Soul ist Pixars intellektuell ambitioniertes Gegenstück zu Alles steht Kopf (2015), ein skurriler Versuch einer Auseinandersetzung mit dem, was uns menschlich macht.
Was macht uns Menschen aus? Wie werden wir …. „Wir“?
Der Film Soul hat seine komischen Momente, ohne wirklich eine Komödie zu sein und ist spirituell, ohne tiefgründig zu sein.
Aber wenn sich der Film damit auseinandersetzt, was einen Menschen antreibt, die Ewigkeit nach dem Leben sowie vor dem Leben als abstraktes Kunstwerk zeichnet und die Frage aufstellt, was das Leben lebenswert macht, bleibt er stark hinter seinen Möglichkeiten und Versprechungen zurück.
Denn Soul versucht gar nicht erst Antworten über den Sinn des Lebens und das Konzept der Seele tiefgehend zu erläutern, sondern stellt seine Ansicht einfach als gegeben hin. Diese platonische Ebene zieht sich durch den gesamten Film und überlässt die Suche und Antwort eher den Predigern, Mystikern, Gurus und Eltern dieser Welt.
Ein Animationsfilm voller Musik
Pixar möchte eben alle Menschen unterhalten und niemanden verschrecken. Mutig kann man dies nicht nennen, aber zumindest wird man mit diesem Konzept weiterhin die Kassen des Disney-Konglomerats füllen und den seichten Zuschauer zufriedenstellen.
Hauptcharakter Joe Gardner, gesprochen von Jamie Foxx (Django Unchained), ein Single in seinen Mittvierzigern, lebt in New York und ist Musiklehrer an einer Mittelschule. Dort hat er gerade das Angebot bekommen, seinen Beruf in Vollzeit auszuüben.
Während seine Mutter (Phylicia Rashad) erleichtert über diesen angebotenen Ausweg aus der Lebens-Sackgasse ihres Sohnes ist, war diese Anstellung aber nie das Opus, welches er sich für sein eigenes Leben vorgestellt hat.
Doch ein ehemaliger Schüler (Quest Love) hilft ihm auf die Sprünge. Der Junge ist als Schlagzeuger für eine Star-Saxophonisten (Angela Bassett) angestellt und sie brauchen einen neuen Pianisten. Es ist Joes große Chance auf den langersehnten Durchbruch.
Ganz im Stil von Der Himmel soll warten (1978) ist dies jedoch der letzte Tag in Joes Leben und er stirbt, bevor er sich seinen vermeintlichen Lebenstraum erfüllen konnte. Und verständlicherweise lauten seine ersten Worte, nachdem er sein Schicksal realisiert hat: Ich kann JETZT nicht sterben!
Ein Selbstfindungs-Abenteuer im Davorseits
Er findet sich im Davorseits wieder, welches über eine Rolltreppe in das unbekannte Jenseits führt. Aber er will raus und stolpert unverhofft in das Mentorenprogramm für neue Seelen, wo er prompt mit einem Nobelpreisträger verwechselt und dem unverbesserlichen Zukunftsmenschen #22 (Tina Fey) zugeteilt wird.
Diese ist wild entschlossen kein Leben zu leben, denn ihr gefällt es hier in der Welt vor dem Leben ganz gut. Berühmte Seelen, von Mutter Teresa bis Kopernikus und Gandhi, haben bereits den Versuch unternommen, sie vom Leben zu überzeugen. Doch keiner hatte Erfolg. Und nun soll Joe sich dieser Seele annehmen.
Man kann hier keine Seele zerstören. Dafür ist ja die Erde zuständig!
Joes entschlossene Bemühungen führen sie zum Meer der verlorenen Seelen und zu einem Piratenschiff, das von einem skurrilen Spirituellen gesteuert wird. Mit dessen Hilfe will der Musiker zurück in seinen Körper und auf die Erde gelangen, um das zu erfüllen, was er als seine Bestimmung ansieht.
Wird Joe erfahren, was er wirklich sucht und was seine wahre Bestimmung sein könnte? Wird #22 ihre Glückseligkeit finden oder das Leben auf der Erde riskieren?
Soul wurde uns in Trailern und Vorabberichten als Anleitung zur Spiritualität präsentiert, kann dies aber nicht einmal als Vorlage für Kinder erfüllen. Zu amorph und trist wirkt die Gestaltung des Davorseits vor dem Leben und zu einfallslos der endliche Weg (eine ellenlange Rolltreppe) ins Unbekannte.
Von Picasso & Beamten namens Jerry
Abseits einiger Picasso-Hommagen müssen wir uns daher mit reizlosen Beamten herumschlagen, die alle auf den Namen Jerry hören.
Und dann artet Soul auch noch in einer stupiden Body-Switch-Komödie à la 30 über Nacht (2004) oder Big (1988) aus. Wobei gerade letztere mit Tom Hanks in der Hauptrolle deutlich empfehlenswerter ist, denn diese wollte nie mehr sein als eine wunderbare Komödie für Kinder und Familien.
