Fast 30 Jahre nach dem Überraschungserfolg von Twister (1996) mit Helen Hunt und Bill Paxton in den Hauptrollen, kehrt das Katastrophenkino der stürmischen Art zurück auf die große Leinwand.
Mehr Wind als Inhalt
Regisseur Lee Isaac Chung, bekannt für das intime Familiendrama Minari (2020), wagt sich hier an ein ganz anderes Genre – und überrascht mit einem Effektgewitter, das sich sehen (und hören) lassen kann. Doch kann der neue Film mehr als nur Naturgewalten spektakulär in Szene setzen? Die Antwort fällt zwiespältig aus.
Twisters versteht sich nicht als direktes Sequel, sondern eher als eigenständige Fortsetzung oder „spiritueller Nachfolger“. Die Geschichte spielt in derselben Welt wie das Original, doch neue Figuren und eine eigenständige Handlung stehen im Vordergrund.
© Warner Bros. Pictures
Daisy Edgar-Jones spielt Kate Cooper, eine ehemalige Sturmforscherin, die sich nach einem traumatischen Erlebnis aus dem aktiven Dienst zurückgezogen hat. Sie wird jedoch von einem alten Kollegen überredet, erneut in die Welt der Tornadojäger einzutauchen – diesmal begleitet vom draufgängerischen Influencer Tyler Owens (Glen Powell), der seine eigenen Methoden zur Tornadojagdt mitbringt.
Spektakel mit Wettergarantie
Gemeinsam mit einem bunt zusammengewürfelten Team rasen sie quer durch den amerikanischen Mittleren Westen, immer auf der Jagd nach dem nächsten großen Sturm. Doch bald zeigt sich: Mutter Natur spielt nicht nach Regeln, und was als Forschungstrip beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Kampf ums Überleben.
Die größte Stärke von Twisters liegt ohne Zweifel in seiner technischen Umsetzung. Die Tornado-Sequenzen sind bombastisch inszeniert und übertreffen das Original in ihrer Intensität. Dank modernster CGI-Technik und eindrucksvollem Sounddesign wirken die Naturgewalten erschreckend realistisch. Man spürt förmlich, wie sich der Wind aufbäumt, die Erde bebt und ganze Städte unter den Sturmmassen begraben werden. Besonders in IMAX oder Dolby Atmos ein Erlebnis.
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Kameramann Dan Mindel (u. a. Star Wars: Das Erwachen der Macht) liefert visuell imposante Bilder – ob verwüstete Landschaften, zersplitterte Farmhäuser oder die ikonischen „Twister Shots“, bei denen sich die Kamera scheinbar mit dem Sturm dreht. Die Kameraarbeit bringt Dynamik und Dramatik, ohne in hektische Wackeloptik zu verfallen. Hier sitzt jede Einstellung.
You don’t face your fears, you ride ‚em.
Figuren bleiben hinter dem Sturm zurück
So spektakulär der Film in seiner Inszenierung ist, so schwach bleibt er leider in der Figurenzeichnung. Daisy Edgar-Jones gelingt es zwar, ihrer Rolle eine gewisse emotionale Tiefe zu verleihen, doch das Drehbuch kratzt oft nur an der Oberfläche. Ihr Trauma wird zwar angedeutet, jedoch nie wirklich ausgearbeitet.
Auch Glen Powell, der in Top Gun: Maverick (2022) mit seinem Charisma glänzen konnte, bleibt hier erstaunlich blass. Seine Rolle schwankt zwischen charmantem Draufgänger und TikTok-wütigem Social-Media-Star, ohne dass daraus eine echte Entwicklung entsteht- auch wenn man ihm den Spaß an seiner Arbeit jederzeit abkauft und teilweise sogar vom Enthusiasmus mitgerissen wird.
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Die Nebenfiguren sind größtenteils Abziehbilder – vom nerdigen Techniker über den zynischen Wetterveteranen bis hin zum Startup-Möchtegern mit tragischer Vergangenheit. All diese Stereotypen wirken, als kämen sie aus dem Handbuch für Katastrophenfilm-Charaktere und dienen hauptsächlich dazu, Opfer oder Helden in den Sturmsequenzen zu sein.
Zwischen Pathos und Patriotismus
Etwas zu dick aufgetragen wirkt stellenweise der amerikanische Pathos. Überfliegende Helikopter, wehende US-Flaggen im Sturmwind und pathetische Reden erinnern mehr an Armageddon (1988) als an ein modernes Naturdrama. Auch der Country-Soundtrack mag stimmig sein, doch lässt er Twisters sehr stark in der US-Mitten-Staaten-Atmosphäre verhaften. Internationale Zuschauer könnten sich davon leicht distanzieren.
If you feel it, chase it!
Dennoch: Die Tonmischung ist meisterhaft. Wenn Blitze durch die Luft peitschen und ganze Getreidefelder von Tornados aufgesogen werden, ist man mittendrin statt nur dabei. Der Film versteht es, seine Schauwerte zu inszenieren – nur leider nicht seine Figuren emotional zu verankern.
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Obwohl der Film im Mittelteil ein wenig an Fahrt verliert – insbesondere, wenn sich zu viele Handlungsstränge verzetteln und unnötige Dialogszenen eingestreut werden – gelingt dem Finale nochmal ein packender Höhepunkt. Die letzte Sturmsequenz ist ein wahres Actionspektakel, das das Publikum aus den Sitzen reißt. Hier stimmt die Balance zwischen Spannung, Emotion und Dramatik endlich – leider zu spät, um den Gesamteindruck zu retten.
Tempo mit Schwächen
Twisters ist ein typischer Sommerblockbuster: laut, beeindruckend, voller Action – aber mit einem überraschend schwachen emotionalen Zentrum. Wer auf der Suche nach einem echten Kinoknaller mit atemberaubenden Effekten ist, wird hier definitiv fündig. Wer aber auf glaubwürdige Charaktere, clevere Dialoge und eine tiefgreifende Story hofft, wird enttäuscht sein.
Trotz aller erzählerischer Schwächen schafft es der Film, zumindest für zwei Stunden die Faszination Naturgewalt spürbar zu machen – und das ist mehr, als viele Genrevertreter heutzutage leisten.

Bildrechte: Warner Bros. Pictures