Die Filmemacherin Agnès Varda und den Streetart-Künstler JR trennen 55 Jahre Lebenserfahrung. Doch im Jahr 2017 wurde dieses ungleiche Paar durch die Kunst und ein gemeinsames Vorhaben vereint.
Während die 90-jährige Regisseurin und Installationskünstlerin durch Dokumentationen wie Black Panthers (1968) oder Ulysse (1981) zur Großmutter der Stilrichtung Nouvelle Vague wurde, kreiert der Fotograf JR großflächige Poster, die er an Hauswänden zur Schau stellt.
Unterwegs auf den Straßen Frankreichs reist das dynamische Duo in der Dokumentation Augenblicke: Gesichter einer Reise (englischer Titel: Faces Places) mit einem einzigartigen Fotomobil umher, um Frankreichs Menschen und ihre Geschichten zu entdecken und zu verewigen: in überlebensgroßen Porträts an Fassaden, Zügen und Schiffscontainern.
Ohne konkreten Plan fahren sie von der Provence bis zur Normandie, sprechen mit den Bewohnern des Landes und hören sich ihre Geschichten an. Egal ob Kellnerin, Briefträger oder Tagträumer – Varda und JR wollen mit ihrer Kunst das Leben festhalten und anderen Menschen präsentieren. Begrüßt werden sie bei ihrem Projekt immer voller Herzlichkeit und Freundlichkeit.
Das Zusammentreffen der beiden französischen Künstler in Augenblicke: Gesichter einer Reise ist eine Reise voller Poesie und Kunst. In vielen Kleingeschichten werden dem Zuschauer einzigartige Menschen und Bauwerke vorgestellt und spontan als Kunstwerk festgehalten.
Sei es nun eine überdimensionale Frau mit Regenschirm inmitten des Stadtkerns, drei Ehefrauen von Hafenarbeitern auf gestapelten Containern oder eine gehörnte Ziege abseits der Zivilisation. Die rüstige Varda und ihr Begleiter verschönern alte Hauswände voller Elan und Tatendrang und stellen Mensch und Tier in den Mittelpunkt.
Als Zuschauer erhält man nicht nur einen Einblick hinter die Kulissen und erfährt über die Planung und Entwicklung der Kunst, sondern beobachtet auch mit welchem Gespür und welcher Ehrlichkeit die zwei Künstler den Menschen ihr Vorhaben und ihre Träume vermitteln.
Zudem wirkt es oftmals so, dass der Fotograf JR Dreh- und Angelpunkt ist, da er mit seinem Team die Kunstobjekte entwirft und anbringt. Agnès Varda, vor allem dem hohen Alter geschuldet, trabt meist etwas hinterher und wirkt ab und an etwas verloren und träumerisch in der Welt.
Die Kunstwerke, die in dem Film geschaffen werden, sind jedoch beeindruckend anzusehen und auch wenn sie dem Wetter nicht immer standhalten, vermitteln sie eine Botschaft, die berührend und ehrlich ist. Eine Botschaft, die im Jahr 2018 für den Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm nominiert war.
Alles in allem ist Augenblicke: Gesichter einer Reise ein leichtes Werk, das von seinen imposanten Bildern und den Geschichten der Leute lebt, die im Dialog mit Varda und JR ans Tageslicht kommen.
Der Zuschauer wird auf eine Reise mitgenommen, die neben einer kuriosen Freundschaft vor allem Frankreich und seine Menschen in den Vordergrund stellt und an Orte entführt, die man sonst nie wahrgenommen hätte.