Der Regisseur Wim Wenders gilt als Aushängeschild des deutschen Kinos. Internationale Bekanntheit erlangte er nicht nur durch die Musiker-Dokumentation Buena Vista Social Club (1999), sondern ebenso als er mit dem Tanz-Film Pina 2012 für den Oscar Beste Dokumentation nominiert wurde.
Auch auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes war Wenders zahlreich vertreten und ist ein gern gesehener Gast. Im Jahr 1987 durfte Wenders die Auszeichnung für die beste Regie mit nach Deutschland nehmen. Sein damaliges Werk: Der Himmel über Berlin (1987).
Doch was steckt hinter dem 127-minütigen Fantasy-Drama? Ein hypnotisches Meisterwerk oder ein Nerven strapazierendes Geschwafel?
Als das Kind Kind war, wußte es nicht, daß es Kind war, alles war ihm beseelt, und alle Seelen waren eins. – Lied Vom Kindsein von Peter Handke
Die beiden Engel Damiel und Cassiel wachen über die Menschen und lauschen Tag für Tag den Gedanken der Sterblichen. Es ist ihnen zwar nicht vergönnt aktiv in das Leben dieser einzugreifen, aber sie können ihnen neuen Lebensmut zuflüstern.
Eines Tages trifft Damiel auf die Trapezkünstlerin Marion und verliebt sich in diese. Zunehmend wächst in ihm der Wunsch, das Leben eines Menschen zu führen. Doch dies hat seinen Preis. Er gibt seine Unsterblichkeit auf, um das zu erleben, was Engeln vorenthalten bleibt: die irdische Existenz und die sinnliche Erfahrung des Menschseins.
Dieses große Opfer will Schauspieler Bruno Ganz (Der Baader Meinhof Komplex) aufbringen. Der Schweizer Schauspieler und seit 1996 der Träger des Iffland-Ringes übernimmt den Part des lebenshungrigen Boten Gottes, der sich nach der Schwere der Menschen sehnt. Mit einer intensiven Ausstrahlung und einer fesselnden Darstellung bindet er den Zuschauer in jeder seiner Szenen an die Leinwand.
Dieser fühlbaren Schwere eines Ganz steht die menschliche Leichtigkeit der Marion entgegen. Dargestellt von der französischen Schauspielerin Solveig Dommartin bildet sie das Gegenstück zum melancholischen Damiel.
Die bedrückende Handlung wird von Kameramann Henri Alekan in ansehnlichen Bildern festgehalten, welche teilweise den gesprochenen Monolog der Darsteller vollkommen in den Schatten stellen und verstärkt den Fokus auf den visuellen Genuss lenken.
All zu oft ist es der Fall, dass das philosophieren der Engel oder der Erdbewohner beiläufig dahinplätschert. Während Damiel die Gedanken und Gefühle der Bewohner Berlins liest, nimmt der Zuschauer diese zwar wahr, ein großer Zusammenhang bleibt jedoch verwehrt.
Wim Wenders nimmt sich Zeit. Zeit um seine Figuren einzuführen, Zeit um ihren Gemütszustand vorzuführen. Doch der Blick auf das Leben und Treiben in Berlin entfernt sich von Minute zu Minute von einem unterhaltenden Sehvergnügen hin zu einer nachdenklichen Odyssee über die Bedeutung der Existenz und die Vergänglichkeit des Lebens.
Vergleichbar mit einem Film aus der Feder des Regisseurs Terrence Malick (The Tree of Life) verzichtet auch Der Himmel über Berlin streckenweise auf eine klare Handlung und nimmt seinen Betrachter mit auf eine schwebende Reise durch Berlin. Es ist eine traurige Reise auf die man sich einlassen muss, da man sonst schnell den Anschluss und das Interesse an all der Melancholie und Einsamkeit verlieren kann.
Umrahmt von Peter Handkes Gedicht Lied vom Kindsein ist Der Himmel über Berlin durch seine zähe Erzählstruktur und spezielle Machart durchaus ein Werk, welches sein Publikum erschwert sucht. Doch ohne Frage wurde der Film von vielen Cineasten zu einem gefeierten Meisterwerk erkoren und erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit.
Auf diesem Grunde wurde am 17. Mai 2017 Der Himmel über Berlin in einer aufwendig restaurierten Fassung veröffentlicht, die dank wiederentdecktem Originalmaterial dem Kultfilm einen neuen Anstrich verleiht, ohne die Ursprünge zu verfälschen.
Hinzu kommt ein umfangreiches Bonusmaterial, das neben einem Interview mit Wim Wenders auch geschnittene Szenen mit Kommentaren und den Original-Trailer enthält. Ebenfalls liegt ein 24-seitiges Booklet dem Film bei.
Letztendlich ist Der Himmel über Berlin ein zweischneidiges Schwert, welches das Publikum zum Flug über Berlin mitnehmen kann und die Bedeutung des Menschseins reflektiert, oder es erreicht mit seiner Botschaft den Zuschauer nicht und wird als überlanges Sermon abgetan.
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