Brasilien lebt Fußball. Selbst im abgelegenen Westen Brasiliens, im Bundesstaat Santa Catarina. Bei Spielen des Fußballvereins Associação Chapecoense de Futebol, allgemein bekannt als Chapecoense, aus der Stadt Chapecó fiebert immer die komplette Stadt mit. Besonders, nachdem der Verein 2013 nach über 30 Jahren endlich wieder in die höchste brasilianische Liga aufsteigen konnte und man sich 2016 auf dem Höhepunkt des sportlichen Erfolgs, dem Finale der Copa Sudamericana, sah.
Doch der Verein sollte niemals am Austragungsort dieses Finales ankommen.
Am 28. November 2016, auf dem Weg nach Kolumbien zum Finalhinspiel gegen Atlético Nacional, stürzte die Maschine auf Grund von Treibstoffmangel mit der Mannschaft, der Führungsetage, Journalisten, Trainerstab und Crew ab. 71 Menschen starben.
Doch wie durch ein Wunder überlebten 6 Personen den Absturz. Unter ihnen auch drei Spieler des Vereins – Jakson Follmann (Torwart), Hélio Hermito Zampier Neto (Abwehrspieler) und Alan Ruschel (Abwehrspieler). Zehn weitere Spieler aus dem Kader Chapecoenses blieben in Brasilien und befanden sich deshalb nicht in der abgestürzten Maschine.
Der Film Unser Team – Nossa Chape versucht dieses tragische Unglück und den Wiederaufbau des Vereins Chapecoense zu dokumentieren und begleitet die drei überlebenden Spieler bei ihrem Umgang mit diesem traumatischen Erlebnis. Die Filmschaffenden Jeff Zimbalist und Michael Zimbalist (Pelé – Der Film) halten sich mit einer Bewertung der Geschehnisse geschickt zurück, geben allen Seiten eine Stimme und lassen den Zuschauer sich selbst eine Meinung bilden.
Hat sich der Verein korrekt gegenüber den Angehörigen der Opfer verhalten? War es richtig, dass man innerhalb weniger Wochen die Mannschaft komplett neu aufgestellt hat, um an der neuen Saison teilnehmen zu können? Diese und weitere Fragen darf und soll der Zuschauer sich selbst beantworten und bekommt dafür die meist nötigen Kenntnisse geliefert.
Als Fußballfan fühlt man eine unbeschreibliche Verbindung zu seinem Verein. Bei Spielen fiebert man mit, bei Siegen freut man sich und bei Niederlagen ärgert man sich. Es wird gemeckert, gelobt, diskutiert und gefeiert. Doch wie soll man sich verhalten, wenn durch ein tragisches Unglück fast die komplette Mannschaft und Führungsetage ausgetauscht werden muss und ein unglaublicher Neuanfang bevorsteht.
Leider verpassen es die Regisseure die Sicht der Fans deutlicher zu präsentieren und so bleiben auch die negativen Äußerungen der Unterstützer nach anfänglichen Startschwierigkeiten und Niederlagen der Mannschaft unerklärt.
Während die Vereinsspitze versucht das Unglück für seine Publicity zu nutzen, hadern einige der verbliebenen Spieler mit dieser Marschrichtung. Auch manche der Überlebenden fühlen sich wie Marionetten der oberen Schichten. Diese verzwickten Gedankengänge werden zwar angesprochen, aber verlaufen schnell wieder im Sande, denn der Fokus der Dokumentation liegt sehr deutlich auf dem Wiederaufbau des fußballerischen Elements. Spielerfrauen erhalten grundsätzlich eine Stimme, ihr Umgang mit den schrecklichen Ereignissen dagegen wird lediglich kurzzeitig aufgezeigt.
Wie ursprünglich erwähnt wollten die Brüder Zimbalist in ihrem Film jegliche Wertung vermeiden und stellen daher den Verein in den Vordergrund. Mit etwas Abstand zu dem Gesehenen wirkt der Film letztendlich wie Werbung.
Zu wenig wird auf die Probleme der Überlebenden und ihre Familien eingegangen. Über allem Unglück steht das Wohl des Vereins. Dieser Umstand wird ab und an zwar durch Aussagen der Spieler Neto und Odair Souza verdeutlicht, aber verläuft auch schnell wieder im Sande.
Immer wenn etwas Kritik laut wird, wird diese direkt wieder durch epochale Musik übertönt und endet in Bilder von Fans und Fußballmomenten.
Selbst die schlussendliche Aussage des Spielers Neto, welcher zu der Erkenntnis gelangt, dass Fußball und Arbeit nicht alles ist, sondern Menschen das Leben lebenswert machen, wird durch eine Texteinblendung am Ende des Films wieder zum Platzen gebracht.
Diese Tragödie, welche Ende 2016 die Medien dominierte, ist schwer zu verarbeiten. Unser Team – Nossa Chape ist bei weitem nicht perfekt und enthält sich jeglicher Wertung. Er schafft es aber die Ereignisse aufzuarbeiten und gibt den im Film auftretenden Überlebenden hoffentlich die Chance, das Erlebte ein wenig besser verarbeiten zu können.
Fotos
alle Bilder >>