Chernobyl

Chernobyl (2019) | Serienkritik

Die vielen Gesichter der Katastrophe

von Markus Grunwald

Chernobyl gehört zu jenen Serien, deren Ruf ihnen voraus eilt. Über Monate dominierte sie die Bewertungsportale, wurde zeitweise als beste Serie aller Zeiten gehandelt und steht noch heute in nahezu jeder Topliste ganz oben.

Was kostet eine Lüge?

Die fünfteilige HBO-Produktion ist ein schonungsloses Abbild einer Katastrophe, die nicht nur ein Kraftwerk zerstörte, sondern ein System entlarvte. Jede Episode ist ein Schlag in die Magengrube: zu viel Leid, zu viele Lügen, zu viele Abgründe. Feel-Good gibt es hier nicht — nur die bedrückende Erkenntnis, wie fatal die Verdrängung der Wahrheit sein kann.

Chernobyl Kritik

© HBO

Im April 1986 kommt es im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl zur verheerenden Explosion des Reaktorblocks 4. Während die Verantwortlichen die Gefahr herunterspielen, stehen Feuerwehrleute und Ersthelfer unwissentlich im direkten Kontakt mit tödlichen Strahlenmengen.

„Der Reaktor ist explodiert!“ – Der Anfang des Undenkbaren

Die Serie zeichnet minutiös nach, wie aus einem technischen Fehler eine Katastrophe wurde, die Europa bedrohte – und wie sehr Schweigen, Angst und bürokratische Ignoranz das Ausmaß vergrößerten.

Statt auf klassische Horrorszenarien setzt Chernobyl auf eine Bedrohung, die man weder sieht noch hört – und gerade deshalb umso schlimmer wirkt. Die Strahlung frisst sich lautlos durch Körper und Landschaften, während viele Betroffene nicht einmal wissen, dass sie bereits dem Tod geweiht sind. Die Serie zeigt die verzweifelten Versuche der Einsatzkräfte, den Brand zu löschen, ohne Schutz, ohne Wissen, ohne Chance. Dieser Realismus ist schwer zu ertragen – aber genau darum so wirkungsvoll.

Chernobyl Kritik

© HBO


Jede Folge konzentriert sich auf ein anderes Kapitel des Schreckens: – Die verspätete Evakuierung von Pripjat. Die Liquidatoren, die auf den Dächern grafitverseuchte Trümmer wegräumen müssen. Soldaten, die zurückgelassene Haustiere töten, um die Verseuchung einzudämmen. Die schleichende Zerstörung der Natur. Und schließlich der Prozess, der die Schuldigen offenlegen soll – zumindest jene, die sich politisch opfern lassen. So wird die Katastrophe nicht nur technisch, sondern zutiefst menschlich greifbar.

Zerfall eines Systems: Die Lüge als politische Waffe

Die Miniserie Chernobyl ist weit mehr als eine Chronik des Unglücks. Es ist eine Abrechnung mit einem politischen System, in dem Loyalität wichtiger war als Wahrheit. Die zentrale Frage lautet: Was kosten all die Lügen? Die Serie liefert die Antwort ungeschönt: unzählige Menschenleben, zerstörtes Land, verlorenes Vertrauen — und das Wissen, dass dieses Unglück vermeidbar gewesen wäre.

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Jared Harris brilliert als Wissenschaftler Valery Legasov, zerrissen zwischen Pflicht, Wahrheit und Verzweiflung. Stellan Skarsgård zeigt als Boris Shcherbina eine der eindrucksvollsten Wandlungen der Serie – vom zynischen Parteifunktionär zum Mann, der die Wahrheit nicht länger ertragen, aber auch nicht mehr ignorieren kann.

Fazit: Ein Meisterwerk mit Nachhall

Emily Watsons Figur symbolisiert all jene Forscherinnen und Forscher, die gegen das System kämpften und fast daran zerbrachen. Jede Leistung sitzt. Jede Nebenrolle ist bedeutend.

Chernobyl ist ein filmisches Mahnmal. Brutal ehrlich, detailgetreu, emotional überwältigend und moralisch unverzichtbar. Die Serie unterhält nicht – sie erschüttert. Und genau das macht sie zu einem so starken Werk.

Bewertung

Bewertung_10

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Bildrechte: HBO

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