Leider ist so ein Filmfestival viel zu kurz und der Terminplan viel zu voll, um alle Filme sehen zu können. Doch nach elf Tagen habe ich weit über 20 interessante, ergreifende und auch spannende Filmbeiträge sehen können, von denen viele im Laufe des Jahres in den deutschen Kinos laufen werden.
Einen ersten Gewinner gibt es schon. Den Preis „Un Certain Regard” gewann der Film HRÚTAR (egl. Rams) von Grímur Hákonarson.
Leider habe ich diesen nicht gesehen, aber das werde ich in der kommenden Zeit ganz sicher nachholen. Die Geschichte über zwei Brüder auf Island, die sich über das Schafehüten wieder annähern, klingt nicht unbedingt nach einem Reißer, lässt aber auf ein tiefgründiges Melodram mit tollen Landschaftsbildern hoffen. Umso mehr freute ich mich, dass mein kroatischer Favorit ZVIZDAN (The High Sun) von Dalibor Matanić den Preis der Jury erhielt.
Weitere Preise:
Best Director: Kiyoshi Kurosawa for KISHIBE NO TABI (Vers l’autre rive / Journey to the Shore)
Un Certain Talent Prize: COMOARA (Le Trésor / Treasure) by Corneliu Porumboiu
Promising Future Prize: MASAAN (Neeraj Ghaywan) und NAHID (Ida Panahandeh)
Am letzten Tag stand ich noch einmal früh auf und begann mein Filmprogramm mit dem Wettbewerbsteilnehmer Macbeth mit Michael Fassbender (12 Years a Slave) und Marion Cotillard (La Vie en Rose) in den Hauptrollen. Justin Kurzel (Die Morde von Snowtown) bringt das Shakespearedrama auf die Leinwand und stellt Macbeth als traumatisierten Krieger dar, der den Bezug zur Realität verliert und unter Ansporn seiner Frau den schottischen Adel niedermetzelt.
Als verschwörerisches Ehepaar harmonieren Fassbender und Cotillard wunderbar. Humor findet man in den Shakespeare-Dialogen allerdings keinen, so wie auch die düstere Landschaft in der von Kriegen befallenen Welt, ist die gesamte Stimmung des Filmes todernst. Die Schlachten werden teilweise in extremen Zeitlupen, die an Kampfszenen aus 300 erinnern, dargestellt. Somit liefert Kurzel ein bildgewaltiges Porträt eines Mörders zu einer grausigen Zeit, die durch ihre außergewöhnlichen Actionszenen wiederbelebt wird.
Film Nummer zwei war Chronic von Michel Franco, der 2012 mit Después de Lucia den „Un Certain Regard“-Hauptpreis gewann und dieses Jahr im Wettbewerb vertreten ist. Wenn man sich durch die 90 Minuten zäher Erzählung kämpft, fällt einem die schauspielerische Glanzleistung von Tim Roth auf. Dieser spielt den Krankenpfleger David, der eine innige Freundschaft zu seinen todkranken Patienten aufbaut. Mit der Hingabe gegenüber der Kranken, scheint er auszugleichen, was ihm im eigenen Leben fehlt. In Gesprächen wird deutlich, dass er zeitweise die Identität seiner Patienten annimmt, doch darauf wird nicht näher eingegangen. Auch der Titel Chronic ergibt Sinn, als er sich in einer Szene durch die Facebook-Chronik seiner Tochter klickt, doch diese wird ebenfalls nicht weiter thematisiert. Wenn man nach langen Einstellungen allmählich einen tieferen Sinn im Ganzen zu verstehen glaubt, ist der Film auch schon in einer einzigen Szene beendet, die meiner Meinung nach nicht zur Gesamthandlung beiträgt und mich mit einem Schulterzucken zurückließ.
Auf den letzten Film freute ich mich besonders, da es sich um eine Adaption des weltberühmten 1943 erschienenen Kinderbuchs Der Kleine Prinz handelt. Mark Osbourne hat sich an eine Verfilmung des berühmtesten Werks von Antoine de Saint-Exupéry getraut. Das Ergebnis ist keine Kopie der Buchgeschichte, sondern eine Weiterführung derer. Ein Mädchen (gesprochen von Mackenzie Foy), das unter dem Perfektionismus ihrer Mutter (Rachel McAdams) leidet, freundet sich mit ihrem Nachbarn an: Dem gealterten Flieger, der einst in der Wüste abstürzte und ihr nun die Geschichte seiner Begegnung mit dem kleinen Prinzen erzählt. Unzufrieden über das Ende der Story, macht sie sich auf die Suche nach dem Prinzen.
Die Magie der Buchvorlage ist durch den gesamten Film spürbar. Die Stop-Motion-Animationen der Prinzengeschichte integrieren die wunderschönen Zeichnungen und Zitate von Antoine de Saint-Exupéry. Und auch die Geschichte des Mädchens ist zauberhaft und berührend. Mark Osbourne kennt man schon als Regisseur von Der SpongeBob Schwammkopf Film (2004) und Kung Fu Panda (2008). Mit The Little Prince steht er anderen Animationsfilmkonkurrenten in nichts nach und das, obwohl die Verfilmung des Literaturklassikers in Europa und ohne Beteiligung eines großen Studios produziert wurde.
Gestern nahm ich an der Pressekonferenz zu The Little Prince teil, bei welcher der Regisseur, Produzent Dimitri Rassam und die englischen Stimmen, u. a. Mackenzie Foy anwesend waren. Osbourne sagte, dass er hoffe sein Film bringe genug Bezug aus dem Buch mit ein, so dass sie zwar ihre eigene Geschichte erzählen, das Buch aber andererseits genügend würdigen. Dies ist ihm zweifelsfrei gelungen. Die Weltenkritik wird in beiden Geschichten deutlich und es legt sich eine leichte Melancholie, jedoch immer mit genug Funken Hoffnung. Ich finde die Story für Kinder vielleicht etwas zu lang und nachdenklich, aber ich denke, es wird wie das Buch auch vor allem Erwachsene begeistern. Mich hat er jedenfalls unglaublich gerührt und mehr als eine Träne vergießen lassen.
Es hätte keinen schöneren Abschluss geben können als mit The Little Prince. Am frühen Abend schaute ich mir noch zwei Kurzfilme der Sektion „Courts Métrages en Compétition“ an, die ebenfalls ein Preis für den besten Kurzfilm anstrebend, und dann fuhr auch schon mein Zug in Richtung Heimat. Ein Fazit von mir und natürlich die Übersicht zu den glücklichen Gewinnern gibt es morgen! Dans l’attente joyeuse