Dass die sozialen Medien unseren Alltag und unsere Gesellschaft stark beeinflussen und prägen, sollte niemanden überraschen. Und auch, dass teils gefühllose und kalkulierende Menschen hinter den Entwicklern stecken, wurde schon in The Social Network (2010) filmisch verarbeitet.
Insider aus dem Silicon Valley
Netflix stellt mit der Dokumentation Das Dilemma mit den sozialen Medien nun aber genau diese Menschen vor die Kamera, die an der Entwicklung der Social Media-Apps beteiligt waren. Die Geschichten, die diese erzählen, zeigen, dass unsere Gesellschaft schon längst auf der Überholspur in Richtung Abgrund rast.
Das Dilemma mit den sozialen Medien setzt Interviewpartner aus den verschiedensten Bereiche vor die Kamera. Tristan Harris ist ein ehemaliger Ethiker von Google, Jeff Seibert war leitender Angestellter bei Twitter und Tim Kendall hat als Präsident bei Pinterest gearbeitet. Sie alle erzählen von dem Suchtpotenzial, das gewollt durch ihre Apps verursacht wird. Und der programmierte Algorithmus dient nur einem Ziel: der Gewinnmaximierung.
Das Smartphone als ständiger Begleiter
Parallel zu den Interviews wird eine fiktive Geschichte erzählt, in der der Smartphone-Konsum einer typischen Familie abgebildet wird. Gezeigt wird hier vor allem, wie der ständige Begleiter das gemeinsame Abendessen ruiniert und nach und nach Menschen radikalisieren kann.
Zu den Darstellern dieser erzählerischen Komponente zählen Skyler Gisondo (Santa Clarita Diet), Kara Hayward (Manchester by the Sea) und Mad Men-Star Vincent Kartheiser. Letzterer verkörpert die Personifizierung des Algorithmus, der alles dafür tut, um seinen Nutzer am Smartphone zu halten und nebenbei möglichst viel Gewinn einzufahren.
Was die Experten zunächst in den Interviews berichten, sind an sich keine neuen Fakten. Für jeden Menschen wird ein Avatar angelegt, in welchem jeglicher Klick, jeder Like und selbst die Scroll-Geschwindigkeit erfasst wird. Die Maschine möchte nicht, dass wir das Gerät aus der Hand legen und tut alles, um uns an den Bildschirm zu fesseln. Und alle sozialen Netzwerke tun dies: Google, Facebook, Instagram, Tik Tok, Snapchat, Twitter, Pinterest.
Weglegen verboten!
Kaum schauen wir eine gewisse Zeitspanne nicht nach, folgt auch schon eine Benachrichtigung. Was hat sich in der App getan und was erleben gerade unsere Freunde? Dass der Like-Button und die Markierung auf einem Foto mächtige Features sind, wird einem als Zuschauer schnell bewusst.
Und nach einem recht technischen und seichten Start, schlägt Das Dilemma mit den sozialen Medien dann zu, wenn es um die junge Generation geht. Diese lässt sich derart stark von Likes und Kommentaren beeinflussen, so dass eine Altersgruppe voller Selbstzweifel und Angst heranwächst. Anhand von Statistiken wird aufgezeigt, wie vor allem die Selbstmordrate bei den jungen Menschen im Zusammenhang mit der Smartphone-Nutzung extrem gestiegen ist.
Fragt man die ehemaligen Mitarbeiter der Tech-Firmen, sprechen sich diese klar für ein Verbot von Social Media-Kanälen im Kindesalter aus. Denn, ob wohl sie den Code selbst verfasst haben, fallen auch sie auf ihre eigenen Tricks und Fallen herein – mal schnell noch die E-Mails checken, gucken was auf Facebook passiert ist und ein Bild bei Instagram liken.
Die Gefahren der sozialen Netzwerke
Je länger die Dokumentation läuft, desto extremer und gefährlicher werden die Gefahren, die aufgezeigt werden. Und das prognostizierte Ende vom Lied? Ein aufkommender Bürgerkrieg, bei dem sich beide Parteien im Recht sehen. Denn wer sich mit einem Thema intensiv beschäftigt, kriegt auch immer mehr Nachrichten angezeigt, die auf ihn zugeschnitten sind und verliert die Gegenpartei aus den Augen.
Das Dilemma mit den sozialen Medien spricht all diese Probleme an. Gefälschte Wahlen und das Problem der Filterblase werden in der kurzen Spielzeit von knapp 90 Minuten aber nur angeschnitten, um die Macht der großen Tech-Konzerne zu verdeutlichen. Für all die Punkte der Negativität reicht die Spielzeit wahrlich aber nicht aus.
Am Ende der Dokumentation wird man vielleicht nicht dem Aufruf folgen und alle seine Social Media-Apps deinstallieren, aber auf jeden Fall sollte man bewusster mit diesen umgehen und vor allem immer wieder kontrollieren, wie lang die Display-Zeit des Tages war. Denn diese führt einen nochmal erschreckend vor Augen, wie viele Stunde man am Tag tatsächlich an das Smartphone verloren hat.
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