Before-Trilogie (1995-2013) | Filmkritik

Alles nimmt seinen Anfang als sich im Jahr 1995 Jesse und Céline zufällig in einem Zug nach Paris kennenlernen. Die Liebesgeschichte der beiden Individuen ist jedoch keine einfache und kurze, sondern eine Trilogie, die sich über 18 Jahre erstreckt.

So schön kann Liebe sein

Voller Höhen und Tiefen und gespickt mit zahlreichen, nachdenklichen Dialogen erzählt Regisseur Richard Linklater (Boyhood) über die Vergänglichkeit des Augenblicks.

Der junge Amerikaner Jesse hat die letzten Wochen in Europa verbracht und möchte nun von Wien aus zurück in die Heimat fliegen. Neben ihm sitzt die hübsche Französin Céline im Zug. Es ist direkt um beide geschehen.

Before Sunrise: Bis zum Sonnenaufgang

Eigentlich ist Céline auf der Reise nach Paris, doch Jesse verwickelt sie mit seinem Charme in ein intensives Gespräch und als der Zug in Wien Stopp macht, drängt sich eine Frage auf: Steigt die junge Frau zusammen mit dem fremden Mann in der fremden Stadt aus?

Ohne allzu viel Überlegung folgt sie Jesse in das nächtliche Wien und gemeinsam erleben beide Reisenden einen unvergesslichen Abend. Dies soll allerdings nur der Beginn einer Romanze sein, die noch viele Probleme und Hindernisse zu überstehen hat.

In 101 Minuten lernt der Zuschauer in Before Sunrise die Protagonisten und ihre Weltanschauung kennen. Während Jesse eher rational durch das Leben geht, ist Céline die Träumerin.

Herrlich ehrlich

Immer wieder diskutieren beide über ihre unterschiedlichen Ansichten und kommen am Ende immer wieder zusammen auf einen Nenner. Das nächtliche Wien verzaubert sowohl das ungleiche Pärchen wie auch die Zuschauer.

Zwischenstopp in Wien

Der Film lebt ausschließlich von seinen langen Dialogen. Jesse und Céline brauchen keine Stichwortgeber oder Nebenfiguren. Einzig und allein ihre Weltanschauung, ihre Hoffnungen und Ängste und ihre beginnende Liebe bilden den Kern der Erzählung. Ab und an wirken die spontanen Gespräche allerdings ein wenig zu philosophisch für die Mittzwanziger. Trotzdem sind ihre Dialoge herrlich ehrlich.

Welche Abenteuer und Herausforderungen das Leben für sie in Zukunft noch bereithält, wissen die beiden Liebenden allerdings nicht. Und so können sie nicht mehr als den Moment, den einen gemeinsamen Abend, verleben. Ein Wiedersehen ist geplant, aber doch ungewiss.

Es dauert tatsächlich neun Jahre bis sich Jesse und Céline wiedersehen werden. Er hat einst auf sie gewartet, doch sie hat es nicht geschafft. Der Funke der Liebe ist in beiden jedoch nicht erloschen.

Trilogie der Liebe

Im Jahr 2004 setzte Linklater mit Before Sunset (2004) die Liebesgeschichte fort und alle haben sich gefragt: Sind Jesse und Céline mittlerweile ein glückliches Paar? Die Antwort ist ebenso ernüchternd wie traurig.

Jesse ist mittlerweile ein mehr oder weniger erfolgreicher Schriftsteller und hat in seinem Buch die romantische Begegnung mit der hübschen und cleveren Französin verarbeitet. Céline engagiert sich beruflich für den Schutz der Natur. Doch als sie sieht, dass Jesse eine Lesung in ihrer Heimatstadt hat, erscheint sie auf der Bildfläche.

Und wie bereits vor vielen Jahren entfacht erneut ein fast schon erloschen geglaubtes Feuer. Aber nicht nur Céline befindet sich in einer festen Beziehung, auch Jesse ist verheiratet und hat bereits einen Sohn. Hat die Liebe der beiden unter diesen Vorzeichen überhaupt noch eine Chance?

Der zweite Teil der Before-Trilogie ist auch der stärkste. Nicht nur kennt man als Zuschauer die Liebenden und ihre Eigenarten bereits, auch sind die Dialoge nochmal feiner und die Romanze ebenso authentisch wie schmerzlich. Ethan Hawke und Julie Delpy haben eine Chemie vor der Kamera, die jeden glauben lässt, dass diese auch abseits der Dreharbeiten nicht die Finger voneinander lassen können.

Die große Liebe?

Zusammen wandern die Protagonisten durch die engen Straßen der Stadt, sitzen im Café und schippern mit dem Boot über die Seine. Wie auch in Before Sunrise lebt der Film von den einfachen Momenten zwischen Mann und Frau. Und da beide nun Anfang ihrer 30er sind, wirken ihre Träume, Vorstellungen und Ziele deutlich reifer und realistischer.

Durchgehend schwebt jedoch ein Damoklesschwert über den Dialogen. Denn auch die wahre Liebe kann nicht verschleiern, dass sowohl Jesse als auch Céline nicht ledig sind.

Der bisherige Abschluss der Reihe erschien im Jahr 2013: Before Midnight. Die große Liebe hat gesiegt, aber die Alltagsprobleme haben Einzug erhalten.

Before Midnight: Bis Mitternacht

Tatsächlich hat Jesse sein altes Leben in den Staaten aufgegeben. Einzig sein Sohn stellt noch eine Verbindung in die alte Heimat dar.

Zusammen mit Céline hat er zwei bildhübsche Töchter und das Geschäft als Schriftsteller bringt das Brot nach Hause. Während eines Sommerurlaubs in Griechenland beginnen jedoch die Probleme ihren Lauf zu nehmen.

Céline erhält ein Angebot für ihren Traumjob in Paris und Jesse wird klar, dass es ihm nicht genug ist seinen Sohn nur in den Ferien zu sehen. Am letzten Abend der Reise scheinen sich bei dem Ehepaar die Gedanken zu Worten zu formulieren. Ein lauter Streit lässt eine Frage immer deutlicher werden: Gibt es für ihre Liebe überhaupt noch eine Zukunft?

Im dritten Teil der Before-Trilogie sind die einstigen Mittzwanziger nun am Anfang ihrer 40er-Jahre und haben damit zu kämpfen, dass ihr Leben davonzurennen scheint. Zwischen Job und Familie scheinen Jesse und Céline in entgegengesetzte Richtungen zu ziehen.

Trennen sich Jesse & Céline am Ende?

Und auch dieses Mal gibt es wieder klärende Dialoge, die ebenso tiefsinnig wie erschreckend ehrlich sind. Von Schuld über Betrug bis hin zum Alter und dem Tod verlieren sich die einst Liebenden in ihren Ängsten und ihrer Trauer. Eine Antwort darauf, ob Céline und Jesse ihre Probleme aus der Welt schaffen können, bleibt Regisseur Linklater uns am Ende schuldig.

Aber alleine die Tatsache, dass wir die Liebesgeschichte der beiden von Sonnenaufgang bis Mitternacht begleiten durften, war dies wert. Ob uns je ein vierter Teil darüber informieren wird, ob es zu einer Scheidung gekommen ist, bleibt offen. Schließlich ist alles vergänglich.

Bildrechte: STUDIOCANAL