The Mustang (2019) | Filmkritik

Der glatzköpfige Roman Coleman (Matthias Schoenaerts) ist Häftling in einem Hochsicherheitsgefängnis irgendwo in der Wüste Nevadas. Er lässt niemanden an sich ran, meidet jegliche Gespräche und sitzt bereits seit zwölf Jahren im Gefängnis.

Der Weg zurück in die Gesellschaft

Auch Gespräche mit seiner Tochter sind ihm unangenehm. Da eine Rehabilitation in weiter Ferne liegt, schickt ihn die Gefängnis-Psychologin in ein Außenlager. Dort soll Roman die Misthaufen der Pferde beseitigen.

Bei der eintönigen Arbeit an der frischen Luft lernt er Myles (Bruce Dern) kennen. Dieser leitet ein Reha-Programm, in dem Insassen wilde Mustangs einreiten und sie für eine Auktion fit machen.

Roman wird in dieses Programm aufgenommen und kümmert sich fortan um den sehr wilden Mustang Marquis, der sich nicht zähmen lässt. Doch zwischen den beiden entwickelt sich eine eigenwillige Chemie, die scheinbar beide verändert. Jedoch bringt auch der Gefängnis-Alltag seine Probleme mit sich. Roman steht zwischen den Fronten und muss sich letztendlich entscheiden, welchen Weg er einschlägt.

© Légende Films / Sony Pictures Releasing / Universal Pictures

The Mustang ist ein gelungener Film, der ganz auf die Darsteller-Kombi Schoenaerts/Marquis setzt. Und dies funktioniert, denn der belgische Schauspieler, der unter anderem durch den Film Der Geschmack von Rost und Knochen (2012) bekannt wurde, mimt den wortkargen und hochexplosiven Insassen hervorragend.

Innere Gebrochenheit

Und das, obwohl seine Figur nicht gerade viele Emotionen zulässt. Die Hauptfigur des Films hat nur ein paar Zeilen Text. Aber allein durch intensive Körperspräche strahlt Schoenaerts eine physische Präsenz aus. Außerdem kommt in seinen Kurz-Ausrastern seine innere Gebrochenheit wunderbar zum Ausdruck.

Der Belgier spielt einen Sturkopf, der sich nicht belehren lassen will. Sein tierischer Begleiter Marquis ist vom Verhalten her ähnlich. Der Mustang ist wild und möchte nicht gezähmt werden. Dieses Aufeinandertreffen zweier Querulanten macht The Mustang interessant – denn sie streiten, lieben und schlagen sich. Unterhaltsam sind besonders die Wutausbrüche von Roman Coleman. In einer Szene fordert er seinen Mustang heraus, gegen ihn zu kämpfen. Sogar die Nahaufnahmen mit dem Pferd wirken sehr echt.

© Légende Films / Sony Pictures Releasing / Universal Pictures

Auch die Regiearbeit von Laure de Clermont-Tonnerre, die mit dem Film ihr Langfilmdebüt gibt, trägt viel zu der großartigen Stimmung des Films bei. Sie filmt authentisch und übertreibt nicht. Dadurch gewinnt die Story an Bodenständigkeit. Zumal in den 96 Minuten Laufzeit nicht gerade viel gesprochen wird. Dies ist aber keineswegs unangenehm, denn so kommt die leicht unterkühlte Persönlichkeit von Roman noch besser zur Geltung.

Geduld statt Action

Ansprechend ist auch die größtenteils fokussierte Inszenierung. Es ergibt sich eine atmosphärisch-dichte Erzählung, in welcher keine exakte Stoßrichtung zu erkennen ist. Es kann jedoch sein, dass für einige Zuschauer diese Inszenierung zu ruhig wirkt und auch der Unterhaltungsfaktor ist auf eher mittlerem Niveau angesiedelt, ohne große Ausreißer nach oben oder unten. Dies wird nicht jedem Gefallen, denn gerade in dem Zeitalter von Netflix und Co. haben sich Sehgewohnheiten stark verändert.

Deshalb ist hier etwas Geduld gefragt und die Bereitschaft, nicht jede zehn Minuten ein Highlight zu sehen.

© Légende Films / Sony Pictures Releasing / Universal Pictures

Die Figuren wirken bis in die Nebenrollen glaubwürdig. Überzeugend ist auch Bruce Dern (The Hateful Eight) als Leiter des Mustang-Programms.

Ein großer Kritikpunkt muss aber erwähnt werden: Das Leben im Gefängnis kommt etwas zu kurz. Der Alltag von Roman Coleman wird nur ausschnittsweise gezeigt und so fehlt leider das typische Gang-Leben und die Brutalität im Knast.

Der moderne Pferdeflüsterer

Etwas mehr Blut und Dreck hätten dem Film sicherlich gut getan, damit er auch als Gefängnisfilm wahrgenommen wird. So ist The Mustang eher eine Charakterstudio zwischen Mensch und Pferd, anstatt ein gewöhnlicher Knast-Film. Jedoch ist das Ende des Films sehr schön, denn es hat eine sehr starke Botschaft, die warmherziger gar nicht sein könnte.

Insgesamt ist The Mustang ein guter Film, der dank Matthias Schoenaerts und einer angenehm ruhigen Inszenierung das Thema Pferd und Knast miteinander verbindet. Ganz klarer Sieger: die Freiheit.

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