Ich bin dein Mensch (2021) | Filmkritik

Die renommierte Keilschriftforscherin Dr. Alma Felser (Maren Eggert) kann eigentlich so schnell nichts und niemand aus der Ruhe bringen, doch dem Mann, der ihr gegenübersitzt, gelingt es zumindest ein wenig. Schonungslos starrt sie ihn an. Wie sollte sie auch anders.

Ich bin dein Mensch: Eine futuristische Liebesgeschichte

Denn Tom (Dan Stevens) kann wie auf Knopfdruck schmalzige Komplimente formulieren, komplizierte mathematische Gleichungen lösen, Zeilen von Rilke aufsagen und den besten Rumba Berlins aufs Parkett legen. Für nichts davon benötigt Tom auch nur eine Minute Vorbereitung oder Überlegung, denn er ist kein Mensch, sondern ein androider Roboter.

Alma starrt weiter und scheint selbst noch nicht entscheiden zu können, ob sie ihn bewundernswert oder abstoßend finden soll.

Ich bin dein Mensch von Maria Schrader | © Christine Fenzl

Um drüber nachzudenken, bekommt sie nun reichlich Zeit. Tom ist nämlich ihr neuestes wissenschaftliches Anschauungsobjekt, wenn auch diesmal in überaus privater Angelegenheit. Aus Gefallen für einen Freund muss sie den Androiden Tom nun für drei Wochen mit zu sich nach Hause nehmen und in ihr Leben lassen, in das eigentlich schon ein normaler Mensch bei all der Arbeit kaum hineinpasst.

Und jetzt muss sie auch noch eine simulierte Paarbeziehung mit einem Roboter führen. Im Anschluss soll sie dann ein Gutachten für die Ethikkommission verfassen, die in Kürze zu dem Thema tagt, ob Androiden in ihren Rechten Menschen angeglichen werden sollen.

Ich bin dein Mensch von Maria Schrader | © Christine Fenzl

Mit diesem Szenario tritt das aufstrebende deutsche Regietalent Maria Schrader für den Goldenen Bären bei der 71. Berlinale 2021 an. Die als Schauspielerin bekannt gewordene Schrader wurde 2020 mit ihrer Netflix-Produktion Unorthodox praktisch über Nacht weltberühmt.

Die Miniserie war ein internationaler Hit, der Schrader sogar eine Golden-Globe-Nominierung einbrachte. Wie bei Unorthodox steuerte sie auch zu ihrem neusten Projekt das Drehbuch bei (gemeinsam mit Jan Schoburg). Ihre Geschichte orientiert sich dabei lose an einer Erzählung von Emma Braslavsky von 2019.

Maria Schrader im Wettbewerb der Berlinale

Ich bin dein Mensch, der nun exklusiv im Online-Filmfestival-Wettbewerb der Berlinale 2021 Premiere feierte, erinnert mit seinem Entwurf natürlich an die Tradition großer Vorbilder wie Ex Machina (2014) oder Blade Runner (1982), die allerdings ihre Androiden-Fantasien allesamt in einer dystopischen Zukunft verorten.

In dieser Hinsicht ist das futuristische Berlin in Schraders Film geradezu erfrischend präsentisch. Außer den Androiden gibt es praktisch nichts, was es nicht heute bereits gäbe. Daher stellt Ich bin dein Mensch eher das deutsche Gegenstück zu Spike Jonzes Her (2013) dar, zumal beide Filme sich an einem für die Science-Fiction äußerst seltenem Genre bedienen: nämlich der romantischen Komödie.

Und wie bei Her funktioniert diese Mischung auch bei Ich bin dein Mensch ganz fantastisch. Der Film ist durchweg komisch, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: er bringt zum Lachen durch die realistische Absurdität menschlicher Begegnungen, gerade wenn es sich um Liebe und Anziehung dreht.

Ich bin dein Mensch von Maria Schrader | © Christine Fenzl

Die beiden Hauptdarsteller brillieren dabei in genauso komischen Leistungen. Alma wird von Frieda Jung gemimt, die den meisten hierzulande als Polizeipsychologin Sarah Brandt im Kieler Tatort (2003-2015) bekannt sein dürfte.

Wie viel Mensch steckt in Tom?

Ihre Performance hat eine nur schwer beschreibbare Anmut an sich, die passend zu den großen Fragen des Filmes eine Anschauungsschule dafür ist, wie schön das Menschsein in allen seinen – nicht selten gebrochenen – Facetten sein kann: Zu Beginn ist es ihre vollkommen nachvollziehbare Hölzernheit im Umgang mit Tom, am Ende eine weiche Verzweiflung, nachdem sie sich ihm mehr und mehr geöffnet hat und doch weiß, dass es für sie beide keine Zukunft gibt.

Dan Stevens (Dowton Abbey, Die Schöne und das Biest) in der Rolle des Tom liefert eine unterhaltsame Darbietung ab, die einen nicht nur immer wieder zum Lachen bringt, sondern auch ungeahnte Sympathie und Zuneigung für seinen nichtmenschlichen Charakter weckt.

