Only God Forgives (2013) | Filmkritik

Only God Forgives

Um Gottes Willen. Only God Forgives überzeugt als tiefsinniger Gangsterfilm.

Bangkok, die 12 Millionen-Stadt im Herzen Südostasiens, gilt als Schmelztiegel der Kulturen, Urlaubsparadies und politökonomisches Zentrum Thailands. Nicolas Wending Refns neuester Film Only God Forgives wendet sich jedoch vor allem den dunkleren Seiten der Metropole zu: Sextourismus, Prostitution, organisierte Kriminalität, Bandenkriege und Menschenhandel.

Der dänische Regisseur setzte seit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm Pusher von 1996 über einen Heroindealer in Kopenhagen seinen Weg konsequent fort. 2011 fand dieser mit Drive seinen bisherigen Höhepunkt: Ein Einspielergebnis von über 100 Mio. Dollar, ausgezeichnet mit dem Cannes-Regie-Preis und Lob von Publikum und Kritikern gleichermaßen zeugten von Refns Qualitäten als Regisseur. Auch in diesem Jahr feiert er ein Wiedersehen im Wettbewerb um die „Goldene Palme“ bei den Internationalen Filmfestspielen. Kann Refn mit seinem neuesten Film Only God Forgives an seinen bisherigen Erfolg anknüpfen?

Julian (Ryan Gosling) ist Besitzer eines Kickboxclubs, der jedoch nur als Fassade für seine kriminellen Machenschaften dient. Als sein Bruder Billy (Tom Burke) eine Prostituierte brutal ermordet, setzt die Bangkoker Polizei den pensionierten Lieutenant Chang (überragend: Vithaya Pansringarm) auf Billy an, der selbigen ermorden lässt, um für Gerechtigkeit zu sorgen.

Völlig außer sich reist der Kopf der kriminellen Organisation, Crystal (bitterböse, fies und ungewohnt: Kristin Scott Thomas), die auch gleichzeitig Julians und Billys Mutter ist, nach Bangkok, um den Tod ihres geliebten Erstgeborenen zu rächen. Ein Anschlag auf Lieutenant Chang scheitert jedoch – es wird nur erneut Gegengewalt provoziert. Eine blutige Jagd nach Vergeltung durch Bangkoks Unterwelt beginnt.

Refn erzeugt abermals eine einzigartige Atmosphäre, die man so intensiv bisher nur sehr selten in anderen Filmen erlebt hat. Vor allem die Kombination der erfrischend andersartigen Kulisse und der gänsehauterzeugende Soundtrack machen einen unvergleichbaren Reiz aus. Bangkok mit seinen riesigen Leuchtreklamen, hochmodernen Bauten und den im krassen Gegensatz dazu stehenden starken, religiös-kulthaften Schwingungen in der Luft wirken gleichermaßen anziehend wie abstoßend. Der Soundtrack von Clive Martinez unterstreicht mit wuchtigen Basslines die kühle, nüchterne, jederzeit bedrohliche Atmosphäre.

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Refn lässt in Only God Forgives, ähnlich wie in Drive, symbolträchtige Bilder statt Worte sprechen. Der typisch „refneske“ Stil in Kombination mit einem Ryan Gosling, der abermals den schweigsamen Rächer spielt, ist ein Volltreffer. Etwa Julians schmerzverzerrtes Gesicht, da er als Zweitgeborener nie die volle Liebe und Aufmerksamkeit von seiner Mutter Crystal bekommen hat.

Lieutenant Chang als wortkarger selbsternannter Racheengel, der sich für Gott hält und ohne mit der Wimper zu zucken für seine ganz eigene Gerechtigkeit sorgt. Einzig und allein beim Karaoke singen lässt er sich gehen und lässt seinen Emotionen freien Lauf. Letzteres erinnert gar ein wenig an den Jazzclub aus Hard Boiled (1992), den Inspektor „Tequila“ Yuen zum Abschalten nutzt, um vor lauter Grausamkeit nicht den Verstand zu verlieren.

Dem geübten Arthouse-Kinogänger werden zahlreiche weitere Parallelen in Only God Forgives auffallen, sei es inhaltlich oder von der Bild-Ton-Komposition her. Am auffallendsten ist hierbei die stilistische Anlehnung an den chilenischen Filmemacher Alejandro Jodorowski, dessen Filme wie El Topo (1970) oder Montana Sacra – Der heilige Berg (1973) mit surrealen, fernöstlichen und religiösen Elementen gespickt und nicht einem bestimmten Genre zuzuordnen sind. Auch im Abspann, der übrigens als netten Kniff in thailändischer Schrift verfasst ist, findet man eine Widmung an den Chilenen.

Nicolas Winding Refn setzt mit Only God Forgives seine Entwicklung hin zum Arthouse-Kino kontinuierlich fort. Eine surreale, mystisch-bedrohliche Atmosphäre, die durch die Kraft der eindringlichen Bilder in Kombination mit dem Soundtrack und dem exotischen Szenario immens stark ist. Letztlich muss Refn nur aufpassen, dass er sich in seinem nächsten Film nicht im Symbolgehalt seiner Bilder verliert und die Genregrenzen und Erzählstrukturen komplett sprengt, sodass die Verständlichkeit darunter leidet und ein Großteil des potentiellen Publikums abgeschreckt wird.

Am besten kann es zum Schluss der Regisseur selbst zusammenfassen:

Irgendwie ist Only God Forgives wie eine Zusammenfassung aller Filme, die ich bisher gemacht habe. Ich glaube, dass ich mit Hochgeschwindigkeit auf eine kreative Kollision zusteuere, um alles um mich herum zu verändern.

Fingernagelabdruckgarantie in den Sessellehnen inklusive.

Regie: Nicolas Winding Refn
Drehbuch: Nicolas Winding Refn
Musik: Cliff Martinez
Schauspieler: Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Vithaya Pansringarm, Rhatha Phongam

Handlung:

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