Die Geiselnahme (2018) | Filmkritik

Die Geiselnahme

In einem typischen Geiselnahme-Drama sind die Rollen meist klassisch verteilt: gefährliche Entführer bedrohen die hilflosen Geiseln und ein rettender Agent kämpft für die Freiheit der Menschen in Gefangenschaft. Doch was, wenn Gut und Böse gar nicht so leicht zu erkennen und unterscheiden sind? Und was, wenn sich mit der Zeit zwischen Geiselnehmern und Opfern Verständnis, Freundschaft und sogar Liebe entwickelt?

Regisseur Chris Weitz, primär bekannt für die College-Komödie American Pie (1999) und Meine Frau, unsere Kinder und ich (2010), bediente sich dem Roman Bel Canto der US-amerikanischen Schriftstellerin Ann Patchett, um seinen Thriller Die Geiselnahme (Originaltitel: Bel Canto) zu produzieren. In der Vorlage, ebenso wie in Weitz‘ Adaptierung, verwischen für den Betrachter die Grenzen zwischen Gut und Böse zunehmend und letztendlich muss man selbst entscheiden, wer eigentlich Täter und wer Opfer ist.

Eigentlich hatte der japanische Industrielle Katsumi Hosokawa (Ken Watanabe) kein allzu großes Interesse an einer Reise nach Südamerika. Als ihm jedoch ein intimes Konzert der begnadeten Sopranistin Roxane Coss (Julianne Moore) angeboten wird, kann Hosokawa nicht länger verneinen und wohnt dem Empfang bei. Abendkleider, Champagner und Operngesang im Palazzo des Vizepräsidenten.

Doch der Glanz des Abends endet, als die ersten Schüsse fallen. In Kürze nehmen maskierte Guerilla-Kämpfer die gesamte Abendgesellschaft in Geiselhaft. Abgeschnitten von der Außenwelt und die tödliche Gefahr stets vor ihren Augen, durchleben die Geiseln die Schrecken und das Martyrium einer Gefangenschaft.

Während die Verhandlungen zwischen Polizei und Geiselnehmern über mehrere Tage hinweg laufen und die mediale Aufmerksamkeit stetig wächst, kommen sich nicht nur Gefangene und Rebellen immer näher. Auch Operndiva Coss erkennt, dass sie trotz Sprachbarrieren mit der Kraft ihrer Stimme nicht nur ihren größten Bewunderer für sich gewinnen kann.

In Form eines intimen Kammerspiels dient in Die Geiselnahme der prunkvolle Palast als Handlungsort. Dort treffen Geiselnehmer und Geiseln aufeinander, ebenso wie kulturelle Unterschiede, Liebe und Hass. Und in diesem Wirrwarr der Emotionen spielen sich Ken Watanabe und Julianne Moore hervor.

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Der schweigsame Japaner und große Bewunderer von Roxane Coss wechselt dabei stetig von der Rolle des tapferen Beschützers hin zum schüchternen Schuljungen, der sein angehimmeltes Idol trifft. Das schauspielerische Talent Ken Watanabe (The Sea of Trees) scheint in diesem Werk jedoch nicht einmal in Ansätzen zur Entfaltung zu kommen.

Etwas mehr Tiefe und Vielfalt kann dabei von Julianne Moore präsentiert werden, die abseits ihrer Gesangsausflüge, ebenso mutig wie erschrocken agiert. Doch neben diesen beiden Vorzeige-Darstellern tummeln sich allerlei Nebendarsteller in dem Werk herum, die teils etwas zu viel Raum erhalten und dadurch das Werk überfrachten.

Selbstredend müssen neben den Geiseln ebenso die Stimmen und die Beweggründe der terroristischen Kämpfer in den Vordergrund gerückt werden, doch gleich zwei Liebesgeschichten, eine unentdeckte Gesangskarriere und nächtlicher Schulunterricht sind ein paar Nebenstränge zu viel.

Und bei all den Figuren, ihren Problemen und den laufenden Verhandlungen zwischen Geiselnehmern und einem Vermittler schafft es Die Geiselnahme keinerlei Spannung aufzubauen, die Figuren interessant zu zeichnen oder eine politische Botschaft einzustreuen. Nach 101 Minuten Laufzeit erlebte der Zuschauer einen rasanten Anfang und ein erschütterndes Ende aber einen Mittelteil voller Nebensächlichkeiten und Langeweile.

Regisseur Chris Weitz, ebenso als Drehbuchautor involviert, hätte gut daran getan, den Fokus auf weniger agierende Figuren zu setzen und diesen dafür eine umso deutlichere und lautere Stimme zu verleihen.

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