Nach einer ganzen Reihe übertriebener Gewalttaten wird Gerard Butlers Charakter gefragt: „War das wirklich nötig?“ und Butler antwortet kurz angebunden: „Nein!“. London Has Fallen könnte nicht besser zusammengefasst werden als durch dieses kurze Gespräch.
Über den gesamten Film hinweg zieht sich eine Masse an absurder, brutaler, erschreckender Gewalt und kein Schwein interessiert es. Wie einst in zahlreichen gefeierten Western wird zuerst geschossen bevor man Fragen stellt. Und diese Philosophie verfolgen die Drehbuchautoren hinter London Has Fallen mit einer Zielstrebigkeit, welche in einer Art und Weise schon an perfide Ignoranz grenzt und fast die Grenze zur Parodie überschreitet, während der Film im Grunde nur passable Popkorn-Unterhaltung bietet. Zusätzliche Brisanz erhält dieses verkannte Weltbild wenn man bedenkt, dass Regisseur Babak Najafi (Sebbe) im Iran geboren wurde und den Ersten Golfkrieg hautnah miterlebte.

In Olympus Has Fallen nahm es Gerard Butler noch einst mit einer Übermacht an nordkoreanischen Angreifern auf, konnte sich bei seiner Rettungsaktion allerdings auf den Vorteil der Umgebung verlassen, denn keiner kannte das Weiße Haus und seine Sicherheitsmaßnahmen sowie Eigenarten besser als der ehemalige Secret Service Agent. In London Has Fallen fällt dieser Vorteil nun weg und Butler muss sich auf unbekanntem Territorium in kürzester Zeit zurechtfinden. Seine Heldentaten aus dem ersten Teil haben Butlers Charaktereigenschaften zudem stark verändert. Sein Charakter Mike agiert zwar noch immer wie die unzerstörbare Macht, welche er schon in Olympus Has Fallen perfekt auf die Leinwand projizierte, nun aber ist er zudem noch eingebildet und unverschämt. Und diese Eigenschaften lebt der Film regelrecht. Im Gegensatz zum Einsatz im Weißen Haus geht es nun auch nicht mehr um die Rettung des Präsidenten, diese Tatsache rückt komplett in den Hintergrund, es geht viel mehr um die Art und Weise, wie Mike seinen Auftrag erledigt und wie viele Gegner er bei seiner Aktion von der Leinwand fegt.

Auf den Gedanken, ob es sich nicht vielleicht doch um die Londoner Polizei handeln könnte kommt der Charakter Mike gar nicht. Als ihn der Präsident später einmal auf diese Tatsache anspricht und einen besonders perfiden Mord mit einer Holzlatte und anschließender Suffokation kommentiert, erwähnt Mike nur: „Polizisten tragen keine Kalaschnikows!“. Spätestens da weiß der Zuschauer, dass er jegliche Hirnfunktionen abzuschalten hat und sich einzig über die Action und Explosionen freuen soll.

Beim fiesen Waffendealer und Bösewicht des Films Aarmir Barkawi, gespielt von Alon Moni Aboutboul (The Dark Knight Rises), würde man jetzt natürlich erwarten, dass dieser bei dem ansonsten blassen Cast als großer Gegenspieler präsentiert wird. Aber weit gefehlt! Der Film versucht überhaupt nicht neben Gerard Butler einen weiteren Charakter zu etablieren. Jegliche Konzentration beruht auf seinen Aktionen und der glamourösen Zerstörung Londons bekanntester Sehenswürdigkeiten. Dieses Konzept der Bösewichter ohne wahres Gesicht scheint dabei aber ein gewollter Handgriff der Filmschaffenden zu sein, um der Ruchlosigkeit des Films zumindest ein wenig Einhalt zu gebieten, denn so verkommen die Gegner lediglich zu reinem Kanonenfutter, mit denen man eh kein Mitleid haben könnte.
Aus der Riege der nutzlosen Nebendarsteller ragt lediglich MI6 Agentin Jacquelin Marshall hervor. Darstellerin Charlotte Riley (Edge of Tomorrow) erhält zwar kaum Leinwandzeit und ist auch in keinen Schusswechsel verwickelt, bleibt aber durch ihre bezaubernde Präsenz im Gedächtnis und verkauft ihren Charakter zudem als fähige Agentin gekonnt dem Zuschauer. Und das obwohl ihr Auftritt im schwächsten, da ruhigsten, Teil des Film stattfindet.

Doch abseits der teilweise klasse inszenierten Schusswechsel und Kampfeinlagen wirken die CGI Effekte wie ein schlechter Witz. Besonders die großen Explosionen und Mündungsfeuer werden durch Effekte dargestellt, welche billiger nicht aussehen könnten. Und wenn eine bekannte Brücke durch zahlreiche Explosionen ihren Halt verliert, zahllose Stahlkabel über den Bildschirm huschen und Autos von der Themse verschlungen werden, wird man regelrecht aus der Atmosphäre geworfen, da die Effekte so jämmerlich ausschauen. Es wirkt geradezu so, als hätte jemand vorgefertigte Explosionen und Effekte aus einem Grafikprogramm verwendet und für London Has Fallen lediglich ein wenig aufbereitet und angepasst. Aber vielleicht ist auch dieser Mangel nur ein Mittel zum Zweck, denn der Film wirkt nicht selten wie 1:1 aus einem der zahlreichen First-Person-Computerspiele kopiert. Endlose Schusswechsel, stark in Szene gesetzte Nachladeaktionen und in bester Parkour-Manier absolvierte Laufpassagen über Baugerüste könnten geradewegs aus dem neuesten „Call of Duty“ oder „Battlefield“ entsprungen sein.
Schlussendlich wird euch aber, wenn euch bereits Olympus Has Fallen gefallen hat, London Has Fallen nicht enttäuschen. Mir persönlich aber war es nicht komplett möglich, den Kopf abzuschalten, denn der Film verwirft explizit jegliche moralische Ansichten, zeigt keinerlei Feingefühl bei Islamfeindlichkeit oder Respekt vor aktuellen, tatsächlichen Terrorattacken. Die Gewaltverherrlichung geschieht ohne kritische Hinterfragung und lässt, mit einem perfiden Lächeln auf den Lippen, Mord und Gewalt zu einer grotesken Art von Sport verkommen, welche sich nicht einmal Computerspiele erlauben würden. Doch wenn man all dies Abschütteln kann und die Erfahrung als reine Fiktion aufnimmt, wird man mit London Has Fallen definitiv seinen Spaß haben. Es besteht aber eine gewisse Möglichkeit, dass man mit einem unguten Gefühlt den Film verlässt, weil man an all diesen fragwürdigen Darstellungen einen Gefallen gefunden hat.

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