Spätestens als Taika Waititi auf dem Regiestuhl von Thor III: Tag der Entscheidung (2017) Platz nahm – einer der wenigen wirklich innovativen MCU-Filme, auf die sich Zuschauer und Kritiker einigen konnten – hatte sich sein Name in Hollywood festgesetzt.
Inzwischen hat der neuseeländische Autorenfilmer bereits einen Drehbuch-Oscar und viele Nominierungen für seine Nazi-Satire Jojo Rabbit (2020) eingeheimst, in der er höchstselbst – seines Zeichens jüdisch aufgewachsen – Adolf Hitler spielte.
Der Erfolg des Neuseeländers Taika Waititi
Zuletzt drehte er das gelungene erste Staffelfinale zur Erfolgsserie The Mandalorian. Außerdem arbeitet er am nächsten Thor-Film (Love and Thunder, geplant für 2022) und soll 2025 sein eigenes Star Wars-Projekt realisieren.
Kurzum: er ist auf dem Olymp Hollywoods angekommen und gehört im Filmbusiness sicherlich zu den gefragtesten Künstlern seiner Zeit. Doch wie begann die Karriere des kreativen Kopfes, der in seinen Werken zumeist nicht nur Regie führt, sondern auch die Drehbücher schreibt und in einer der Hauptrollen zu sehen ist?
Nach einer Reihe von Kurzfilmen, Serien (Flight of the Conchords, The Inbetweeners) und ersten hierzulande weniger bekannten Großleinwandprojekten (Eagle vs Shark – Liebe auf Neuseeländisch, Boy) gelang Waititi sein internationaler Durchbruch mit 5 Zimmer, Küche, Sarg.
Die etwas andere WG
Der Film, den er gemeinsam mit Co-Regisseur Jemaine Clement schuf, feierte auf dem Sundance Film Festival 2014 Premiere und gehört zum eher seltenen Genre der Mockumentary (vom Englischen „mock“ für „spotten, nachahmen“): einer fiktiven Dokumentation.
Darin begleitet eine Crew aus Dokumentarfilmern den ganz gewöhnlichen Alltag dreier Mitbewohner, die in einer vollkommen ungewöhnlichen WG leben. Denn sie sind allesamt Vampire. Genau diese Situation beschreibt der deutsche Titel tatsächlich einmal besser als der originale (Es gibt noch Wunder!).
Klingt What we do in the Shadows – so die OV – vielleicht noch deswegen passend, weil er viel zu ernst und vollmundig ankündigt, was am Ende einfach nur Klamauk ist, so leistet der deutsche Titel doch mehr. Er ist nicht nur komisch, sondern zugleich eine perfekte Beschreibung der Handlung.
Alltagsprobleme der Blutsauger-WG
Denn genau wie 5 Zimmer, Küche, Sarg ebenso gut ein Ebay-Kleinanzeigen-Inserat betiteln könnte, so geht es in dem Film genau um dieses Klein-Klein des Zusammenlebens von drei ungleichen Freunden. Es geht darum, dass Viago (Taika Waititi) sich daran stört, dass Deacon (Jonathan Brugh) nie den Abwasch übernimmt. Oder darum, dass Vladislav (Jemaine Clement) die jüngste Zurücksetzung durch „das Biest“ noch nicht verwunden hat.
Oder darum, dass er seine Gefühle versucht mit gierigem Trinken zu verdrängen und damit den anderen den Abend versaut. Dass dabei natürlich das gierige Trinken von Blut gemeint ist, fällt kaum noch auf, weil das Stinknormale an diesem WG-Leben bereits so skurril-lustig ist.
Lustiger wird es nur noch, als sich zu den drei Mitbewohnern, die alle mehrere Jahrhunderte alt sind, ein neuer junger Vampir namens Nick (Cori Gonzalez-Macuer) gesellt und die drei steinalten Mitdreißiger so plötzlich in einen Generationenkonflikt geraten. Ach ja, und dann gibt es noch Probleme mit der örtlichen Werwolf-Gang.
5 Zimmer, Küche, Sarg noch weiter zu beschreiben, würde den Genuss des Werkes nur schmälern. Es ist eine dieser besonderen Komödien, von der man am besten im Vorfeld möglichst wenig Trailer-Material gesehen haben sollte, um sich keinen Gag vorwegzunehmen. Nur als kleiner Appetithappen: Wir Zuschauer dürfen z.B. beobachten, wie die drei untoten Freunde krampfhaft versuchen, die Türsteher vor einer Disco dazu zu bewegen, sie höflich hineinzubitten, weil sie sonst die Türschwelle nicht übertreten dürfen.
Buddy-Komödie trifft auf Einsatz in 4 Wänden
Ähnlich wie der erst vor einiger Zeit erschienene Good Boys (2019), der es auf großartige Weise schaffte, den Witz der American Pie-Filme einfach dadurch zu steigern, dass 12-jährige Jungs aussprechen, was sie selbst noch überhaupt nicht verstehen, so haben Waititi und Clement hier eine Mischung aus herkömmlicher Buddy-Komödie und Einsatz in 4 Wänden geschaffen, die durch einen einzigen absurden Gedanken, dem Genre neues Leben einhaucht.
In der Post-Twilight-Ära, in der es aber auch schon genug ernstzunehmende Vampirgeschichten zu sehen gab, ist der mythologische Cocktail, den dieser Film bietet, ein abwechslungsreiches Novum. Die drei Mitbewohner sind nämlich echte Vampire und damit notgedrungen schurkenhafte Serienmörder. Dass dieser Abgrund bei Viago, Vladislav und Deacon aber auf eine Verschrobenheit trifft, die allzu menschlich daherkommt, macht die Satire auf die spießigen Peinlichkeiten des Erwachsenendaseins perfekt.
Die 85 Minuten Laufzeit folgen keinem klassischen Spannungsbogen, sondern passen eher mosaikartig zusammen. Das ist jedoch nicht nur gewollt – schließlich gingen Taika Waititi und Jermaine Clement lange Jahre als prämiertes Comedy-Duo The Humourbeasts auf Tour und stellten 5 Zimmer, Küche, Sarg aus etwa 125 Stunden Impro-Szenen zusammen – es ist vielmehr durch das Genre der Mockumentary auch perfekt gerechtfertigt und gelungen arrangiert.
Ein ulkiges & kurzweiliges Gesamtpaket
Einen kleinen Fluchtpunkt bietet die Handlung aber doch, als sich mit dem Untoten-Ball das große Festevent der Unterwelt anbahnt und parallel dazu Vampirjäger auf die im Schatten lebende WG aufmerksam werden. Gibt es bei all dem Lob einen Wermutstropfen? Vielleicht einen winzigen.
Der Film ist nicht der große Wurf. Das will er zwar auch nicht sein, hätte wohl aber das Potential zu ein wenig mehr Doppelbödigkeit oder gar virtuos orchestrierter Sozialkritik durchaus gehabt.
Trotzdem: 5 Zimmer, Küche, Sarg ist eine so erfrischende wie kurzweilige Portion blanker Humbug.
Dieses ulkige Gesamtpaket eines Films beweist, dass Waititi ein liebenswerter und innovativer Komödiant ist, der uns hoffentlich – neben all den Franchise-Baustellen, an denen er momentan arbeitet – weiterhin originäre Stoffe präsentieren wird, die jedem guten Laune bereiten, der nicht gerade ein mürrischer 8000-Jahre alter Nosferatu ist.
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