Denkt man an die Kinderbuchfigur Pinocchio, fällt einem wohl zuerst die Zeichentrick-Verfilmung des Maus-Konzerns Disney ein. Vielleicht hat so manch einer auch schon Vorfreude auf die Adaption von Guillermo del Toro (Shape of Water), die derzeit in Entwicklung ist.
Ein italienisches Märchen
2019 veröffentlichte der italienische Regisseur Matteo Garrone (Das Märchen der Märchen) jedoch seine märchenhafte Interpretation der Vorlage von Carlo Collodi. Und diese ist ebenso liebevoll wie düster.
Der zurückgezogen lebende Tischler Geppetto schlägt sich mehr schlecht als recht durch das Leben. Er ist zwar äußerst begabt in seinem Beruf, doch die Kundschaft bleibt trotzdem aus.
Ein vorbeifahrendes Marionettentheater bringt ihn auf die Idee, sich auch eine Holzpuppe zu schnitzen. Diese soll ihm in seiner leeren Wohnung Gesellschaft leisten.
Ich will ein echter Junge sein!
In detaillierter Feinarbeit schnitzt Geppetto daraufhin an seinem Werk und dann hört er es plötzlich: einen Herzschlag. In Eile beenden der Tischler seine Arbeit und verleiht dem Holzknaben, den er Pinocchio tauft, Augen, Ohren und einen Mund. Als er sein Werk vollendet hat und Pinocchio seinen Vater begrüßt, verkündet Geppetto den Dorfbewohnern voller Stolz, dass er nun Vater sei.
Und wie es sich gehört für einen Jungen soll Pinocchio auch die örtliche Schule besuchen. Der junge Holzkopf hat aber ganz andere Pläne mit seiner Zeit und nimmt Reißaus. Ohne Lebenserfahrung stolpert der freche Bursche auf seinem Weg jedoch von einem Missgeschick ins nächste.
Um zu seinem sich sorgenden Vater zurückzukehren, muss Pinocchio einige Abenteuer überstehen. Zum Glück hat die blaue Fee stets ein Auge auf den Ausreißer.
Es ist überraschend, dass es bis 2019 gedauert hat, dass das italienische Werk Die Abenteuer des Pinocchio eine hochklassige Adaption aus seinem Herkunftsland erhält. Regisseur Matteo Garrone (Gomorrha) hat es nun endlich geschafft, die Magie des Romans auf die große Leinwand zu zaubern.
Der Filmschaffende orientiert sich dabei sehr an dem Roman aus dem Jahr 1883 und dies bedeutet, dass auch düstere Stellen ihren Platz in dem Film finden. Eine Altersfreigabe in Deutschland ab 6 Jahren könnte da stellenweise etwas niedrig angesetzt wirken. Auf der anderen Seite lernen Kinder in diesem märchenhaften Film einige wertvolle Botschaften.
Magische Wesen & düstere Kreaturen
Denn sobald Pinocchio seine Beine erhalten hat, rennt er los, um die neue Welt zu erkunden. Auf seinen Abenteuern begegnet er nicht nur neuen Freunden, wie der blauen Fee, dem Feuerfresser und Madam Schnecke, sondern auch einigen zwielichtigen Personen. Während Kater und Fuchs den hölzernen Jungen lediglich um seine Goldtaler bringen möchten, verkauft der Kutscher Pinocchio sogar als Esel an den Zirkus.
Wie schon im Zeichentrick-Klassiker aus dem Jahr 1940 gehört die Verwandlung in einen Esel zu den Szenen, die vor allem einem jüngeren Publikum lange im Kopf bleiben werden. Aber auch der Moment, wenn der frisch geschnitzte Pinocchio seine Füße am Ofen wärmen möchte und ihm diese abbrennen, gehört zu den angesprochenen düsten Momenten des Films.
Matteo Garrone erzählt seine Interpretation in wahrlich wunderbaren Bildern. Die Szenenbilder und Kostüme sind durch und durch ein Blickfang, der einen als Zuschauer staunen lässt. Zahlreiche fabelhafte Kreaturen begegnen einem auf der Leinwand und wundervolle Orte reihen sich aneinander. Dies ist mit Abstand die größte Stärke der Adaption.
Von Pinocchio zu Geppetto
Jungdarsteller Federico Ielapi mimt dafür die hölzerne Puppe und spielt den naiven und blauäugigen Pinocchio gekonnt. Vielleicht ist Pinocchio sogar ein wenig zu menschlich geraten. Als Fee mit den dunkelblauen Haaren wirkt ebenfalls Marine Vacth in dem Film mit.
Ob diese Pinocchio am Ende endlich in einen richtigen Jungen verwandeln wird? Der Ausgang der Geschichte ist vor allem einem älteren Publikum bekannt, doch die Reise macht Freude und am Ende hat man dem Bengel auch all seine falschen Entscheidungen verziehen.
Pinocchio ist eine magische Adaption der Vorlage, die den Mut hat auch die düsteren Momente auf die Leinwand zu zaubern. Die Handschrift von Matteo Garrone ist in den wunderschönen Bildern stets erkennbar und als Zuschauer wird man über zwei Stunden in ein fabelhaftes Märchen entführt.
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