Ein Tag kann alles verändern – und im Fall von Training Day ist dieser eine Tag für den jungen Cop Jake Hoyt (Ethan Hawke) nicht nur der härteste seiner Karriere, sondern auch der Beginn eines Albtraums, der ihn für immer prägen wird.
Ein tödliches Bewerbungsgespräch auf den Straßen von Los Angeles
An seinem ersten Arbeitstag bei der Drogenfahndung wird er dem charismatischen, aber zutiefst korrupten Detective Alonzo Harris (Denzel Washington) zugeteilt. Was als unspektakuläre Einarbeitung beginnt, entwickelt sich rasend schnell zu einem Spiel um Leben und Tod, bei dem Moral, Gesetz und Loyalität keine feste Bedeutung mehr haben.
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In der Rolle des Alonzo Harris liefert Denzel Washington eine der fesselndsten Darbietungen seiner Karriere ab – wenn nicht die beste neben seiner legendären Rolle in Malcolm X (1992). Er schreit, flüstert, droht, schmeichelt – und beherrscht jede Szene mit einer hypnotisierenden Präsenz, der man sich unmöglich entziehen kann.
King Kong ain’t got shit on me!
Mit seinem wuchtigen Spiel balanciert Washington brillant zwischen Charisma und Wahnsinn, zwischen Verführer und Tyrann.
Denzel Washington in Höchstform – zwischen Genie und Wahnsinn
Seine Gefühlsausbrüche sind nicht nur laut und angsteinflößend, sondern tief menschlich – und machen Alonzo zu einem faszinierenden Antagonisten, der gleichzeitig surreal und erschreckend real wirkt.
Ethan Hawke (Before Sunrise) spielt die Rolle des naiven Idealisten Jake Hoyt mit viel Herzblut und Integrität. Seine Entwicklung vom schüchternen Streifenpolizisten zum moralisch zerrissenen Cop wirkt glaubhaft und nachvollziehbar. Doch so stark Hawkes Performance auch ist, neben Washingtons Alonzo gerät selbst ein talentierter Schauspieler wie er ins Hintertreffen. Und doch: Gerade die Dynamik zwischen den beiden ist es, die Training Day antreibt. Jede Szene mit den beiden wirkt wie ein psychologisches Duell.
Eine Stadt als Hölle: Antoine Fuquas Hollywood-Durchbruch
Regisseur Antoine Fuqua inszeniert Los Angeles als glühend heiße Metropole, in der Gerechtigkeit und Korruption unentwirrbar ineinander verstrickt sind. Für Fuqua bedeutete Training Day den endgültigen Durchbruch in Hollywood. Ein Verdienst, den er später mit Washington in der erfolgreichen The Equalizer-Reihe und bei Southpaw (2015) erneut bestätigen konnte.
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Die Atmosphäre ist durchweg angespannt, die Kameraarbeit bedrückend nah und das Pacing perfekt abgestimmt. Jeder Straßenblock scheint Gefahr zu bergen, jeder Dialog ein Test für Hoyts Charakter.
David Ayer: Der Mann hinter dem Drehbuch
Dass Training Day so eindringlich und vielschichtig funktioniert, liegt auch am brillanten Drehbuch von David Ayer. Ayer zeigt hier eindrucksvoll, wie man Subtext und Spannung geschickt miteinander verwebt. Kleine Hinweise im Dialog entfalten später große Wirkung, Wendungen erscheinen logisch und überraschend zugleich.
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Bemerkenswert: Im selben Jahr schrieb Ayer auch an dem Skript zu The Fast and the Furious mit. Zwei ikonische Filme, die unterschiedlicher kaum sein könnten und dennoch das Talent des Autors unterstreichen.
Ein Kammerspiel unter freiem Himmel
Training Day ist nicht einfach nur ein Cop-Thriller, der Film ist ein intensives Kammerspiel, das innerhalb eines einzigen Tages abläuft. Dieses erzählerische Konzept erhöht die Spannung zusätzlich. Die Handlung entwickelt sich organisch, schlägt aber immer wieder Haken, die den Zuschauer in die Couchkissen fesseln. Der ständige Wettstreit zwischen Idealismus und Pragmatismus, zwischen richtig und falsch, wird auf eine Weise inszeniert, die unter die Haut geht.
It’s not what you know, it’s what you can prove.
Kritikwürdiges Finale, das dennoch fesselt
Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Die letzten 15 Minuten des Films wirken ein wenig gehetzt und enthalten ein paar kleinere Logikfehler. Einige Entscheidungen erscheinen zu konstruiert, um die Geschichte sauber zu einem Ende zu bringen. Doch selbst das kann der packenden Wirkung des Films kaum etwas anhaben. Die emotionale Wucht bleibt bestehen, der Showdown ist atemberaubend.
Fun Fact: Ein anderer Hoyt?
Kurioses am Rande: Ursprünglich sollte kein Geringerer als Rapper Eminem die Rolle des Jake Hoyt übernehmen. Der Rapper entschied sich jedoch für seinen Film 8 Mile (2002), wodurch er auch auf eine Zusammenarbeit mit seinen Mentoren Dr. Dre und Snoop Dogg in Training Day verzichtete – ein Aufeinandertreffen, das wohl Hip-Hop- und Filmfans gleichermaßen elektrisiert hätte.
Serienflop nach Filmhit
2017 versuchte CBS, den Stoff von Training Day in eine Fernsehserie zu überführen. Doch der Funke blieb aus und nach nur einer Staffel war Schluss. Der Kinofilm bleibt damit zurecht das einzig wahre Original.
You gotta decide who you’re gonna be, right? A wolf or a sheep.
Training Day ist nicht nur ein herausragender Thriller, sondern auch ein Paradebeispiel für intensives Schauspiel, cleveres Drehbuchhandwerk und konsequente Regie. Die Chemie zwischen Washington und Hawke, das klaustrophobische Setting in der offenen Weite L.A.s und das moralische Dilemma, das sich durch jede Szene zieht, machen den Film zu einem modernen Klassiker.
Zwar schwächelt das Ende leicht, doch was davor geboten wird, gehört zum Besten, was das Genre je hervorgebracht hat. Denzel Washington hat sich mit dieser Rolle ein filmisches Denkmal gesetzt.

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