Seit 2012 hält die britische Serie Black Mirror unserer Gesellschaft den Spiegel vor und zeigt, welche düsteren Zukünfte uns erwarten könnten. Die einzelnen Folgen, immer in sich abgeschlossen, thematisieren dabei fortgeschrittene Technik, gesellschaftliche Probleme und den Einfluss von Medien.
Der neuste Streich des Autors Charlie Brooker nimmt den Zuschauer nun mit auf einen filmischen Ausflug der ganz besonderen Art. Der auf Netflix veröffentlichte Film Black Mirror: Bandersnatch übergibt seinem Zuschauer die Kontrolle und überlässt diesem die Entscheidungsgewalt, oder vielleicht doch nicht?
Im Jahr 1984 sind die Computerspiele auf dem Vormarsch und Colin Ritman (Will Poulter) gehört zu den Top-Programmierern. Der 19-jährige Stefan Butler (Fionn Whitehead) möchte in diese Fußstapfen treten und arbeitet deshalb ebenfalls an einem Videospiel. Er bedient sich als Vorlage an dem Buch Bandersnatch, bei welchem der Leser eigene Entscheidungen treffen und somit den Ausgang der Geschichte frei steuern kann. Genau diese Entscheidungsgewalt des Choose-Your-Own-Adventures möchte er auch in seinem Computerspiel ermöglichen.
Doch nachdem das Konzept vom Entwicklerstudio zunächst positiv aufgenommen wird und das Spiel an Weihnachten unter den Tannenbäumen liegen soll, beginnt für Stefan eine stressige Zeit, in der der fähige Programmierer nach und nach den Durchblick all seiner verschiedenen Handlungsstränge verliert und zudem das komische Gefühl nicht abwerfen kann, dass ihn eine fremde Macht steuert.
Kann Stefan das Spiel rechtzeitig beenden ohne den Verstand zu verlieren? Und können wir ihm dabei helfen? Und wollen wir dies überhaupt, oder lassen wir ihn im Wahnsinn untergehen?
Das Prinzip von Black Mirror: Bandersnatch wird dem Zuschauer recht schnell und simpel erklärt. Bereits am Frühstückstisch hält uns das Familienoberhaupt zwei Cornflakespackungen entgegen. Wir haben die freie Wahl was auf den Tisch kommt. Kurz darauf begleiten wir Stefan im Bus und als der Walkman herausgeholt wird, gibt es zwei verschiedene Kassetten, die eingelegt werden können. Wir erhalten also mit zwei Banalen Entscheidungen, welche lediglich einige Dialoge bzw. Szenen im Film marginal beeinflussen, eine schnelle Einführung in die Funktionsweise.
Aber das Baukasten-System des Films soll keinesfalls mit so belanglosen Auswahlmöglichkeiten fortgesetzt werden. Je weiter der Film fortschreitet, desto komplexer und schwerwiegender werden die Entscheidungen. Der Zuschauer muss über die berufliche Zukunft, über Leben und Tod und über Einsicht und Wahnsinn entscheiden. Wie gravierend dabei kleinste Änderungen im Ablauf sein können, wird leider erst beim wiederholten Sichten wirklich deutlich.
Außerdem besteht die Möglichkeit in einer Sackgasse zu enden. Schlägt man an manchen Stellen den falschen Weg ein, geht es zurück zur letzten Entscheidung. Gerade hier wird deutlich, dass nicht jede Entscheidung zu einem alternativen Ende führt und das Konzept des Films gerät etwas ins Wanken. Entscheidet man sich jedoch richtig, gelangt man zu einem der verschiedenen Enden. Bei Black Mirror: Bandersnatch trifft dabei der bekannte Satz zu: Die Reise ist das Ziel.
Inhaltlich und schauspielerisch ist Black Mirror: Bandersnatch durchaus unterhaltsam, aber am Stück geschaut, wäre der Film sicherlich weitaus weniger interessant. Die Entscheidungsgewalt des Zuschauer ist das Herzstück und die Verschmelzung aus Film und Videospiel ist eine durchaus fesselnde Idee, die man sich zukünftig auch für andere Genres sehr gut vorstellen könnte.
Als neugieriger Betrachter kann man sich durchaus in der Komplexität des Films verlieren, wenn man versucht alle möglichen Kombinationen herauszufinden. Doch wie Stefan selbst in einer Szene feststellt: Wie viel Einfluss haben wir tatsächlich auf die Geschehnisse im Film? Oder lässt uns der Film in Wirklichkeit nur in dem Glauben, dass wir mitentscheiden?
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