger als um das Überleben der gesamten Menschheit.
Ein erfahrener, namenloser Agent wird rekrutiert, um einen besonderen Auftrag auszuführen: Er soll verhindern, dass der 3. Weltkrieg ausbricht. Doch nicht etwa nukleare Sprengkörper sind die Waffen mit denen dieser ausgetragen werden soll, sondern eine einzige Person scheint den Untergang hervorzurufen.
Und allzu viel Zeit bleibt dem Agenten nicht – doch was, wenn die Zeit eine manipulierbare Variable ist?
Lasst es uns direkt loswerden – Tenet ist großartige Unterhaltung. Neben dem Einheitsbrei von Marvel, den lieblosen Disney-Remakes und 0815-Action-Filmen dürfen sich Kinogänger auf einen intelligenten Action-Kracher freuen, welcher in bester Nolan-Manier die Gehirnzellen anregt und die Zuschauer auch noch nach den Credits des Films beschäftigt.
Doch Tenet hat auch seine Schwächen. Das Publikum wird von Beginn an regelrecht in die Handlung geworfen. Es bleibt keine Zeit, um sich auf den Film einzustellen. Entweder man ist von der ersten Sekunde an aufmerksam oder man geht das Risiko ein, wichtige Dialoge und Szenen zu verpassen.
Kopf aus, Film an – nicht bei Tenet
Für manch einen Zuschauer wird Tenet auch nach seiner Laufzeit von zweieinhalb Stunden noch ein großes Fragezeichen bleiben, denn wenn man die entscheidenden Erklärungen verpasst, missversteht oder gar nicht versteht, wird man kopfschüttelnd das Kino verlassen.
Wir glauben alle, wir würden in das brennende Gebäude rennen. Doch bis wir die Hitze spüren, können wir nicht sicher sein.
Aufmerksamkeit ist also das höchste Gebot und vielleicht sollte man sich auch ein wenig mit den vorherigen Filmen des Regisseurs, wie beispielsweise Inception (2010), The Prestige (2006) oder Memento (2000), beschäftigt haben, damit einen die Prämisse nicht komplett überwältigt. Wenn man diese Grundlagen mitbringt, erwartet einen ein origineller Blockbuster mit verwobenen und kopfzerbrechenden Handlungssträngen.
Christopher Nolans Werke leben von ihrer Idee, aber genauso sehr von ihrem Soundtrack. Seit etlichen Filmen arbeitet der Regisseur mit dem deutschen Komponisten Hans Zimmer zusammen, doch bei Tenet trennten sich ihre Wege vorerst. Denn Zimmer hatte ein Problem, ein zeitliches Problem. Ihm wurde die Musik von Denis Villeneuves Sci-Fi-Epos Dune angeboten, der zur gleichen Zeit wie Tenet gedreht wurde, und Zimmer konnte auf die Gelegenheit einfach nicht verzichten. Denn Dune ist eines seiner absoluten Lieblingsbücher seiner Jugend und somit eine Herzensangelegenheit.
Doch Nolan konnte adäquaten Ersatz finden. Der oscarprämierte junge Filmkomponist Ludwig Göransson (Black Panther) springt für Zimmer in die Breschen und liefert einen bombastischen Sound ab, der sowohl schnelle als auch ruhige Szenen effektiv unterlegt. Besonders in den hektischen Phasen des Films hilft die Musik, das Geschehen besser verfolgen zu können und trägt unermesslich zur allgemeinen Atmosphäre bei.
Ob Göransson nun auch in Zukunft mit Nolan zusammenarbeiten wird, bleibt abzuwarten. Als einst Standard-Kameramann Wally Pfister (The Dark Knight Rises) nicht mit Christopher Nolan an einem seiner Filme zusammenarbeiten konnte, wurde er durch Hoyte von Hoytema (Interstellar) ersetzt, welcher anschließend auch bei Dunkirk (2017) und nun Tenet hinter der Kamera stand.
Regisseur Christopher Nolan ist seit Jahren für seine Eigenheiten bekannt. Er schafft es immer wieder mit seinen unkonventionellen Filmen Massen in die Kinos zu bewegen und ihnen ein Erlebnis zu liefern, das diese noch Jahre später über den Film diskutieren lässt. Man kann ihm keinesfalls seine Kunst hinter der Kamera absprechen. Er weiß genau, wie man Darsteller, Musik und Handlung perfekt in Szene setzt und den Zuschauer an seinen Sessel fesselt.
Die einzigartige Handschrift von Christopher Nolan
Die The Dark Knight-Trilogie gilt nicht umsonst als bisher beste Adaption der beliebten Batman-Comics, und das trotz der düsteren Auslegung, welche in Hollywood einst als nicht-publikumstauglich deklariert wurde. Seither ist dies jedoch das Alleinstellungsmerkmal der DC-Comic-Verfilmungen und wird von Fans jedes Mal frenetisch gefordert.
