Zum Ende des Jahres veröffentlicht der Streaming-Anbieter Netflix die Romanverfilmung The Midnight Sky mit Hauptdarsteller George Clooney. Clooney agiert aber nicht nur als Akteur, sondern übernahm ebenfalls die Regie des Sci-F-Dramas.
Clooney als einsamer Wissenschaftler in der Arktis
Basierend auf dem Buch Good Morning, Midnight von Lily Brooks-Dalton, fühlt sich die filmische Umsetzung wie ein Potpourri einiger der besten Genre-Filme der letzten Jahrzehnte an. So scheint das Rezept auf der Basis von Gravity (2013) entstanden zu sein, beeinflusst von ein bisschen The Revenant (2015) und The Road (2009), mit einer Prise Interstellar (2014), einem Schuss Ad Astra (2019), einer Schippe Der Marsianer (2015) und als Veredelung etwas Children of Men (2006) für den endgültigen Geschmack. Kann das schmecken?
Doch allein die Tatsache, dass man diese Referenzen alle im Film herauszuschmecken vermag, macht The Midnight Sky nicht per se zu einem Desaster, aber am Ende ist es erschreckend, wie wenig übrig bleibt, wenn man die originalen Vertreter betrachtet, die durch diese oberflächlichen Rückgriffe in Erinnerung gerufen werden.
Clooneys erster Auftritt auf der Leinwand seit 2016 ist eine freudige Abwechslung, doch seine Regie ist so kalt wie die Landschaft, durch die seine Figur reist und man findet nicht ein einziges Mal etwas, das sich organisch oder charakterbezogen anfühlt. Der Film sieht gut aus. Der Film klingt gut. Und der Film ist so ausdruckslos wie er nur sein kann.
Was ist nur mit der Erde geschehen?
Auf der Erde, Jahrzehnte in der Zukunft, lebt der renommierte Astronom Augustine Lofthouse (George Clooney) ganz allein, vorzeitig durch Krankheit gealtert, in einer verlassenen arktischen Sternwartenstation. Wenige Tage zuvor war die Einrichtung wegen einer nicht näher bezeichneten globalen Umweltkatastrophe von der gesamten Belegschaft und deren Familien evakuiert worden.
Lofthouse hat mürrisch darum gebeten, zurückgelassen zu werden. In dem Evakuierungs-Chaos schreit eine Mutter nach ihrer vermissten Tochter und Lofthouse ist anschließend fassungslos, als er ein kleines Mädchen findet, das in dem unheimlich leeren Ort herumläuft. Er nennt das verschüchterte und sprachkarge Mädchen Iris (Caoilinn Springall).
Zu seinem Trauma und seiner Belastung kommt noch hinzu, dass Lofthouse feststellt, dass ein Weltraumforschungsflug auf dem Rückweg zur Erde ist, der die Bewohnbarkeit eines bestimmten Jupiter Mondes untersucht hat, den Lofthouse als jüngerer Mann entdeckt hatte.
Zwischen Welt & Weltall
Unter dem Kommando des Captains des Raumschiffes (David Oyelowo), stehen Sully (Felicity Jones), Maya (Tiffany Boone), Sanchez (Demián Bichir) und Mitchell (Kyle Chandler). Sie haben jedoch keine Ahnung, was aktuell auf der Erde vor sich geht, und Lofthouses hat es sich zur Aufgabe gemacht, sie vor den apokalyptischen Ereignissen auf dem Heimatplaneten zu warnen.
Dazu treten er und seine junge Begleiterin eine zermürbende Reise durch Schnee und Eis an, zu einer stärkeren Sendeantenne, um den ersehnten Funkkontakt herzustellen und die Zukunft der menschlichen Rasse zu sichern.
The Midnight Sky schneidet zwischen Iris und Augustines erschütternder Reise und der Rückreise des Shuttles hin und her. Die meiste Zeit des Films haben Sully und ihre Crew keine Ahnung, was auf der Erde passiert, während sie durch die Gefahren des Weltraums navigieren und versuchen, in ihre zerstörte Heimat zurückzukehren.
Ohne Sauerstoff und Herzschlag unterwegs
Während dies eine interessante Prämisse darstellt – die traditionellen Weltraumgeschichten von Filmen wie Apollo 13 (1995) oder Gravity umzukehren und gleichzeitig eine Rettungsmission auf der Erde zu inszenieren – findet Clooney nie den richtigen Einsatz für die Weltraumhälfte seines Films. Die Szenen, die im Weltraum spielen, sind fachmännisch gestaltet und von Kameramann Martin Ruhe gut in Szene gesetzt, aber sie fühlen sich völlig frei von menschlichen Emotionen an.
