Winterkrieg (1989) | Filmkritik

Der finnische Kriegsfilm von Pekka Parikkas ist in diesem Jahr für das Heimkino in deutscher Fassung beim Label Pandastorm Pictures erschienen. Obwohl Winterkrieg (Original: Talvisota) schon über ein Vierteljahrhundert alt ist, hat er es in vielerlei Hinsicht in sich und kann mit anderen Vertretern seines Genres mühelos mithalten.

Im Jahr 1939 nutzt Russlands Diktator Joseph Stalin die Gunst der Stunde und den Pakt mit Hitler, um im Schatten der deutschen Angriffe auf Polen und Frankreich das eigene Reich im Westen gewaltsam zu erweitern. Dabei fällt die Rote Armee nicht nur in Polen ein, sondern greift im November auch mit 400.000 Mann das benachbarte Finnland an.

Für das kleine Finnland beginnt der Kampf gegen einen übermächtigen Feind. Die Brüder Martti und Paavo aus Österbotten schließen sich dem Infanterieregiment JR23 an, welches nach Karelien abkommandiert wird. Bei minus 40 Grad erleben sie die Hölle des Winterkriegs in der verlustreichen Schlacht von Taipale. Den russischen Panzern und Flugzeugen können die Finnen nur ihre einfachen Waffen und selbstgebastelten Molotow-Cocktails entgegen halten. Viele von Marttis Kameraden finden einen eisigen Tod, die verbleibenden Männer werden an die Mannerheim-Linie verlegt. Diese gilt es um jeden Preis zu halten, denn wenn die Mannerheim-Linie fällt, fällt ganz Finnland…

Die Produktion basiert auf dem gleichnamigen Roman Winterkrieg, der von Antti Tuuri geschrieben wurde. Der Film war Finnlands Oscar-Beitrag im Jahre 1990. Zudem wurde er für den Goldenen Bären der Berlinale nominiert und gewann in sechs Kategorien der finnischen Jussi-Awards, unter anderem als „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Beste Kamera“.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Schicksal der Brüder Martti (Taneli Mäkelä) und Paavo (Konsta Mäkelä). Nachdem die Rote Armee der Sowjetunion zuvor Gebiete in der Grenzregion der beiden Länder besetzt hat, hofften sie anfangs noch auf laufende Verhandlungen. Doch schließlich wird der Krieg unausweichlich. Nach Einführung der Figuren führt Regisseur Pekka Parikka die Zuschauer auf das Schlachtfeld, auf dem er die grausame und unmenschliche Geschichte dieses Kriegsabschnittes erzählt.

Zu Beginn des Kriegseinsatzes wird schnell deutlich, dass die finnischen Truppen nicht nur zahlenmäßig, sondern auch von der Ausstattung her unterlegen sind: Anzüge und Schuhe sind zu klein, die Waffen veraltet und die Zustände an der Front miserabel. Dennoch leisten die Finnen trotz offensichtlicher Unterlegenheit effektiven Widerstand und schlagen im tiefsten Winter verlustreiche Schlachten um jeden Meter finnisches Land.

Dieser Krieg um finnisches Territorium forderte allein 200.000–300.000 Opfer, ein großer Teil davon durch Erfrierungen und mangelnde Versorgung mit Kleidung und Nahrungsmitteln. Das Grauen des Krieges wird durch die kompromisslose Inszenierung greifbar wie selten. Parikka wählt starke Bilder von brutalen Schlachten und enormen Qualen der Soldaten und zeigt das Ausmaß der Angriffe durch schonungslose Momente: In Teile zerspringende Menschen, brennende Körper, Tote unter fahrenden Panzern.

Aus Hoffnungslosigkeit und Aussichtslosigkeit in den Gesichtern der Protagonisten wird Abgestumpftheit. Er erinnert an Vertreter wie Im Westen nichts Neues (1979), der ebenso wie Winterkrieg durch seine nüchterne Betrachtung des Geschehens zu fesseln weiß.

Weite Landschaftsaufnahmen vom graugefärbten Schnee der finnischen Tundra und des noch graueren Himmels fangen die bedrückende Stimmung gekonnt ein und lassen die winterliche Kriegshölle noch auswegloser erscheinen. Dass der Kriegsfilm aus dem Jahre 1989 stammt merkt man kaum, da es sich um ein historisches Thema handelt. Die durchweg echten Explosionen wirken authentischer als mancher digitale Effekt aus der heutigen Zeit.

Die dreistündige Originalversion wurde auf gute zwei Stunden Spielzeit gekürzt. In der zweistündigen Fassung kommt die Charakterentwicklung der Protagonisten allerdings um einiges zu kurz. Taneli Mäkelä trägt die Handlung über weiten Strecken allein. Schicksale und Hintergründe zu weiteren Figuren werden lediglich angeschnitten und gehen im Chaos der Schützengräben schnell unter.

Hervorzuheben sind jedoch die Szenen, in denen man zwischen den Angriffen versucht ein Stück Normalität aufrecht zu erhalten. Kurze Momente, in denen Mandoline gespielt, eine echte finnische Sauna gebaut und sogar ein Weihnachtsgottesdienst abgehalten wird, zeigen, dass trotz der brutalen Schlachten noch Menschlichkeit in den Figuren steckt.

Das Ende des Films kommt jedoch sehr plötzlich und wirkt fast ein wenig beiläufig. Auf patriotisch ausgeschlachtete Sieger/ Verlierer-Szenen wartet man hier vergeblich, was die Erzählweise jedoch besonders macht. Denn im Krieg gibt es keine Gewinner. Der Zuschauer bekommt einen authentischen Kriegsfilm geboten, der bis zum Erscheinen des Films Dark Floors im Jahr 2008 die teuerste Produktion Finnlands war.

Große Bilder und eine authentische Ausstattung machen Winterkrieg zu einer Produktion auf hohem Niveau, die modernen Vertretern in nichts nachsteht. Parikka schafft einen sowohl für die damalige als auch heutige Zeit herausragenden Antikriegsfilm, der auch nach 26 Jahren kaum etwas von seiner Wirkung eingebüßt hat und durch schonungslosen Realismus überzeugt.

Regie: Pekka Parikka
Drehbuch: Pekka Parikka, Antti Tuuri
Musik: Juha Tikka
Darsteller: Taneli Mäkelä, Vesa Vierikko, Timo Torikka, Heikki Paavilainen, Antti Raivio, Esko Kovero

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