Es ist kein Geheimnis, dass der südkoreanische Regisseur Park Chan-wook ein Meister der Rachedramen ist. In seiner Rachetrilogie, bestehend aus den Filmen Sympathy for Mr. Vengeance (2002), Oldboy (2003) und Lady Vengeance (2005) vereint der Filmschaffende brutalste Gewalt mit einer intelligenten Geschichte.
Zusammen mit Bong Joon-ho (Snowpiercer) und Kim Jee-woon (A Tale of Two Sisters) gehört Park Chan-wook zweifelsfrei zu den bedeutendsten cineastischen Exporten der südlichen Halbinsel. Doch das Spektrum des Regisseur beschränkt sich keinesfalls ausschließlich auf die Darstellung von Blut und Rache. Im Jahr 2006 betrat der Regisseur mit I’m a Cyborg, But That’s OK ein neues Feld und erzählt eine ebenso skurrile wie tiefsinnige Liebesgeschichte zwischen einem selbsternannten Cyborg und einem Meisterdieb.
Young-goon (Lim Soo-jung) ist der festen Überzeugung, dass sie keinesfalls menschlicher Natur ist, sondern als Cyborg erschaffen wurde. Aufgrund dieser Überzeugung verweigert sie auch die Nahrungsaufnahme und schließt sich stattdessen an eine Steckdose an.
Den daraus resultierenden Stromschlag überlebt Young-goon zwar aber wird sie anschließend in eine Nervenklinik eingewiesen, wo die Ärzte von einem Suizidversuch ausgehen und mit der Behandlung einleiten. Die junge Frau beginnt den Sinn ihrer Existenz als Mensch-Maschine zu erforschen und mit Hilfe von Batterien nach und nach ihren Energievorrat aufzufüllen. Ihre einzigen Gesprächspartner in der Klinik sind ein Radio, eine Lampe und der Getränkeautomaten auf dem Flur.
Während die Ärzte verzweifelt versuchen zu Young-goon durchzudringen, schafft es der Mitinsasse Il-sun (Rain) nach und nach einen Zugang zu dem mittlerweile stark unterernährten Cyborg-Mädchen zu erlangen. Doch während Il-sun alles versucht, um die Romanze weiter zu vertiefen, scheint Young-goon Batterie für Batterie näher an den Folgen ihres Hungers zu sterben.
Das asiatische Kino in seiner Vielfalt wirkt auf den europäischen Kinogänger immer wieder befremdlich, teilweise sogar geradezu abschreckend. I’m a Cyborg, But That’s OK ist keinesfalls eine klassische Liebesgeschichte, wie man sie aus Nicholas Sparks-Einheitsbrei kennt oder Hollywoods Feel-Good-Movies.
Park Chan-wook erschafft zwei vollkommen skurrile Figuren und lässt deren Begegnung zusätzlich auch noch in einer Psychiatrie stattfinden, wodurch ihm alle Freiheit der Erzählkunst und Bizarrheit erlaubt sind. Doch schafft es der Regisseur auch ohne Rachegedanken seinen Figuren Tiefe und Emotionen einzuhauchen?
Der schwierigste Akt eines Films ist wahrscheinlich die Etablierung einer Verknüpfung zwischen dem Zuschauer und den Titelfiguren. Die Identifikation mit zwei verrückten Insassen einer Anstalt klappt dabei lediglich über einen Aspekt: der Liebe.
Liebe ist, den Anderen so zu akzeptieren, wie er ist. – Park Chan-wook
Doch trotz dieser immer zündenden Botschaft fällt es dem Zuschauer schwer eine Verbindung zu Young-goon und Il-sun herzustellen. Zu skurril ist ihr Verhalten, zu flach und unerzählt ihre Hintergrundgeschichte. Woher die Magersucht rührt wird in zu einfachen Rückblenden erörtert und über Il-suns Schicksal schweigt Regisseur Park Chan-wook fast komplett.
Auch das für koreanische Filme und TV Produktionen typische Overacting der Protagonisten hilft nicht bei der dringend notwendigen Vermittlung zwischen Leinwand und Zuschauer. Besonders dem internationalen Kpop Star und Schauspieler Jung Ji-hoon (Speed Racer), besser bekannt unter seinem Bühnennamen Rain, merkt man die fehlende schauspielerische Ausbildung an und muss im Vergleich zu seiner Partnerin Soo-jung Lim definitiv zurückstecken.
Bildlich ist I’m a Cyborg, But That’s OK hingegen wie erwartet ein wunderschönes Werk. Bereits die eröffnende Szene präsentiert dem Zuschauer die Credits des Films auf eine ideenreiche Weise und die flüssigen Kamerafahrten der folgenden 105 Minuten Laufzeit sind ebenso beeindruckend.
Die Bühnengestaltung ist malerisch in seinen Farben und untermauert die psychologische Wirkung von Farben in jeder Szene des Films. Auch die facettenreichen Bewohner der Irrenanstalt kann man zum unterhaltsamen Sortiment hinzuzählen. Sei es nun die jodelnde Sängerin, der Tischtennis-Künstler mit Formschwäche oder der rückwärts laufende Unfallpatient.
Doch all diese schönen Elemente und technischen Spielereien lassen einen nicht vergessen, dass der rote Faden das ein ums andere Mal zu reißen droht. Eine irre Liebesgeschichte in Pastellfarben, die den Zuschauer leider nur schleppend mit auf ihre Reise nimmt.
Am 13. Juli 2018 veröffentlichte capelight pictures das sympathisch-skurrile Cyborg-Märchen mit Kultstatus als 2-Disc Limited Collector’s Edition im Mediabook sowie auf DVD.
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