Seitdem die echte Alice ins Wunderland geraten ist, sind mittlerweile 150 Jahre vergangen und das ehemals bunte Land hat sich stark verändert. Es treiben sich dunkle Gestalten in der Welt herum und die Queen of Hearts (Kathy Bates) regiert in ihrem, aus Karten erbautem, Casino über das gesamte Reich. Unterstützt wird sie dabei von der geheimen Organisation White Rabbit, welche Menschen aus der realen Welt entführt und diese im Casino gefangen hält. Dort werden sie durch ein Medikament ruhig gestellt und spielen ununterbrochen an den Spieltischen, an denen sie jedes Spiel gewinnen. Ihre positiven Emotionen werden dabei von Wissenschaftlern abgesaugt und im Wunderland als teure Droge verkauft.
Alice Hamilton (Caterina Scorsone) hat einen schwarzen Gürtel in Judo und lebt mit ihrer Mutter Carol (Teryl Rothery) zusammen in einer gemütlichen Wohnung. Als sie zehn Jahre alt war, hat ihr Vater grundlos die Familie verlassen und seitdem sucht sie in ihrer Freizeit nach Anhaltspunkten seines Verbleibs. Trotz ihrer dadurch entstandenen Angst vor Männern trifft sie eines Tages auf den hinreißenden Jack Chase (Philip Winchester). Bei einem gemeinsamen Abendessen überrascht dieser Alice mit einem alten Ring.
Da ihr dieser Schritt zu schnell kommt, weist sie Jack jedoch zurück. Nach dieser Aktion erhält Jack eine mysteriöse Nachricht und flieht aus der Wohnung. Alice bemerkt erst später, dass Jack ihr heimlich den Ring in die Tasche geschmuggelt hat. Als sie ihm nachrennt, beobachtet sie wie zwei seltsame Männer Jack zusammen schlagen und gefangen nehmen. Kurzerhand nimmt Alice die Verfolgung auf und stolpert den Männern dabei durch einen Spiegel hinterher ins Wunderland. Kurz nach ihrer Landung trifft sie auf den verrückten Hatter (Andrew-Lee Potts), welcher ihr in der neuen Welt ein wenig hilft. Doch schon bald gerät Alice in den Mittelpunkt des Wunderlands und weiß nicht mehr wem sie in dieser fremden Welt trauen kann.
In jüngster Zeit hat sich nicht nur Regisseur Tim Burton mit seinem Disney-Film Alice im Wunderland der Kindergeschichte des britischen Schriftstellers Lewis Carroll gewidmet, ebenfalls der Sender Syfy lieferte im Jahr 2009 eine moderne Adaptierung der bunten Welt. Die zweiteilige Miniserie wurde dabei erneut von RHI Entertainment produziert, welche dem Sender bereits die erfolgreiche Miniserie Tin Man im Jahr 2007 anfertigte, die auf dem Kinderbuch Der Zauberer von Oz basiert.
Passend zum Senderimage verpasste Regisseur Nick Willing (Tin Man) dem bunten und verrückten Wunderland ein sehr modernes Gewand, welches mit einigen futuristischen Elementen die Bühne betritt. So finden all die altbekannten Charaktere der Kindergeschichte ihren Auftritt in der Miniserie, nehmen jedoch sehr abweichende Rollen ein. So wechseln Charaktere wie der Märzhase, Dideldum und Dideldei auf die Seite der bösen Herzkönigin und ein Liebesdreieck zwischen Alice, dem Hutmacher und dem Sohn der roten Königin hatte auch keinen Wert in der originalen Vorlage.
Neben dem sehr frisch gestalteten Personen, finden auch fliegende Raumschiffe und pompöse Casinos ihren Einzug in die fantastische Welt. Dabei kommt es zu einem extrem starken Kontrast zwischen der Außenwelt, welche im klassischen Stil gehalten wurde und den vielen Häusern und Räumen, welche durchgehend mit modischen Designer-Möbeln ausgestattet sind. Insgesamt ist die eigene Vision des Regisseurs auch an der Story zu erkennen, welche zwar oft Anspielungen an das Buch von Lewis Carroll parat, in der Grundgeschichte aber nicht wirklich etwas mit ihr gemein hat. Nick Willing liefert eine freie Interpretation, wie das Wunderland 150 Jahre nach dem ersten Besuch von Alice aussehen könnte, sich verändert und weiterentwickelt hat.
In der Hauptrolle der Alice agiert die kanadische Schauspielerin Caterina Scorsone (Missing – Verzweifelt gesucht), welche ihre Rolle zwar gut spielt, aber auch mit der belehrenden Alice aus den Büchern nicht mehr viel gemeinsam hat. Außer natürlich dem Namen. An ihrer Seite steht Andrew-Lee Potts (Primeval – Rückkehr der Urzeitmonster), als verrückter Hutmacher mit dem Namen David. Dieser hat, abgesehen vom Hut auf seinem Kopf, ebenfalls mit seinem Vorbild nicht allzu viel gemeinsam.
Obwohl er in einigen Szenen zwar leicht ausgeflippt wirkt, ist er überwiegend doch sehr normal und konventionell. Trotzdem verleiht er mit seinem Schauspiel der Figur eine ganz persönliche Note. Der angesprochene, fehlende Wahnsinn der Figuren wird aber besonders bei der Herzkönigin deutlich, welche ihren traditionellen Satz „Ab mit seinem Kopf!“ ab und an mal zum Besten gibt, aber in keinster Weise durchgeknallt wirkt. In jeder Szene ist sie durchschaubar und handelt berechenbar. Der einzige Charakter, der Anzeichen von Irrsinn zeigt, welche im Wunderland Gang und Gebe sein sollte, ist der des Weißen Ritters Charlie (Matt Frewer). Ein seniler, alter Mann, welcher schusselig von einem Gewirr in das Nächste fällt. Die Leistung von Matt Frewer ist dabei eine deutliche Bereicherung für die Miniserie. Ein nicht wirklich wichtiger Charakter, welcher einem jedoch bekannt vorkommen sollte, ist der des Dodos.
Dieser wird nämlich von Tim Curry (The Rocky Horror Picture Show, Geschichten aus der Gruft) verkörpert und konstatiert ein weiteres Problem der Miniserie. Es werden so gut wie alle Charaktere des Buches aufgeführt, die meisten haben aber keinen Nutzen für die Miniserie. Als beste Beispiele dafür sind Eugene Lipinski als Doctors Dee und Dum, Harry Dean Stanton als Caterpillar und Nancy Robertson als Dormouse zu nennen. Sie tauchen kurz auf, sagen einige Sätze und verschwinden wieder ohne den Handlungsstrang auch nur im geringsten voranzubringen oder zu beeinflussen.
Im Großen und Ganzen muss man sich also bewusst sein, dass einem hier eine wirklich moderne und frei interpretierte Version von Alice im Wunderland geliefert wird, welche ihre ganz eigenen Schwächen und Stärken mit sich bringt. Wenn man sich also auf dieses Erlebnis einlässt, kann man auch die Verfolgungsjagden auf pinken Flamingoflugzeugen genießen.
Regie: Nick Willing
Drehbuch: Nick Willing
Musik: Ben Mink
Schauspieler: Caterina Scorsone, Kathy Bates, Andrew-Lee Potts, Matt Frewer, Harry Dean Stanton, Colm Meaney, Tim Curry, Philip Winchester