Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten? So heißt es in dem bekannten deutschen Volkslied über die Gedankenfreiheit.
Wer überwacht meine Gedanken?
Was wäre aber, wenn alle Gedanken offen wie gesprochene Worte für jedermann zugänglich sind? Mit dieser Thematik beschäftigt sich der Science-Fiction-Film Chaos Walking von Regisseur Doug Liman (Edge of Tomorrow).
Die Menschen haben den Weltraum kolonialisiert. Der junge Todd Hewitt lebt auf dem Planeten New World in einer kleinen Gemeinschaft.
Die Besonderheit: In Prentisstown sind einst alle Frauen von den Ureinwohnern des Planeten ermordet worden und die übrig gebliebenen männlichen Bewohner stehen unter dem Einfluss des rätselhaften Lärm. Hierbei sind alle Gedanken für jeden und jederzeit hörbar.
Eine Frau im Patriarchat
Eines Tages steuert eine Erkundungsmission den ungewöhnlichen Planeten an, mit an Bord die junge Frau Viola. Diese überlebt als einige die gefährliche Landung und stößt daraufhin auf Todd. Der Bürgermeister von Prentisstown (Mads Mikkelsen) ist entgegen Todd alles andere als erfreut über eine Frau in seiner Gemeinschaft und eröffnet die Jagd auf diese.
Zusammen begeben sich Todd und Viola auf dem zu großen Teilen unerforschten Planeten auf die Flucht. Dabei kommen sie einer unglaublichen dunklen Wahrheit auf die Spur!
Es ist der klassische Fall einer cleveren Idee, die mit einer seichten Handlung ummantelt wurde. Der Lärm und die Problematik der offenen Gedanken sind der interessanteste Ansatz den Chaos Walking zu bieten hat.
Was steckt hinter dem Lärm?
Leider wird hier das Potenzial vollkommen verschenkt. Mal können die Männer ihre Gedanken kaum unterdrücken, mal können sie aus ihren Gedanken Tiere und Waffen entstehenden lassen. Bis auf wenige Ausnahmen kommen diese Kräfte jedoch nicht zum Einsatz.
Überwiegend hat Protagonist Todd damit zu kämpfen, sein Kopfkino geheim zu halten. Sei es nun, um dem Bürgermeister nichts zu verraten oder um Viola nicht zu offenbaren wie hübsch er sie findet.
Ebenso sind die alienartigen Spackle, die Ureinwohner von New World, nicht mehr als eine Randnotiz. Gut und gerne hätte Chaos Walking auch in einem abgelegten Bereich auf der Erde spielen können, ähnlich The Village von Regisseur M. Night Shyamalan.
Gute Schauspieler spielen schwach auf
Schauspieler Tom Holland, der sich nun schon seit einigen Jahren für Marvel als Spider-Man von Haus zu Haus schwingt, übernimmt die Rolle des unsicheren Todds. Star Wars-Jedi Daisy Ridley gibt die wortkarge Frau, die ausgerechnet im ungünstigsten Dorf des Planeten landet.
Die Chemie zwischen Holland und Ridley funktioniert überwiegend gut, aber so richtig will der Funke nicht überspringen. Zu konstruiert wirkt ihr gemeinsames Abenteuer und die aufblühende Liebe.
Was die Widersacher in Form von Bürgermeister Mads Mikkelsen (Helden der Wahrscheinlichkeit) und dem wütenden Priester (David Oyelowo) betritt, sind hierbei die Hintergründe und Absichten zu offensichtlich gestaltet. Mikkelsen spielt mit angezogener Handbremse und die Figur Oyelowo (The Cloverfield Paradox) wirkt wie ein verwirrter Geistlicher, der über den Planeten reitet.
Zum Ende hin wird immer deutlicher, dass der Science-Fiction-Film Chaos Walking lediglich das erste Buch einer Trilogie ist: The Knife of Never Letting Go von Patrick Ness. Zu offen gestaltet sich das Ende, zu viele Fragen hinterlässt der Lärm.
Erhält Chaos Walking eine Fortsetzung?
Der Film mag visuell überzeugen und vor allem sind die Ansätze der Gender-Problematik interessant, aber eine wirkliche Botschaft will nicht herausspringen. Mehr Substanz und Antworten könnte uns die Fortsetzung Chaos Walking 2 bringen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass diese grünes Licht erhalten wird.
Und so wird Chaos Walking letztendlich einer dieser fantastischen Trilogie-Filme sein, die wie Tintenherz (2008) und Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter (2006) ihre Geschichte niemals zu Ende erzählen werden.
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