The Handmaid’s Tale ( 2017– ) | Serienkritik

The Handmaid's Tale

Die Serie The Handmaid’s Tale geht unter die Haut und zwar nicht nur oberflächlich, sondern sie trifft bis ins Mark.

Gesegnet sei die Frucht

Das scheint Konsens zu sein, denn bei bis jetzt 87 Filmpreisen und 272 Nominierungen (und eine abschließende 6. Staffel kommt noch) und einer sensationellen Zuschauerwertung von 8,4 (IMDb) gehört sie sowohl in Augen der Kritiker als auch der Zuschauer zu den besten Serien aller Zeiten.

Die Jugendlichen, die tausende von Stunden bei Ballerspielen an der XBOX verbringen, werden natürlich wieder sagen: Da ist ja nichts los. Damit haben sie zwar punktuell recht in Bezug auf Action, aber sie haben die Dramatik nicht verstanden – von der gesellschaftlichen Relevanz ganz zu schweigen.

© Warner Bros (Universal Pictures)

Die Handlung spielt in einer nahen Zukunft, in der Versorgungsengpässe, Unruhen und drastischer Geburtenrückgang die Gesellschaft verändert haben.

Die Zukunft meint es nicht gut mit den Menschen

Der größte Teil der USA hat sich in der fundamentalistisch christliche Republik Gilead umgewandelt. Die restlichen Gebiete drumherum sind von Rebellen kontrolliert, die sich gegen die strenge Herrschaft der Biedermänner auflehnen. Kanada ist weiterhin ein freies Land, in das viele der Opfer fliehen.

Die ununterbrochen ihre alt-christlichen Werte als Instrument moderner Unterdrückung nutzende Herrschaftsschicht aus tausenden von reichen Ehepaaren, hat ein vollkommen neues System installiert, dessen klare Regeln und fremde Lebensweise den Zuschauer enorm in den Bann ziehen. Die Gesellschaft ist noch strenger strukturiert als im Mittelalter.

© Warner Bros (Universal Pictures)

Die reichen Männer, die das Sagen haben sind Commander. Sie haben eine Ehefrau, die meistens unfruchtbar ist und als Hausherrin weniger Macht hat als ihr Mann, aber trotzdem brutale Macht über alle Untergebenen. Die Untergebenen befinden sich bei den kleinsten Verfehlungen in der Gefahr geschlagen, verstümmelt oder hingerichtet zu werden. Auch diese sind in verschiedene Klassen unterteilt.

Wie aus June Osborne die Magd DesFred wurde

Die Marthas sind Köchin/Haushälterin und werden nur für die Hausarbeit eingesetzt, nicht aber zur Kinderzeugung. Die Mägde (Handmaid) müssen die restliche Arbeit machen und werden dreimal pro Monat von dem Commander begattet, bei einem bizarren Ritual, wenn seine Ehefrau die Magd festhält und er mit möglichst viel Körperabstand die entmenschlicht unter einem Tuch verborgene Magd zu schwängern versucht.

Alles dient dem obersten Zweck der Christenrepublik so viele Kinder wie möglich zu erzeugen, die dann sofort nach der Geburt der Mutter (Magd) entrissen werden und von der Ehefrau des Hausherrn als ihr Kind zwangsadoptiert und aufgezogen werden.

Leistet eine Mutter Widerstand, wird sie erhängt. Die Mägde dürfen ihre Namen nicht mehr behalten. Die Hauptfigur heißt eigentlich June Osborne, aber müssen sie sich als Besitz (wie Sklaven) des Hausherrn benennen also in ihrem Fall DesFred (gehört Fred) nach dem Vornamen des Herrn. Jede Gruppe trägt bestimmte Kleidung und ist schon von weitem an der Farbe zu unterscheiden.

© Warner Bros (Universal Pictures)

Die brutale Gewalt, welche diese Ordnung aufrecht erhält, wird von den ständig überall patrouillierenden Militärs (Wächter, Augen) und den sogenannten Tanten aufrecht erhalten. Die Tanten bilden die Mägde aus für ihre Aufgaben, brechen ihren Willen, bestrafen sie und quälen sie oft. Sie gehören zu den schlimmsten Leute dieser Gesellschaft.

Basierend auf dem Roman von Margaret Atwood

Alles ist genauesten reglementiert. Wann die Dienerinnen mit wem zum Einkaufen gehen, was sie zu sagen haben und vor allem was sie nicht sagen dürfen. Jedes offene Wort kann harte Strafen nach sich ziehen.

