Böse Dinge passieren zumeist in kleinen Städten. Von Twin Peaks über Sunnydale, bis hin zu den zahlreichen kleinen Orten, die für Stephen Kings Geschichten im Bundesstaat Maine herhalten mussten: Der Horror haust hinter dem Alltäglichen!
Das Monster ist unter uns!
Das kleine und auf den ersten Blick recht übersichtliche Hemlock Grove bildet da keine Ausnahme. Hier regiert eine besonders mächtige Familie – die Godfreys. Ein Clan mit hohem Ansehen, aber auch unzähligen Neidern. Doch wer in dieser Netflix Produktion an eine schnöde Familiensaga denkt, wird schnell eines besseren belehrt.
Denn in der Umsetzung von Brian McGreevys Roman aus dem Jahre 2012 geht es blutig und düster zu. Außerdem konnte man als Produzent Cabin Fever-Regisseur Eli Roth gewinnen, welcher auch in der ersten Episode die Regie übernahm.
Alles beginnt mit Peter Rumanceks (Landon Liboiron) Ankunft in jener beschaulichen Stadt. Der Zigeuner zieht mit seiner Mutter in einen abgelegenen Wohnwagen am Waldrand. Schnell hat der 17-jährige Herzensbrecher einen zweifelhaften Ruf als Werwolf. Und das alles nur, weil seine Finger zu lang sind. Jedenfalls wenn es nach der Möchtegernschriftstellerin Christina (Freya Tingley) geht. So verfolgt ihn von nun an dieses ungünstige Gerücht. Als dann auch noch zu allem Überfluss ein junges Mädchen von einer Bestie zerfleischt wird, fällt der Verdacht prompt auf den schweigsamen Neuankömmling.
Das Geheimnis der Familie Godfrey
Nur der Außenseiter Roman Godfrey (Bill Skarsgård) glaubt nicht recht an die Schauermärchen und so freunden sich die beiden jungen Männer schnell an. Doch der Erbe des gewaltigen Godfrey-Imperiums ist selbst kein unbeschriebenes Blatt. Seine Mutter (Famke Janssen) ist ein Tyrann, die ein Verhältnis mit Romans Onkel hat, seine Schwester sieht wie Frankensteins Monster aus und die Klinik der Godfreys birgt düstere Geheimnisse. Roman hat aber noch mehr zu bieten. Wenn er seinen Willen durchsetzen möchte, setzt er einfach Gedankentricks an, um sein Ziel zu erreichen.
So machen sich die beiden ungleichen Freunde auf, dem mordenden Ungeheuer das Handwerk zu legen. Doch durch ihre stete Nähe zu den Tatorten fällt natürlich schnell der Verdacht auf die beiden Herumtreiber, welche selbst vor Leichenschändung nicht zurückschrecken, wenn es um die Aufklärung der Morde geht. Sheriff Sworn (Aaron Douglas) tritt bei den Ermittlungen auf der Stelle und weiß nur, das Rumancek und Godfrey Ärger bedeuten.
Kein Wunder also, dass er die beiden Burschen nicht mehr aus den Augen lässt. Seine Arbeit wird auch nicht gerade leichter als weitere Mädchen brutal ermordet werden und die charmante aber rätselhafte Dr. Clementine Chasseur (Kandyse McClure) auf den Plan tritt. Die smarte Spezialistin für Wildtiere scheint mehr über den Täter zu wissen, wirft aber mehr Fragen als Antworten auf. Auch scheint sie, zur Verblüffung des Gesetzeshüters, einen Werwolf als Täter nicht auszuschließen.
Eine rätselhafte Schwangerschaft, eine deformierte Schwester, zahlreiche Innereien und Leichenteile schmücken den spannenden Plot weiter aus, bis die Protagonisten hinter das Geheimnis der toten Mädchen kommen. Doch bis dahin wird es noch ein weiter und düsterer Weg.
Getreu der Netflix-Tradition wird die erste Staffel von Hemlock Grove in knackigen 13 Episoden von je 45 bis 58 Minuten erzählt. Statt in jeder Folge ein Einzelabenteuer zu beleuchten hängen alle Episoden untrennbar miteinander zusammen. Die Spannungsschraube steigt genüsslich und endet meistens in einem unerträglichen Cliffhanger, der einen zwingt, gleich noch weiter zu gucken.
Eine Schauergeschichte mit guter Besetzung
Dabei wird die Geschichte um die beiden Freunde gut und stimmig erzählt, ohne zu viel zu verraten. Wie es für eine Serie von heute üblich ist, wird auf explizite Gewalt und Erotik nicht verzichtet. Leichenteile, nackte Menschen und eine stellenweise vulgäre Sprache dürften das Durchschnittsalter des Publikums etwas nach oben rücken. Trotzdem war ich nach dem Schauen sehr überrascht, dass die Serie eine FSK 16 Freigabe erhalten hat. Für Kinder ist der Gruselspaß nun wirklich nichts und steht so manchem Splatterfilm in nichts nach.
