Marvel’s Jessica Jones S01 | Serienkritik

Der Superheldentrend ist unaufhaltsam und der Krieg zwischen DC und Marvel ist weiterhin in vollem Gange. Während ersterer Verlag auf dem CW-Network sein Universum mit Serien wie Arrow, The Flash und Legends of Tomorrow weiter ausbaut, arbeitet Marvel immer mehr mit dem Streaming-Service Netflix zusammen, um das „Marvel Cinematic Universe“ auch auf dem kleinen Bildschirm zu erweitern.

Nach dem hochgelobten Relaunch des Charakters Daredevil in der gleichnamigen Serie ist nun Jessica Jones als neuester Export des Verlages an der Reihe. Marvel’s Jessica Jones erzählt die Geschichte der titelgebenden Privatagentin mit übernatürlichen Kräften und noch komplexeren Problemen in ihrem eigenen, privaten Leben. Ihr Desinteresse an einem Leben als Superheld und ihre engstirnige Art grenzt sie immer weiter von ihren Freunden und Verwandten ab, doch ihre Vergangenheit holt Jessica ein und sie ist gezwungen ihre Kräfte gegen einen kräftigen Gegenspieler zu nutzen, obwohl sie sich selbst niemals als einen Helden sehen kann.

Jessica Jones basiert auf der Comicbuchreihe „Alias“, der namengebenden Agentur des Hauptcharakters „Alias Investigations“. Jessica Jones (Krysten Ritter) arbeitet als Privatermittlerin für jedermann und versucht sich über Wasser zu halten. Oft arbeitet sie auch mit der eiskalten Anwältin Jeri Hogarth (Carrie-Anne Moss) zusammen. Ihre zynische, sarkastische Art führt jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen und nicht selten macht sich Jessica selbst das Leben durch ihre dickköpfige, arrogante Art schwer. Doch sie ist, wie zu erwarten, kein herkömmlicher Agent. Übermenschliche Stärke und Toleranz für Schmerzen machen sie zu einer übernatürlichen Superheldin. Trotz ihrer Kräfte zieht sie es jedoch vor, ein normales Leben zu führen und steht anderen Helden in ihrer Welt eher kritisch entgegen.

So ist sie sie nicht nur sehr schlecht auf die, immer wieder angedeuteten, Avengers zu sprechen, sondern sieht sich selbst auch vor allem als Gefahr für ihr näheres Umfeld. Doch diese Angst ist nicht unbegründet, war sie doch für lange Zeit unter der Kontrolle von Kilgrave (David Tennant), einem Superschurken mit der Kraft der Gedankenkontrolle, welcher sie zu abscheulichen Dingen zwang, um sich selbst zu unterhalten. Durch einen Autounfall kann sich Jessica aus der Kraft des Wahnsinnigen befreien, doch entfernt sich soweit sie kann von ihren Freunden, aus Angst wieder zu einer Waffe zu werden.

Eingeschüchtert von sich selbst und gequält von ihren Erinnerungen zieht sie sich immer weiter zurück bis Kilgrave zurückkehrt, um sich an ihr und all ihren Liebsten zu rächen.

Wie schon die Comicvorlage ist Jessica Jones keine harmlose Kinderserie mit Superhelden. Sind die meisten Marvel Filme, wie Ant Man oder Iron Man doch recht gewaltfrei und jugendfrei, zögert die Netflix Serie wie schon Daredevil vor Gewalt, Sex und heiklen Themen nicht zurück. Häufig kommt es zu brutaleren Kämpfen, Sexszenen werden offen und verlängert gezeigt und auch vor harten Themen wie Vergewaltigung und Missbrauch macht die Serie nicht halt. Jessica Jones malt keine rosarote Welt voller Helden und Rettern, sondern zeigt vielmehr die Schattenseite der Medaille. Opfer der Superhelden werden gezeigt, die Bürde übernatürlicher Kräfte wird verdeutlicht und wie schon die X-Men-Filme oder Watchmen werden immer wieder die Fragen gestellt, was ein Held darf und was ihn ausmacht.

