Der Schacht (2019) | Filmkritik

Der Schacht

Bereits Regisseur Denis Villeneuve (Blade Runner 2049) hatte im Jahr 2008 mit seinem Kurzfilm Next Floor Kritik an unserer im Überfluss lebenden Gesellschaft geübt. In dem 11-minütigen Werk frisst sich eine Gruppe von elf Personen durch ein reich gefülltes Festessen und fällt vollgefressen immer weiter abwärts.

Der spanische Netflix-Film Der Schacht (im Original El Hoyo) nimmt sich ebenfalls diesem Thema an und erzählt vom Klassenkampf innerhalb eines Gefängnisses.

© Netflix

In einer dystopischen Zukunft existiert eine Strafanstalt, in der Gefangene hungernd in übereinander gestapelten Zellen hausen. Jeweils zwei Personen pro Etage. Nur einmal pro Tag wird Nahrung von oben nach unten herabgelassen.

Fressen oder gefressen werden

Während sich die oberen Stockwerke den Bauch vollschlagen können, sind die unteren Insassen ausgehungert und reagieren immer radikaler. Doch nach einem Monat ändern sich die Positionen und keiner der Straftäter weiß, in welchem Stockwerk er den nächsten Monat überleben muss.

Gehört man zu den glücklichen, die in den oberen Etagen vom Festmahl profitieren dürfen oder muss man sich eine alternative Nahrungsquelle suchen, wie seinen Zellengenossen?

© Netflix

Der spanische Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia entführt mit seinem Werk Der Schacht in eine Schreckensvision unserer Welt und hält unserer Gesellschaft damit doch den Spiegel vor. In dem brutalen Gefängnis geht es nicht darum, wer Straftäter ist und wer zu unrecht oder gar freiwillig einsitzt. Es geht darum, wie sich Menschen in einer Notsituation verhalten und wie schnell das eigene Überleben an erste Stelle rückt.

Wer überlebt den Schacht?

Das Perfidie: eigentlich würde das tägliche Festmahl für alle Insassen ausreichen. Doch jeder, der einmal auf einer unteren Ebene saß und nun im oberen Stockwerk gelandet ist, wird von Rache und Eigensinn getrieben und schlägt sich den Bauch voll. Nächstenliebe und Verzicht sind zu Fremdwörtern geworden.

Einzig Protagonist Goreng (Iván Massagué), der freiwillig in den Schacht gezogen ist, um seinen Abschluss bezahlen zu können, versucht gegen das kranke System anzukämpfen. Doch mit Vernunft und guten Worten kommt er bei seinen Mitgefangenen nicht weit. Und so werden auch seine Methoden von Monat zu Monat immer radikaler.

© Netflix

Der Schacht zeigt dabei die Abgründe der Menschheit in ungeschönter Weise. Da jeder Insasse einen persönlichen Gegenstand mit in die Isolation nehmen darf, sind etliche Waffen im Gefängnis vorhanden. Zellengenossen werden ermordet und gegessen, stürzen sich aus Verzweiflung den Schacht hinunter oder entledigen sich auf die unteren Stockwerke. Der Mensch in seiner vollen Pracht.

Dunkelheit und Hunger

Inhaltlich kann das Kammerspiel komplett überzeugen und wirkt wie eine vertikale Variante des Dramas Snowpiercer (2013) von Star-Regisseur Bong Joon-ho (Parasite), in dem ebenfalls ein Klassenkampf in einem gigantischen Zug ausbricht.

Auch wenn zum Ende hin ein paar Ungereimtheiten auftreten und das Magen umdrehende Werk sicherlich nicht für jeden Zuschauer ein Leckerbissen ist, schafft Galder Gaztelu-Urrutia eine intelligente und spannende soziale Allegorie auf die Menschheit in Zeiten voller Dunkelheit und Hunger.

Handlung:

Fotos


alle Bilder >>

Bildrechte: Netflix