Statt jedoch mit Schockern und Jumpscare-Einlagen zu punkten, bleibt der Grusel größtenteils aus. Man hat zwar keine Angst beim Gucken, wird jedoch durch die spannende Erzählweise immer wieder motiviert, der Handlung weiter zu folgen. Auch die teilweise ekligen Szenen, von abgetrennten Körperteilen oder blutigen Ritualen, sorgen für reichlich Unbehagen.
Bill Skarsgård und Landon Libiron harmonieren von der ersten Minute an sehr gut zusammen. Während der Godfrey-Sohnemann äußerst kalt und launenhaft daherkommt, wächst der warmherzige Zigeunerjunge Roman einem recht schnell ans Herz. Hier prallen zwei höchst unterschiedliche Welten aufeinander. Das schlossartige Anwesen der Godfreys mit seinem Prunk und der klapprige Wohnwagen der Rumanceks bilden hier klare Gegensätze. Und beide haben sie ihre düstere Vergangenheit.
Famke Janssen (Jean aus den X-Men-Filmen) macht ihre Sache als weibliches Oberhaupt der Godfreys besonders gut. Sie pendelt überzeugend zwischen einem sexy Vamp und einer diabolischen Hexe. Mal wickelt sie den ahnungslosen Norman Godfrey (Dougray Scott) um den Finger, dann bevormundet sie ihren Sohn wie eine Glucke. Doch wehe dem, der sich ihr in den Weg stellt. Selten hat man eine Frau so sehr verachtet wie Olivia Godfrey, die eine Ausgeburt der Hölle zu sein scheint.
Auch das Wiedersehen der beiden Battlestar Galactica Darsteller Aaron Douglas (The Chief) und Kandyse McClure (Officer Anastasia Dualla) lässt das Serienherz höher schlagen! Während der Sheriff meistens eindimensional und passiv wirkt, zeigt gerade Dr. Chasseur, dass sie mehr ist, als sie vorgibt zu sein. Von der streng frisierten Parkwächterin zur trinkenden Gotteskriegerin ist sie ein einziges Buch mit sieben Siegeln. Besonders in den zahlreichen Rückblicken lebt ihr Charakter förmlich auf.
Spannung und Mystery bis zum Schluss
Insgesamt ist die Schauspielleistung von allen Darstellern sehr gut gelungen. Shelly Godfrey, die riesenhafte Schwester Romans, gespielt von Nicole Boivin ist sogar so überzeugend gelungen, dass einige Serienfans sich im Internet ernsthaft fragen, ob die zierliche Schauspielerin tatsächlich über 2 Meter groß ist.
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Wem Supernatural zu lustig und Buffy zu unblutig war, wird hier sicher seinen Spaß haben. Schräge Charaktere, eine spannende Geschichte und eine erwachsene Erzählweise machen die 13 Episoden zu einer kurzweiligen Reise. Nur in der letzten Episode merkt man, dank hektischer Schnitte, dass man unbedingt alle Plotfäden abschließen und die neue Staffel einleiten musste. Hier ist das Erzähltempo chaotisch und lässt eine homogene Handlung nicht mehr zu. Schade, denn das trübt den Gesamteindruck etwas. Ein, zwei weitere Episoden hätten hier jedenfalls nicht geschadet.
Auch sind einige Plotlöcher und Logikfehler nicht zu übersehen. Warum fällt niemandem auf, dass die kleine Christina über Nacht ergraut ist? Wieso stellt man auf Peter Rumancek keinen Haftbefehl aus? Fragt sich keiner, warum Shelly Godfrey wie Frankensteins Monster durch die Schule schlurft? Wofür ihre Hände bandagiert sind und warum ihre Haut blau leuchtet, wenn man ihr über die Wange streicht, bleibt ebenfalls ein bisher ungeklärtes Rätsel.
Doch auch trotz der kleinen Makel will man nach den ersten 13 Episoden am liebsten gleich wieder mit der nächsten Staffel beginnen. Ist das nicht bei allen Netflix Serien so? Kein Wunder also, dass es Hemlock Grove auf drei Staffeln geschafft hat und von Netflix zufriedenstellend abgeschlossen wurde.
Episodenübersicht zu Hemlock Grove
Idee: Brian McGreevy
Darsteller: Famke Janssen, Bill Skarsgård, Landon Liboiron, Penelope Mitchell, Freya Tingley, Dougray Scott, Tiio Horn, Joel de la Fuente, Madeleine Martin, Camille De Pazzis
Länge pro Episode: ca. 45–58 Minuten