Wenn der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro ein neues Werk in die weltweiten Lichtspielhäuser bringt, kann man sich sicher sein, dass der Filmschaffende viel Zeit und vor allem Herzblut in das Projekt hineingesteckt hat. Denn trotz einer knapp 25-jährigen Laufbahn hinter der Kamera hat del Toro eine überschaubare Anzahl an Filmen als Regisseur realisiert und bringt lediglich alle zwei bis vier Jahre eine neue Geschichte heraus.
Nach unter anderem Blade II (2002), den Hellboy-Filmen (2004/2008) und seinem bisherigen Vorzeigewerk Pans Labyrinth (2006) hat der Regisseur nun sein neuestes Monster kreiert und in Shape of Water – Das Flüstern des Wassers entfesselt.
Wenn ich darüber sprechen würde, wenn ich das täte, was würde ich ihnen erzählen? Das frag ich mich.
Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges im Jahr 1963 versuchen die Amerikaner ihren Feinden immer einen Schritt voraus zu sein. Im versteckten Hochsicherheitslabor der Regierung arbeitet die einsame Elisa (Sally Hawkins), gefangen in einem Leben der Stille und Isolation. Elisas Leben ändert sich für immer, als sie und ihre Kollegin Zelda (Octavia Spencer) ein als geheim eingestuftes Experiment entdecken.
Eines Tages betritt Sicherheitschef Strickland (Michael Shannon) die Einrichtung und hat ein Objekt mitgebracht, das nicht den Verlauf des Krieges ändern wird, aber mit Sicherheit das Leben der stillen Elisa.
Strickland hat in den Tiefen des Amazonas Südamerikas einen Amphibien-Mann eingefangen, der dort von den Einheimischen gottgleich verehrt wurde. Nun liegt der Wassermann auf dem Seziertisch der Wissenschaftler und muss nach jeder Untersuchung und der dazugehörigen Folter zurück in seinen Wassertank. Nach anfänglicher Angst entwickelt Elisa während ihrer Arbeit immer mehr Mitleid und Zuneigung dem fremden Wesen gegenüber.
Und schon bald muss sie sich fragen, wer eigentlich das Monster ist? Der Amphibien-Mann oder die Menschen?
Der meisterhafte Geschichtenerzähler Guillermo del Toro entführt mit seiner poetischen Liebesgeschichte in eine von ihm gewohnt zauberhafte Welt, die voller Details und Hinguckern strotzt. Doch wie schafft es der Regisseur abermals eine düstere Welt zu erschaffen, in welcher die Liebe und Magie Hand in Hand einhergehen und dem Zuschauer Hoffnung schenken?
Die Geschichte des Films Shape of Water – Das Flüstern des Wassers vereint im Grunde alle klassischen Elemente einer Liebesgeschichte, die unter schlechten Sternen beginnt. Eine Romeo und Julia Geschichte zwischen einem Wassermonster und einer stummen Putzhilfe.
Ebenso wie auch Elisa zunächst skeptisch gegenüber dem schleimigen Wesen ist, verfolgt man als Zuschauer glaubhaft ihren Wandel und die Annäherung an die fremde Spezies. Bei seiner Erzählung gleicht der Film einem Märchen, das von einem Erzähler vorgetragen wird und immer wieder fragt man sich, ob die Geschichte tatsächlich gut ausgehen oder ob nicht doch das Böse in der Welt gewinnen wird.
Höchst sensibel erlebt der Zuschauer dabei die britische Schauspielerin Sally Hawkins (Godzilla) als Prinzessin ohne Stimme. Ohne Worte erkennt man in jeder ihrer Szenen ihre Emotionen und ihre Liebenswürdigkeit. Dem gegenüber steht das wahre Monster des Films: Michael Shannon (Take Shelter) als Strickland.
Der brutale Sicherheitschef erweckt in Windeseile die Wut der Zuschauer und stellt den optimalen Antagonisten dar, welcher droht dem Märchen sein Happy End zu stehlen. Michael Shannon verleiht seiner Figur dabei eine enorme Tiefe, wobei wir seine Figur nicht nur im Hochsicherheitslabor erleben, sondern ebenso sein Wirken daheim bei der Familie oder im lokalen Autogeschäft.
In den Nebenrollen glänzt unter anderem Octavia Spencer (Hidden Figures) als Zelda, dem Sprachrohr Elisas. Als loyale Freundin sorgt sie nicht nur für eine weitere Portion Herz, sondern dank ihrem losen Mundwerk auch für gut platzierten Humor. Eine Aufgabe, die auch Nachbar und Freund Giles, dargestellt von Richard Jenkins (The Cabin in the Woods), hervorragend meistert. Der schwule Grafiker einer Werbeagentur ist nicht nur Freund und Helfer der stummen Nachbarin, sondern ebenso ein Fremdkörper in der Welt von 1963.
Für die Rolle der namenlosen Kreatur kam abermals Doug Jones zum Einsatz, der für del Toro unter anderem schon als Wassermann Abe Sapien in den Hellboy-Filmen in einem ähnlichen Kostüm zu sehen war. Ebenso still wie die Protagonistin des Films kommuniziert er lediglich über Geräusche und die erlernte Zeichensprache.
Abseits der Schauspielerei weiß das Werk auch visuell zu überzeugen. Nicht nur das Kostüm des Wassermenschen fügt sich gekonnt in die Welt ein, auch das restliche Setting ist eine Mischung aus düsteren Labors und bunter Außenwelt. Wahrlich märchenhaft!
Wasser nimmt die Form aller Gefäße an, in denen es enthalten ist – und obwohl Wasser so sanft ist, ist es zugleich die machtvollste und wandelbarste Kraft des Universums. Und genauso verhält es sich mit der Liebe, nicht wahr?
Egal in welche Form wir Liebe hineingießen – sie wird zu dieser Form, sei es ein Mann, eine Frau, oder eine Kreatur.
Regisseur Guillermo del Toro hat mit Shape of Water – Das Flüstern des Wassers sein vielleicht bestes Werk abgeliefert, welches seine Stellung als visueller Regisseur hoffentlich nicht nur festigen wird, sondern ihm Türen für weitere außergewöhnliche Projekte öffnet. Shape of Water ist keinesfalls nur ein Flüstern des Wassers – es ist ein lauter Aufschrei des Meeres!
Auch wenn die Wartezeit auf sein nächstes Werk wieder eine quälende Länge sein wird, darf man sich bei dem eindrucksvollen Märchenerzähler schon jetzt auf seine neueste Geschichte und eine fabelhafte Welt voller Magie freuen.
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