Es gibt etwas so steriles und antiseptisches an der Weltraumhälfte dieses Films, dass er das Interesse oder die Sympathie des Zuschauers nie aufbauen oder gar aufrechterhalten kann. Er hat keinen Sauerstoff und keinen Herzschlag.
Ein Ende ohne Erklärungsnot
Die Handlung in der Arktis ist effektiver und zugegebenermaßen technisch beeindruckend, obwohl Geschehnisse immer weniger Sinn zu ergeben beginnen – eine Szene, in der Augustine durch das Eis stürzt und mit ziemlicher Sicherheit an der Unterkühlung oder dem Schock sterben würde, bricht jeglichen Sinn für Realismus, der zaghaft erreicht worden war.
Das Schlimmste von allem ist, dass Clooney nicht lange genug an einem Faden festhalten kann, um Spannung oder Drama aufzubauen. Wir spüren weder Augustines Engagement noch seinen Antrieb, weil wir ständig zu den langweiligen Charakteren auf dem Raumschiff springen oder, viel schlimmer, zu Rückblenden, die keinen emotionalen oder charakterlichen Zweck erfüllen, bis eine recht offensichtliche Wendung im letzten Akt enthüllt wird. Clooney scheint sich fast gegen eine mögliche Investition des Zuschauers zu wehren, wodurch sich das Melodrama und die Wendungen des letzten Akts umso manipulativer anfühlen.
Auch wird zu Beginn des Films ein heftiges Besäufnis nach alter Hollywood-Tradition Lofthouses gezeigt, welches wahrscheinlich das Selbstmitleid vor der Erlösung verdeutlichen soll. Jedoch wird diese Anspielung nie wieder aufgenommen und die angespannte Situation, die ihn anscheinend von seinem Bedürfnis nach Alkohol geheilt hat, nie gezeigt. Das ist nicht die Wirkung, die Stress auf Trinker im wirklichen Leben hat. Und so ist das Drehbuch gespickt mit Mini-Dramen und Mikro-Krisen.
Ein Hauch von Umweltbewusstsein
Behäbig schwebt The Midnight Sky zwischen diesen beiden Geschichten, wobei jede von dem Gefühl der Gefährdung der anderen ablenkt. Er gleitet hinauf zu einer großen, kosmischen Wendung und schwimmt dann gemächlich davon. Was den alternativen bewohnbaren Planeten angeht, so ist dieser ein ziemliches Klischee – und ein ziemlich defätistisches, vom Umweltstandpunkt aus gesehen im Jahr 2020, wo die Rettung unseres eigenen kostbaren Planeten Gott sei Dank langsam die Priorität zu sein scheint. Clooney führt die Darsteller kompetent, aber die Geschichte driftet sinnlos ins Leere.
Es gibt Andeutungen auf den Film, der hätte sein können. Clooney entwickelt eine schnelle und effektive Chemie mit Newcomerin Springall. Sicher, sie ist hauptsächlich ein Mittel, um seiner Figur etwas Größeres zu geben, für das sie kämpfen kann. Aber sie verbindet eine stille Beziehung, die funktioniert. Doch es fehlen die ruhigen Momente für eine tiefergehende Etablierung dieser Beziehung, was auch an der zum Teil sehr aggressiven Musik von Alexandre Desplat liegt.
Schwerelose Unterhaltung im Schatten der großen Vorbilder
Einige der Weltraum-Action-Szenen funktionieren, einschließlich einer großen Gravity-inspirierten Weltraum-Reparatursequenz, die wahrscheinlich im Kino deutlich imposanter gewesen wäre als bei Personen, welche Netflix auf ihrem Handy streamen.
Die meiste Zeit aber driftet The Midnight Sky wie Weltraummüll zwischen seinen drei Schauplätzen – Shuttle, Arktis, Rückblenden – hin und her, anstatt eine Eigendynamik zu entwickeln. Es ist, als ob Regisseur Clooney so sehr darauf bedacht war, die Details der einzelnen Teile seiner Geschichte adäquat zu vermitteln, dass er die Bedeutung dieser Teile oder der beteiligten Charaktere für den Zuschauer nie adäquat aufzuschlüsseln vermag.
Alle anderen Filme, die in dieser Rezension erwähnt werden und die diesen Film offensichtlich inspiriert haben, haben ihre Charaktere nie verloren und sind deutlich interessantere Empfehlungen für einen Filmabend. Das Herz dieses Films ist einfach nicht da. Er ist so schwerelos wie der Weltraum.
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