Dank dem starken Drehbuch bleibt die Frage, ob Tom nicht doch mehr Mensch ist, als Alma ihm zutraut, die gesamten Lauflänge über auf dem Tisch. Abseits davon gestaltet sich die Handlung sehr vorhersehbar, was jedoch überraschenderweise keineswegs stört. Denn die Science-Fiction in Ich bin dein Mensch will weniger mit einem absolut originellen oder einzigartigen Konzept überzeugen, als vielmehr als philosophisches Duett zwischen Film und Zuschauer wirken. Und das gelingt auf voller Linie.

Ich bin dein Mensch von Maria Schrader | © Christine Fenzl

In der Filmgeschichte waren Leinwand-Meditationen über Androiden vor allem Meditationen über das Menschsein. Diese spezielle Vision Schraders ist noch intimer eine Meditation darüber, was Liebe, Erotik und Anziehung ausmacht. Sie ist damit auch eine sanfte Kritik an bestehenden Beziehungsverhältnissen, in der die Robotik, die Tom verkörpert, ja viel gegenwärtiger ist, als wir auf den ersten Blick denken.

Die Verwechslung von Glück und Vergnügen

Es gibt schon seit längerer Zeit hochprofessionalisierte Datensysteme, die im Hintergrund von Dating-Apps wie Elite Partner oder Tinder am Werk sind und Menschen nach feinabgestimmten Algorithmen zusammenbringen. Das System dahinter demaskiert Ich bin dein Mensch schonungslos, wenn auch nie von oben herab.

Dabei ist der Titel des Films Programm. Es geht um das Missverständnis im Menschen, dass er vor allem dann glücklich sei, wenn er von anderen glücklich gemacht wird. Es geht um die Verwechslung von Glück und Vergnügen; oder, um für letzteres ein ehrlicheres Wort zu wählen: Bedürfnisbefriedigung. Es geht um den Hang dazu, seinen Liebespartner zu einer Person hinzubiegen – ob nun subtil oder stumpf –, der vor allem dafür da sein soll, dass man sich selbst gut fühlt.

Ich bin dein Mensch von Maria Schrader | © Christine Fenzl

Ich bin dein Mensch zeigt auf melancholisch-schöne Weise, dass dieses Bedürfnis, wenn es – wie im Falle des Alma-Glücklich-Mach-Roboters Tom – zur Groteske potenziert wird, eben doch offenbart, wie natürlich, aber auch wie fatal es sein kann. Dann sehen wir, dass wir das nicht ernsthaft wollen können, und Romantik mehr ist als Kitsch, Sex mehr als Masturbation, Partnerschaft weniger ein Füreinander als ein Miteinander und Selbstbewusstsein nicht aus totaler Affirmation durch Andere entsteht, sondern tiefgründiger ist.

Auf dieser Reise in die Komik und Tragik der Liebe findet Ich bin dein Mensch dann auch eine Antwort darauf, was das Menschsein generell ausmacht. Die einfachen Reaktionen auf die Frage danach laufen während des Filmes ins Leere. Alma wünscht sich, dass Tom nicht so perfekt wäre, dass er Fehler hat. Aber das hat er. Tom liegt öfter daneben. Darüber hinaus tut er etwas, dass wir Menschen auch im Idealfall mit Fehlern tun. Er lernt aus ihnen. Das trennt den Androiden also nicht vom Menschen.

Im betrunkenen Kopf wirft Alma Tom vor, dass er nie etwas Überraschendes tun würde. Ist es das nun, was Menschsein ausmacht? Das Mysterium. Nein. Auch Tom kann überraschend sein. Er lässt sich nicht alles befehlen, kann Trotz und Spontanität spiegeln. Unterscheidet dann vielleicht die Neugier, der Erfinder-geist oder das gemeinsame Lernen den Menschen vom Roboter? Nein. Auch daran mangelt es Tom nicht. Er lernt zwar frustrierend schnell, aber er lernt. Er ist nicht von Anfang an perfekt oder fertig, sondern entdeckt neue Dinge und verändert daraufhin seine Weltsicht.

Die Bedeutung der menschlichen Seele

Es ist etwas Anderes, was ihm fehlt und bezeichnenderweise ist er es selbst, der das bei einem Gespräch mit Alma formuliert, wenn das Thema vordergründig doch ein anderes ist. Tom versucht Alma aufzubauen, indem er ihr sagt, dass ihre Forschung der Keilschriftkultur so wichtig sei, weil sie den Menschen zeige, dass es schon immer Poesie, Metaphern und Kunst gab. Das nicht alles Zweck, sondern manches auch einen Selbstzweck hat, etwas Ureigenes, was niemandem gehört.

Theologen und Philosophen würden dabei von der Seele sprechen und es ist sicher kein Zufall, dass unsere Protagonistin Alma heißt, was auf Spanisch Seele bedeutet. An einer Seele fehlt es Tom und zwar nicht, weil er grausam wäre. Im Gegenteil, er ist eine fantastische Annehmlichkeit, ein verständnisvoller Gesprächspartner, einer, der anderen guttut. Aber er ist nur dazu da. Er ist absoluter Zweck. Dazu gemacht, Alma zu gefallen, sie zu befriedigen oder auch gelegentlich aufzuregen, wenn sie genau das braucht.

Ein Mensch aber, zumal ein Liebespartner – und das ist die ebenso bescheidene, wie revolutionäre Aussage des Films – ist nicht nur für jemand anderen dar. Ein Mensch ist ein Selbstzweck, eine lebende Seele, in Fleisch gegossene Poesie.

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