Ein deutlicher Gegensatz zu den eher familienfreundlichen Filmen aus der Schmiede Marvel. Diesen dunklen Ton verfolgt Nolan auch in seinen anderen Filmen. In Tenet bleibt er seiner Linie treu und schafft es abermals einen finsteren Unterton zu schaffen, der die Ernsthaftigkeit des Films effektiv zu unterstreichen weiß.
Auch bei den Effekten kann Nolan auf seine Erfahrungen aus früheren Filmen aufbauen und liefert wieder einmal eine bahnbrechende Leistung ab. Weder sind die Kampf- und Actionszenen undurchsichtig oder verschwommen aufgrund der benutzten Special Effects, noch wirken die CGI-Effekte aufdringlich. Sie fügen sich perfekt in das Gesamtbild ein, ohne den Zuschauer von der Handlung abzulenken oder für Verwirrung zu sorgen.
Das ist besonders bei der Masse an schlechten Computereffekten in mittlerweile zahlreichen Filmen ein überaus hohes Qualitätsmerkmal. Auch begibt sich Nolan abermals in Neuland mit seinen Effekten und könnte für kommende Filme die Grundlage schaffen, wie bestimmte Szenen gedreht werden.
Viel Geschwafel, wenig Erklärung
Doch es ist nicht alles Gold was glänzt. Tenet schwächelt in einigen Kernpunkten der filmischen Unterhaltung und verfällt in altbekannte Muster aktueller Filme. Besonders der Antagonist, dargestellt durch Kenneth Branagh (Mord im Orient-Express), bleibt blass und erhält nur eine kurze Erklärung seiner Motivation, welche zugleich an Banalität kaum zu überbieten ist.
Ein typisches Problem in vielen Filmen, mit dem besonders aktuelle Comic-Verfilmungen zu kämpfen haben. Denn ohne eine Identifikation mit oder einem Verständnis der Intentionen des Gegenspielers, fällt es dem Zuschauer schwer sich in den Protagonisten einzufühlen und seine Welt zu verstehen.
Versuchen Sie nicht, es zu verstehen. Fühlen Sie es.
Diese Schwächen am Drehbuch machen auch bei den Dialogen keinen Halt. Abermals schwächeln diese besonders bei denen von Branagh, wodurch dem durch ihn verkörperten Bösewicht noch weiter die Möglichkeit des Verständnisses geraubt wird. Auch Protagonist und Hauptdarsteller John David Washington (BlacKkKlansman) hat mit einer wagen Vorstellung zu kämpfen. Eine Einführung seines Charakters bleibt komplett aus und dem Zuschauer wird niemals überhaupt die Möglichkeit einer Identifikation mit seiner Person gegeben.
Dabei ist die schauspielerische Leistung der beiden Widersacher durchaus auf hohem Niveau und beide Darsteller erfüllen ihre Vorgaben in hohem Maße. Nur leider ist die Grundlage ihrer Figuren nicht gegeben. Die Nebendarsteller Elizabeth Debicki (The Cloverfield Paradox) und Robert Pattinson (Der Leuchtturm) dagegen erhalten viel mehr Basis und können deutlich stärkere Sympathien beim Zuschauer aufbauen.
Dieses Missverhältnis zwischen den Parteien erzeugt zwar keine Abneigung, mindert jedoch die Erfahrung an sich. Insbesondere Hauptdarsteller John David Washington rückt durch diese Tatsache ein wenig in den Hintergrund und ist, gemein gesagt, austauschbar.
Agentenfilm mit Science-Fiction-Elementen
Auch wirkt die Komplexität das Films ab und an wie brachiale Vertuschung der Tatsache, dass Tenet im Grunde ein simpler Agentenfilm à la James Bond ist – auch wenn die narrativen Elemente tatsächlich deutlich komplexer, brillanter und phänomenaler sind.
Zeit, ist nicht das Problem. Da lebend wieder rauszukommen, ist das Problem.
Nichtsdestotrotz sollte man sich Tenet definitiv anschauen und wenn möglich im Kino. Das Jahr 2020 wird wohl keinen größeren Blockbuster bieten und trotz einiger Mängel, ist der Film unglaubliches Entertainment mit bahnbrechenden cineastischen Elementen, die man so noch nicht auf der Leinwand zu sehen bekam.
Wer auf intelligente Action steht und keine Angst vor einer komplexen Prämisse hat, dem kann man Tenet nur wärmsten empfehlen. Am besten sogar ein zweites Mal, damit man auch wirklich alles versteht.
Denn Regisseur Christopher Nolan schafft es erneut mit seinem Werk aus dem Einheitsbrei der aktuellen Kinolandschaft herauszustehen. Und besonders Robert Pattinson straft alle seine Kritiker Lügen – The Batman kann kommen!
Es ist eine brillant kalkulierte, präzise, kontrollierte, unglaubliche Story, die irgendwann völlig außer Kontrolle gerät. Wenn Sie sich auf Tenet einlassen, halten Sie sich gut an ihrem Sitz fest.
Bildrechte: Warner Bros.
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