Entgegen dem oft unterlegenen, aber mutigen Matt Murdock als Daredevil in der gleichnamigen Serie, dreht sich Jessica Jones hingegen um eine übermächtige Protagonistin, die ihre Kräfte nicht schätzt, sondern mehr als Laster betrachtet. Häufig übermannt sie Scharen von Gegnern mit Leichtigkeit und ist meist nur durch das Genie ihres Gegenspielers zu Fall zu bringen. Kilgrave bietet als Antagonist ein interessantes Konzept und führt immer wieder zu spannungsgeladenen, perfide geplanten Stand-Offs mit Jessica und ein Ausweg scheint auch für den Zuschauer häufig schwer. In ihrem Kampf wird Jessica unter anderem von Luke Cage (Mike Colter) und ihrer Stiefschwester Trish Walker (Rachael Taylor) unterstützt. Dennoch bleibt Kilgrave ständig so unberechenbar kalkuliert, dass sich zu jeder Zeit die Fronten wandeln, Freunde zu Feinden werden und Jessica sich in Lagen befindet, die sie niemals erahnt hätte. So hält die Serie den Zuschauer immer gespannt und interessiert an der nächsten Folge.

Zu der Hauptgeschichte um die Privatagentin, binden sich zahlreiche weitere Handlungsstränge um Nachbarn, Freunde und Familie rund um Jessica. Jede Geschichte wirkt gut durchdacht und findet häufig ihren Weg in Jessicas Pfad. Sei es das Geschwisterpaar in dem Apartment über ihr, der drogenabhängige Nachbar Malcolm (Eka Darville) oder die Anwältin Jeri Hogarth. Jeder Charakter bietet eigene Interessen und Intentionen, niemals wirken sie als Beiwerk zum Zweck rund um die Geschichte von Jessica. Vielmehr stellt sich die Frage inwieweit sich die Charaktere in zukünftigen Staffeln verändern und wichtiger werden könnten.

Die erste Staffel rund um Jessica Jones ist auch für einen Zuschauer ohne besonderes Hintergrundwissen des Charakters verständlich und funktioniert durchgehend. Oberflächlich eine simple Geschichte rund um eine Privatagentin mit Superkräften, funktioniert die Serie wunderbar ohne sich in das bunte, lustige Marvel Universum zu zwängen. Zwar werden die Verbindungen zwischen den Filmen und Serien nicht versteckt – mit Claire Tempel (Rosario Dawson), auch bekannt als Nightnurse wird eine offensichtliche Brücke zur Serie Daredevil gebaut – doch setzt die neue Netflix-Reihe gleichzeitig kein Grundwissen voraus.

Wie schon zuvor in der erfolgreichen ersten Staffel von Daredevil, wird eine realistische, dunklere Seite des Comicbuchuniversums gezeigt und diese funktioniert wunderschön. Krysten Ritter (Big Eyes) überzeugt in ihrer Rolle als alkoholabhängige, arrogante Agentin mit wenig Wertschätzung für ihre Kräfte und auch Rachael Taylor (Transformers) gibt ihre Rolle als taffe aber einfühlsame Stiefschwester zum Besten. Herausragend ist jedoch vor allem David Tennant (Dr. Who), welcher in der, wenn auch recht alternativen, Interpretation des Charakters Kilgrave vollkommen überzeugend und furchterregend ist. Seine Kräfte und sein Genie scheinen immer wieder unberechenbar während seine perfide genau geplanten Szenarien so wunderschön durchdacht sind, dass immer wieder für Spannung und unerwartete Wendungen gesorgt ist.

Doch trotz seiner grausamen, rücksichtslosen Art, werden die Intentionen des Antagonisten so nachvollziehbar dargestellt, dass es bei Zeiten geradezu schwer fällt, gegen den Erzfeind des Hauptcharakters zu fiebern. Diese Ziele sind jedoch schwer zu erläutern ohne der Serie zu viel Geschichte und Wendungen vorwegzunehmen. Das neue Werk aus der Netflix Schmiede ist auf jeden Fall einen Blick wert. Besonders für jene, die mit dem aktuellen Marvel Universum auf dem Laufenden bleiben möchten oder einfach nur eine neue unterhaltsame und mit 13 Folgen recht kurzweilige Serie suchen.

Episodenübersicht zu Marvel’s Jessica Jones

Cast & Crew

Vorlage: Brian Michael, Bendis Michael Gaydos
Darsteller: Krysten Ritter, Mike Colter, Rachael Taylor, Wil Traval, Erin Moriarty, Eka Darville, Carrie-Anne Moss, David Tennant
Länge pro Episode: 60 Minuten

Bewertung

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