Drehbuchautor und Regisseur Pete Docter, welcher uns so großartige Werke wie Die Monster AG (2001), Oben (2009) und WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf (2008) geliefert hat, muss man leider den Mangel eines stichhaltigen Konzepts vorwerfen.
Soul spielt auf zu vielen Hochzeiten zugleich und kann sich letztendlich in keinem Genre wirklich etablieren. Manchmal ist es eben einfach zu viel des Guten.
Hippy-Guru Moonwind als Highlight des Humors
Einer der besten Einfälle von Soul ist dagegen der Charakter Moonwind, im Original großartig vertont von Graham Norton, welcher das Ruder des vermeintlichen Piratenschiffes im Davorseits übernimmt, auf der Erde jedoch ein Street-Promoter zwischen 14th und 7th Street und alternder Hippy-Guru ist. Einfach ein quirliger Haudegen, welcher die müde Handlung etwas aufpeppt.
Aber auch die Jazz-Szenen, in denen Joe in eine fast ekstatische Trance verfällt, die Erklärungen der Jazz-Improvisation als eine Konversation einer elitären Sprache, die Menschen ihr ganzes kreatives Leben lang zu beherrschen versuchen, gehören zu den glorreichsten und transzendentesten dieser Pixar-Geschichte.
Eine großartige Arbeit von Late-Night-Bandleader Jon Batiste von der The Late Show with Stephen Colbert, welcher sich für diesen Sound verantwortlich zeichnet. Und der Jazz ist es, wie sich die Zuschauer Soul vielleicht nähern sollten, um ihn genießen zu können. So simpel und abgeleitet er auch sein mag, so wenig sollte man versuchen ihn in Gänze zu verstehen. Es ist ein Film, den man fühlt oder eben nicht.
Soul kostenfrei auf Disney+ schauen
Letztendlich ist Soul somit ein unterhaltsamer und kurzweiliger Film mit der emotionalen Tiefe, welche die Filme aus dem Haus Pixar von anderen Animationsfilmen abhebt. Während er für einige vielleicht nicht der eindrucksvollste oder ergreifendste Pixar-Film ist, wird er zweifelsohne den Geschmack anderer treffen, besonders mit seiner Botschaft, das Leben in vollen Zügen zu leben.
Aber obwohl Soul ein solider Film ist, ist er nicht annähernd einer der besten, den das Studio jemals hervorgebracht hat und man kann seine Zeit mit einem anderen Vertreter der Schmiede Pixar aus früheren Zeiten auch deutlich besser verbringen.
Seine schöne Animation und sein Soundtrack, gepaart mit lustigen Charakteren, sorgen jedoch weitestgehend für ein angenehmes Erlebnis – eben leicht zugängliche und unbeschwerte Familien-Unterhaltung zur Weihnachtszeit, ohne Zusatzkosten, auf Disney+.
Jazziger Soundtrack zu Soul
Wer nach dem Animationsfilm auf Disney+ immer noch die Klänge von Joe und seinem Abenteuer im Ohr hat, wird mit dem Soundtrack seine wahre Freude haben. Denn Soul bietet Musik, die aus der Seele spricht!
Die ergreifende Musik zum Film, die seit dem 18. Dezember 2020 auf CD und digital erhältlich ist, beinhaltet insgesamt 42 Stücke mit viel Herz und noch mehr Seele. Auch Schallplatten-Fans kommen auf ihre Kosten, denn neben CD und Stream sind auch zwei Vinyl-Versionen veröffentlicht worden: Eine Edition enthält 23 Jazz-Stücke von Jon Batiste, während die andere die 22 Score-Titel, komponiert von Trent Reznor (Nine Inch Nails) und Atticus Ross, beinhaltet.
Während sich Reznor und Ross auf das sogenannte Vorseits, die Seelenwelt, konzentriert haben, gestalte der Jazz-Musiker Jon Batiste mit seinen Melodien Joes Leben im belebten New York. Ein besonderes Highlight ist dabei auch der globale End Credit Song, ein Cover des Soul-Klassikers It’s all right von The Impressions aus den 1960ern, performt von Batiste selbst.
Neben den Melodien von Reznor, Ross und Batiste enthält der Soundtrack auch je einen Track von Daveed Diggs und Cody ChesnuTT. Die Musik von Soul versprüht eine neue Originalität mit einem Hauch von Nostalgie, die sich sowohl Disney als auch Jazz-Fans nicht entgehen lassen sollten. Diese Kompositionen sind Balsam für die Seele!
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Bildrechte: Walt Disney Studios
1 Kommentar(e)
Howdy!
Danke für die Bewertung, ist ja etwas niedriger ausgefallen als die von IMDB…
Wir schauen zu Weihnachten mit den Kindern auch immer gerne animierte Filme. Dieser steht noch auf der Liste, dieses Jahr gabs die animierte Version des Grinch, der war sehr unterhaltsam und niedlich. Ansonsten vertreiben wir uns auch gerne mal die Zeit mit einem Spiel für Kommunikation. Aber das Interesse an Filmen ist natürlich wesentlich größer als sich mit den „Alten“ über das Leben zu unterhalten…
Cheers! Dominik