True-Crime-Filme, also Werke, denen ein wahres Verbrechen als Vorlage dient, gehören zweifelsfrei zu den beliebtesten Genre, da Spannung und Nervenkitzel meist garantiert sind. Auch der Streaminganbieter Netflix hat schon zahlreiche Titel wie Making a Murderer oder Amanda Knox (2016) im Angebot, die entweder in Doku-Form oder als Spielfilm präsentiert werden.
Mit Lost Girls wurde nun ein weiteres Werk veröffentlicht, dass unter dem Deckmantel eines Spielfilms die Taten des Long Island Serienmörders, kurz LISK, oder auch Craigslist Ripper genannt, beleuchtet. Primär werden allerdings die Schicksale der Eltern und Geschwister der Opfer fokussiert.
Mari Gilbert lebt zusammen mit ihren zwei Töchtern ein recht bescheidendes Leben. Ihr ältestes Kind Shannon hat Mari einst zu einer Pflegefamilie gegeben, da sie sich als junge Mutter der Aufgabe noch nicht gewachsen sah und die medizinische Pflege des Mädchens nicht bezahlen konnte.
Die 24-jährige Shannan Gilbert unterstützt ihre Mutter mittlerweile jedoch finanziell und diese stellt keine Fragen woher das Geld stammt. Auch die beiden jüngeren Schwestern wissen noch nicht, dass sich Shannan als Sexarbeiterin über das Internet verkauft. Doch dieses Geheimnis und viele weitere sollen ans Licht kommen, als Shannan eines Abends nicht mehr nach Hause kommt und spurlos verschwunden scheint.
Doch die Polizei interessiert sich wenig für den Fall einer verschwundenen Prostituierten und somit beginnt für Mari eine dunkle Odyssee mit unbequemen Wahrheiten über ihre Tochter. Da sie ihre Tochter um jeden Preis finden will, verfolgt Mari Gilbert die letzten bekannten Schritte von Shannan und landet bald in einem abgelegenen Stadtviertel in den sozial fragwürdigen Randgebieten von Long Island.
Ihre Entdeckung ruft die Polizei und die Medien auf den Plan, denn plötzlich geht es um mehr als ein Dutzend unaufgeklärte Morde an Prostituierten – alles junge Frauen, die Mari nicht in Vergessenheit geraten lassen will.
Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch-Bestseller von Robert Kolker erzählt Regisseurin Liz Garbus (What Happened, Miss Simone?), die in der Vergangenheit zahlreiche Dokumentarfilme drehte, die tragische Geschichte einer bis dato unaufgeklärten Reihe von Morden. Und gerade die Tatsache, dass die Morde nicht aufgeklärt sind und bisher kein Täter festgenommen wurde, raubt dem Film frühzeitig die Spannung.
Bereits zu Beginn des Films wird diese Tatsache eingeblendet und der Zuschauer weiß fortan, dass er in den kommenden 95 Minuten keine Antworten erhalten und bei den Credits unbefriedigt und voller Fragen dasitzen wird. Doch auch der Weg ist mit so manchem Stolperstein gepflastert, die Lost Girls schwächeln lassen.
Angefangen bei den Figuren: das Opfer Shannan wird dem Zuschauer nicht vorgestellt und auch ansonsten wird abseits einer alten VHS-Aufzeichnung und ihrer arbeit als Prostituierte wenig über sie erzählt. Als Zuschauer Mitgefühl und Verbundenheit aufzubauen fällt dementsprechend schwer. Und auch Mutter Mari ist alles andere als ein Sympathieträger im Film.
Schauspielerin Amy Ryan (Bridge of Spies – Der Unterhändler) liefert ohne Frage eine gute Performance ab, doch ihre Figur ist nicht sonderlich freundlich und emotional geschrieben. Zwar tritt Mari als Kämpferin auf, die für ihre Töchter durch die Hölle gehen würde, aber an anderer Stelle agiert sie zu ungestüm und gedankenlos.
Und auch die Nebenrollen sind eher blass. Die weiteren trauernden Mütter und Geschwister sind weitestgehend austauschbar und auch die Polizisten und Verdächtigen agieren überwiegend harmlos. Und so schlägt sich Schauspielerin Amy Ryan alleine durch ein Netz aus Lügen und Korruption, wie einst Frances McDormand in Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017).
Zusammenfassend ist Lost Girls kein spannender Thriller, in dem ein brutaler Mörder verfolgt und gestellt wird, sondern das Portrait einer verzweifelten Mutter, die sich von den Gesetzeshütern im Stich gelassen fühlt und für ihr Recht auf Antworten kämpft.
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