Man sieht, der gleichnaimge Roman hat genial eine neue Gesellschaftsordnung erdacht, aber dabei auch bissige Seitenhiebe gegen jene fundamentalistische Christen in den USA geliefert, welche die Bibel wörtlich nehmen und verbohrte Regeln haben. Auch wenn zur Zeit des Romans die ISIS-Fanatiker noch nicht existierten, so hat die Serie auch bissige Kritik an den radikalen Moslems: Kopftücher, strenge, weite & prüde Kleidung, das Verbot für Frauen zu lesen oder sich Bildung zu verschaffen… das alles sind Elemente, die auch von Taliban oder ISIS praktiziert wurden – auch wenn die Serie es eine christliche Republik durchführen lässt, aber die Parallelen sind unübersehbar.

© Warner Bros (Universal Pictures)

Was macht außer dieser kritischen Zukunftsspekulation diese Serie so genial? Man kann sich in die Personen absolut hineinversetzen. Die Serie The Handmaid’s Tale zieht uns in diese fremde und zugleich partiell vertraute Welt. Fast alle größeren Rollen haben irgendwelche Filmpreise für diese Reihe erhalten, was schnell unterstreicht, wie überragend alle Beteiligten spielen.

Eine der stärksten & intensivsten Frauenrollen aller Zeiten

Hauptdarstellerin Elisabeth Moss beindruckt als Schauspielerin extrem. Besser kann man nicht mehr spielen. Als Zuchtsklavin DesFred muss sie nicht nur jedes ihrer Worte gut abwägen, sondern bereits die Mimik dämpfen, denn sogar ein unwilliger Ausdruck kann Strafen nach sich ziehen.

Wie sie diese schauspielerische Herausforderung meistert, ist genial. Mit minimalen Gesten und Gesichtsausdrücken schafft sie es, den Zuschauer an ihrem Seelenleben teilhaben zu lassen. Man sieht ihr z.B. manchmal an, wie sie eine schlechte Mitteilung, die ihr die Herrschaften machen, sie zu einer taktischen Überlegung bringt diese neuen Umstände sich auf andere Weise zu Nutze zu machen.

Hilfreich ist auch, dass der Zuschauer manchmal ihre Gedanken hören kann. Ihre DesFred aka June ist eine der stärksten und intensivsten Frauenrollen aller Zeiten.

© Warner Bros (Universal Pictures)

Joseph Fiennes als Hausherr Commander Waterford ist gleichermaßen beeindruckend. Yvonne Strahovski als seine Ehefrau ist so kalt und unmenschlich, dass sie eine perfekte Verkörperung der Rolle ist. Ann Dowd als Tante Lydia tritt mit der Mimik und Unmenschlichkeit einer KZ-Wächterin auf und schafft es, dass wir sie trotz einigen menschlichen Momenten abgrundtief hassen.

Manche Sünden können nicht weggewaschen werden

Die Serie lässt auch nicht nach. Die permanente leise Spannung einer ständigen Todesgefahr bei der geringsten Regelüberschreitung oder anderer unmenschlicher Repressalien bei Ungehorsam, hält den Zuschauer gefangen und er achtet auf jedes Detail, denn keins davon ist unwichtig.

Auch als es eine andere Situation für die Hauptpersonen gibt, wo sie sich in anderer Position befinden, gibt es kein Erschlaffen der Serie, sondern es werden solch emotionale Szenen geschaffen, in denen z.B. die Opfer ihren Peinigern ihren Hass entgegen schreien, dass auch diese Folgen zu echten Highlights werden.

Die ganze Serie The Handmaid’s Tale hat übrigens eine unbeschreiblich gute Kameraführung und Ausleuchtung, sodass klare, kalte und gestochen scharfe Bilder entstehen, welche das Geschehen noch näher an der Zuschauer bringen. Die von einigen Kritikern voreilig als beste Serie aller Zeiten glorifizierte Homeland wirkt gegen The Handmaid’s Tale wie eine unausgegorene Krimiserie und ist in der Detailtiefe weit hinter diesem Report der Magd.

The Handmaid’s Tale ist zweifelsfrei aktuell eine der besten Serien die es gibt.

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Bildrechte: Warner Bros (Universal Pictures)

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