Am 28. Oktober kommt Argentinien in die deutschen Kinos! Der Oscarpreisträger In ihren Augen wird uns in eine leidenschaftliche und hochspannende Geschichte hineinversetzen – ein Kriminalfall und eine große Liebe – die uns so schnell nicht mehr loslassen werden. Der Film kommt aus und spielt in einem Land, das für Evita, Tango, Steaks, Gauchos und Fußball bekannt ist, über das man aber noch viel mehr lernen kann. Denn Argentinien hat eine bewegende Geschichte, ist ein faszinierendes Reiseland und kann überdies mit einigen kulturellen Besonderheiten aufwarten.
Lebendige Götter
Obwohl neun von zehn Argentiniern römisch-katholischen Glaubens sind, ist der argentinische Fußball die heimliche Staatsreligion und Diego Maradona ist die Ikone des „Fútbol Argentino“. Der beste Fußballer des 20. Jahrhunderts hat etwa genau so viele Höhen und Tiefen hinter sich, wie ganz Argentinien. Mittlerweile kann sich „Dieguito“ quasi jeden denkbaren Fauxpas erlauben – seine Fans liegen ihm immer wieder ergeben zu Füßen. Und welcher Fußballer kann schon eine Religion sein Eigen nennen? Dieses Privileg ist allein Maradona vorbehalten: Die „Iglesia Maradoniana“ ist freilich eine Spaßreligion, doch mit weltweit über 40.000 Anhängern ist sie eben auch nicht von der Hand zu weisen. Maradona ist also schon zu Lebzeiten unsterblich. Über die undurchsichtigen Verwicklungen des Fußballverbandes in politische Intrigen sehen die Fans gerne hinweg. Wenn sich die Boca Juniors und River Plate Buenos Aires zum Stadtderby treffen, ist nach wie vor Weihnachten und Neujahr am gleichen Tag. Fußball ist den Argentiniern heilig, denn niemand dribbelt derzeit so göttlich über den Rasen wie Leo Messi, Carlos Tévez und Co. – Maradonas legitime Erben, die sich ebenfalls auf den Weg zum Fußballolymp gemacht haben und bereits jetzt am Fußballgott-Status kratzen.
Reiseziel Argentinien – ein Land, zwei Welten
Wer heute nach Argentinien reisen möchte, steht vor der nicht unbedeutenden Frage: Wohin zwischen Anden und Atlantik, zwischen Feuerland und Rio Paraná, auf in die Pampas oder ab nach Patagonien? Das achtgrößte Land der Erde stellt Reisende mit seiner schier unermesslichen Weite vor gewisse Probleme.
Der direkte Weg nach Argentinien führt zunächst fast unweigerlich in die Hauptstadt Buenos Aires. Die Stadt der „Guten Lüfte“ erreicht man von Europa aus nach einem mindestens vierzehnstündigen Flug. Allein die pulsierende Zwölf-Millionen-Metropole ist eine Reise wert. Buenos Aires ist die Wiege des Tangos und des argentinischen Kinos – Kunst und Kultur des Landes sind hier zu Hause, ebenso die Melancholie und die Lebensfreude. Eng umschlungen wie Tangotänzer schwingen beide Stimmungen durch die Straßen einer Stadt in der fast ein Drittel aller Argentinier lebt und in der die Brüche und Verwerfungen der historischen und der modernen Krisen greifbar sind.
Doch Argentinien hat auch das ganze Gegenteil von Zivilisation zu bieten und wer nun schon einmal die weite Reise auf die Südhalbkugel hinter sich gebracht hat, sollte sich auch der spektakulären Natur Argentiniens widmen. Das Land ist ein Paradies für individuelles Reisen und bisher kaum von der Tourismusindustrie erschlossen. Um den größtmöglichen Gegensatz zu Buenos Aires zu erfahren, kann man sich zum Beispiel auf den Weg zur „Peninsula Valdés“ machen. Die karge, menschenleere Halbinsel vor der Küste Patagoniens befindet sich im rauen Atlantik und ebenso auf der UNESCO-Liste des Weltnaturerbes. Schon von der Küste aus gut sichtbar tanzen hier die Wale um die Gunst ihrer weiblichen Artgenossen. An Land laufen den staunenden Reisenden die Magellan-Pinguine direkt über die Füße und auch diese kleinen Herren im Frack tanzen ausgiebig für ihre ebenso bekleideten Damen.
Die dunklen Jahre Argentiniens
Der grausame Mordfall, der den Polizisten Benjamín Espósito und die Richterin Irene Hastings zum ersten Mal zusammenarbeiten lässt, beginnt in einer Zeit, die als eine der dunkelsten in die Geschichte Argentiniens eingegangen ist. Die Handlung von In ihren Augen setzt 1974 ein, unmittelbar nach dem Tod Juan Perons, der seit den 1940er Jahren das Land dominierte. Peron kontrollierte die Geschicke Argentiniens bis 1955 als Präsident und selbst nachdem er vom Präsidentenstuhl geputscht wurde und ins Exil floh, bröckelte seine Macht nicht. Er behielt die Fäden auch aus dem Ausland stets weiter in der Hand. Die Stabilität und die Sicherheit, die er Argentinien verschaffen wollte, konnte nie erreicht werden und zum Ende seines Lebens driftete seine Politik immer weiter nach rechts ab. Erst unmittelbar nach seinem Tod und seiner zweiten Amtszeit als Präsident endete der Peronismus und die Wirren der Militärdiktatur setzten ein. Die sich nun in der Führungsrolle abwechselnden Generäle gaben vor, die Sicherheit und Ordnung im Land wiederherzustellen, Argentinien endlich zu modernisieren sowie eine „moralische Gesundung“ der Republik und Reformierung nach katholischen, konservativen Werten einzuleiten. Tatsächlich verschärften sich Argentiniens wirtschaftliche und politische Krise in der Folge um ein Vielfaches. Die Militärs führten einen Kampf gegen die „Subversion“. Sie wechselten unliebsame Beamte, Richter und Minister aus, verletzten die Grund- und Menschenrechte, schränkten die Pressefreiheit stark ein. Repressionsmaßnahmen gegen die Bevölkerung – Folter, Ermordungen, Entführungen – standen auf der Tagesordnung. Der Größenwahn des Militärregimes gipfelte 1982 im Krieg um die Falklandinseln, den Argentinien gegen Großbritannien nach kurzen und verlustreichen Kämpfen verlor. In der Folge waren die Generäle am Ende und freie, demokratische Wahlen beendeten 1983 die Jahre des Staatsterrors. Allerdings ist dieses düstere Kapitel argentinischer Geschichte immer noch nicht beendet – Angehörige der Opfer jener Zeit müssen bis heute um ihre Rechte kämpfen.
Ab dem 28. Oktober eröffnet uns In ihren Augen eine intensive und mitreißende Perspektive auf Argentinien. Wer dem tristen Grau unseres mitteleuropäischen Herbstes entgehen möchte, sucht am Besten ein Kino seiner Wahl auf und lässt sich an einen fernen Ort, in eine düstere Zeit und in eine spannende Geschichte entführen.
Regie: Juan José Campanella
Darsteller: Ricardo Darín, Soledad Villamil, Pablo Rago, Javier Godino, Guillermo Francella
Quelle: inihrenaugen-film.de