Eden

Eden (2024) | Filmkritik

Tod im Paradies. Eine einsame Galápagos-Insel und ein rätselhafter Fall.

von Markus Grunwald

Als Satan nach Eden kam: Eine Gruppe deutscher Aussiedler sucht auf der Insel Floreana im Galápagos-Archipel Zuflucht und versucht, ein neues Leben im Paradies zu beginnen.

Ein stiller Anfang: Paradiesvisionen und menschliche Brüche

Regisseur Ron Howard nimmt sich dieser historischen Galápagos-Affäre an und entfaltet aus den Ereignissen zwischen März und November 1934 ein dichtes Gesellschaftsdrama.

Was als utopisches Projekt beginnt, entpuppt sich bald als ein konzentriertes Seelenstück, in dem die wahre Natur des Menschen – mit all ihren Eitelkeiten, Widersprüchen und Abgründen – nach und nach zutage tritt.

Eden Filmkritik

© LEONINE Studios

Zwischen den beiden Weltkriegen brechen mehrere Aussteiger auf, um auf der abgelegenen Galápagos-Insel Floreana ein neues Leben zu beginnen. Fernab aller gesellschaftlichen Normen wollen sie ein selbstbestimmtes Paradies erschaffen – doch die Isolation offenbart schneller als erwartet die Bruchlinien menschlicher Natur.

Die Ankunft: Utopie trifft Wirklichkeit

Als Erste erreichen Dr. Friedrich Ritter und seine Geliebte Dore Strauch die Insel. Ihr philosophisches Utopie-Projekt, gepaart mit der Behandlung von Dores Multipler Sklerose, zieht bald internationale Aufmerksamkeit auf sich. Diese öffentliche Faszination motiviert den Kriegsveteranen Heinz Wittmer, seine junge Frau Margret und seinen Sohn Harry nachzuziehen. Anfangs kämpfen sie mit den harschen Bedingungen, finden aber zunehmend ihren eigenen Rhythmus im entbehrungsreichen Alltag. Zögerlich entsteht ein brüchiges Vertrauen zwischen den so unterschiedlichen Siedlern.

Doch die fragile Harmonie wird zerstört, als die selbsternannte Baronin Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet mit zwei Liebhabern auf Floreana erscheint. Mit großen Plänen, manipulativer Energie und einem ausgeprägten Sinn für Machtgefüge versucht sie, die Insel nach ihrem Willen zu formen. Die Spannungen wachsen, Misstrauen breitet sich aus und das vermeintliche Paradies kippt in ein gefährliches psychologisches Gefüge – in dem nicht mehr das Auswandern, sondern das Überleben im Mittelpunkt steht.

Eden Filmkritik

© LEONINE Studios

Ron Howard (Solo: A Star Wars Story), bekannt für seine glänzende, bildstarke Regie, nähert sich dem Stoff mit einer erzählerischen Sauberkeit, die dem historischen Material gerecht wird. Weite Landschaften kontrastieren mit engen Innenräumen, philosophische Dialoge wechseln mit handfesten Szenen der Feldarbeit. Hans Zimmers Musik fügt sich wie ein unterschwelliges Herz hinzu, das die Spannung zwischen Idylle und Verfall akzentuiert.

Philosophie gegen Schaufel: Intellektuelle kontra Pragmatiker

Die Performances sind durchweg stark. Jude Law (Phantastische Tierwesen-Filmreihe) spielt den intellektuellen Provokateur, dessen Nietzsche-Zitate und philosophische Attitüde ihn zu einem polarisierenden Anführer machen. Law verkörpert diesen Typus mit großer Präsenz und leichtem Hang zur Hybris.

Vanessa Kirby (Pieces of a Woman) ist seine verletzliche, an Multiple Sklerose erkrankte Gefährtin, deren fragile Stärke dem Ensemble eine emotionale Mitte verleiht. Daniel Brühl und Sydney Sweeney bilden das bodenständige Paar: Brühl als praktischer, zuverlässiger Arbeiter, Sweeney als pragmatische, zugleich warmherzige Figur – sie sind die moralische Bezugsperson, die dem Zuschauer Halt geben, während die anderen zunehmend unberechenbar werden.

Ana de Armas (Knives Out) liefert eine leicht überdrehte, beinahe burleske Vorstellung als selbsternannte Baroness. Ihre Darstellung bringt Camp und gesellschaftliche Überspitzung in die Gemengelage. Insgesamt ist es ein Ensemble, das seine Figuren mit Volumen versieht, auch wenn Howard bewusst keine eindeutigen Helden oder Schurken zulässt.

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© LEONINE Studios

Die Stärke von Eden liegt in der Ambivalenz: Howard zeigt keine einfache Moralfabel, sondern ein komplexes Gefüge aus Schuld, Verführung und Selbstinszenierung. Das Drehbuch von Noah Pink basiert auf widersprüchlichen Zeitzeugenberichten, und genau diese Mehrstimmigkeit überträgt sich auf den Film – oft ist es schwer zu entscheiden, wem man glauben soll.

Wie Mythen entstehen: Erzählungen und Wahrheit

Die dramaturgische Entscheidung, keine eindeutige Identifikationsfigur zu bieten, ist mutig, bringt aber auch einen Preis mit sich: Zuschauer, die einen klaren Mittelpunkt erwarten, fühlen sich entfremdet, weil sich die Sympathien immer wieder verschieben.

Die Tonalität pendelt zwischen historischer Revue und psychologischem Kammerspiel, was dem Film eine besondere, aber nicht immer komfortable Dichte verleiht. Das Finale von Eden verdichtet die zuvor angelegten Konflikte zu einer unvermeidlichen Implosion: Die Masken fallen, Bündnisse lösen sich, die Insel wird zum Spiegel für die inneren Zerrüttungen der Siedler.

Dort, wo Menschen ein „neues Leben“ beginnen, werden alte Narben und Machtmechanismen reproduziert. Die Schlussszenen deuten an, dass die Insel weder Eden noch Hölle ist, sondern ein Raum, in dem menschliche Ambitionen, Ängste und Triebe auf unerbittliche Weise aufeinanderprallen.

Eden ist ein dichtes, manchmal sperriges Filmessay über Idealismus, Macht und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Zusammenlebens. Ron Howard inszeniert historisch detailreich und mit visuellem Gespür, die Schauspieler liefern überzeugende Leistungen und Hans Zimmers Musik unterstützt die emotionale Schwere. Für Zuschauer, die historische Stoffe mit psychologischer Tiefe schätzen, ist Eden ein lohnender, intensiver Film.

Bewertung

Bewertung_8

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Bildrechte: LEONINE STUDIOS

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