Flatliners (2017) | Filmkritik

Flatliners (2017)

Wir Menschen sind fehlbar und unvollkommen. Doch wenn Hollywood uns etwas gelehrt hat, dann dass wir nur einen kleinen Schritt von absoluter Perfektion entfernt sind. Die Drogen in Lucy, die Pillen in Limitless oder das Superserum in Captain America: The First Avenger helfen dem schwachen alten Körper rasch auf die Sprünge und machen uns zu einem besseren Wesen. Doch was, wenn das alles noch einfacher wäre? Was wäre, wenn wir nur sterben müssten um über uns hinauszuwachsen? Es wäre alles so viel einfacher!

Ein Zauberwürfel wäre nicht mehr als ein Kugelschreiber, wir könnten unendlich viele Bücher auswendig lernen, das Brot von unserer Großmutter endlich kochen ohne auf das Rezept zu gucken und wir hätten immer und zu jeder Zeit Lust auf Sex; zumindest, wenn es nach dem Film Flatliners geht. Aber birgt eine Reise ins Jenseits auch Nachteile? Kann es eventuell Gefahren mit sich bringen, sich von eben jenen Leuten kurzzeitig töten zu lassen, dessen Inkompetenz ein paar Szenen früher noch der Witz war? All das und noch viel mehr, verpackt in einer 90-minütigen Scrubs-Folge flimmert aktuell über die Kinoleinwände. Und es ist dabei bei Zeiten sogar ganz unterhaltsam.

Courtney (Ellen Page) ist Medizinstudentin. Mit ihren Kolleginnen Ray (Diego Luna), Marlo (Nina Dobrev), Jamie (James Norton) und Sophia (Kiersey Clemons) besucht sie das Universitätsklinikum XY in Stadt Z. Während der Spielort des Films (Drehort war Toronto) komplett irrelevant ist, bringt uns schon bald Dr. Barry Wolfson (Kiefer Sutherland – wohl eine Hommage an das Original aus dem Jahr 1990 – auf den Boden der Tatsachen. Dieses Krankenhaus will nicht Leute ausbilden, sondern in ihnen den Drang zu Experimenten und Forschung wecken.

Sie sollen keine Nerven und Knochen auswendig lernen. Sie sollen verstehen, sich entwickeln und die Welt verbessern. Wie gut es sich doch ergibt, dass mit Courtney eine äußerst ambitionierte Studentin in den Reihen sitzt, welche schon bald all die wichtigsten Studenten mit auf eine Reise nimmt, die sie nie vergessen werden. Denn während andere Studenten nur Menschenleben retten wollen, hat die junge Medizinerin das wichtigste schon längst erkannt. Das Jenseits muss erforscht werden. Und wer anders sollte das tun, wenn nicht sie selbst?

Also verabredet sie sich im Keller des Krankenhauses, um ihr eigenes Herz für ein paar Sekunden zu stoppen. Was kann schon schiefgehen?

Die Charaktere, welche sich zu Beginn des Films nur flüchtig kennen, treffen sich so zufällig und witzig, dass man eigentlich gar nicht mehr darüber nachdenken kann. Zwar scheinen alle bereits miteinander „per Du“ zu sein, doch hat man nicht den Eindruck man würde Freunde verfolgen. Vielmehr treffen sich die fünf mehr oder weniger durch einen Unfall, bevor sie sich gegenseitig die Treue und Schweigen schwören. Klar passiert das sehr rasant und nicht wirklich nachvollziehbar, aber wer nach den ersten paar Szenen noch mehr von diesem Stück erwartet sitzt ohnehin im falschen Film.

Wenn sich die Gruppe nämlich findet, beginnt der Spaß erst richtig. Denn plötzlich scheint es, die junge Courtney habe bei ihrer kleinen Expedition nicht nur einen Blick in das Jenseits geworfen, sondern auch etwas mit sich zurückgebracht. Ihr Gedächtnis scheint besser als zuvor, sie denkt schneller und wirkt allgemein plötzlich euphorisch und aufgedreht. Nachdem auch schnell ihre Mitstudenten auf den Geschmack kommen und nur allzu gerne dieselben Kräfte wie Courtney erlangen wollen, eröffnet sich den jungen angehenden Doktoren jedoch, dass sie aus dem Jenseits nicht nur positives verfolgt. Mysteriöse Begebenheiten häufen sich und aus einem anfangs lustigen Spiel wird schon bald tödlicher ernst.

Wo der Film spielt ist nicht besonders wichtig und auch die Charaktere selbst erfüllen mehr ihren Zweck als Archetypen. Ellen Page (Juno) als Hauptdarstellerin ist etwas überdurchschnittlich intelligent, steht etwas über ihren Kommilitonen, hat aber dennoch ein Herz aus Gold. Kiersey Clemons (Dope) als Sophia wird von ihrer Mutter unterdrückt und zweifelt immer wieder an sich selbst, ob ihre Karriere als Doktorin überhaupt einen Sinn macht. Diego Luna (Rogue One: A Star Wars Story) scheint als Ray deutlich erfahrener und weiser als seine Kommilitonen, bleibt aber bis zuletzt ein eher undurchsichtiger Charakter.

Nina Dobrev (xXx 3: The Return of Xander Cage) spielt die schüchterne Marlo, die sich immer wieder versucht als weibliche Medizinerin zu etablieren, sieht sich aber zu häufig übergangen und als hübsche Frau abgestempelt. James Norton (Grantchester) spielt als Jamie eine so unglaublich hohle und sinnlose Rolle, dass eben genau er dem Film hilft nie zu seriös zu wirken. Der reiche und stinkfaule Student arbeitet nicht auf einen Doktortitel hin um Menschen zu helfen, sondern sieht es vielmehr als ein Ticket nach Hollywood, um dort als Schönheitschirurg reich und berühmt zu werden. Diese herrlich oberflächliche Rolle verhilft dem Film zu einigen Lachern und hebt immer wieder die Stimmung, wenn sich Flatliners wieder zu ernst zu nehmen scheint.

Was dem Film jedoch den Hals bricht ist nicht sein Verlass auf altbekannte Horrorfilm Klischees, nicht mal seine hohlen Charaktere, auch nicht seine vorhersehbare Geschichte, sondern seine Technik. In der ersten Jenseitssequenz mit Courtney (Ellen Page) zeigt der Film vielleicht kein Feuerwerk an neuen visuellen Effekten, aber er zeigt sich interessant, überraschend und mit guten Bildern. Genau wegen diesen Bildern ist es so schwer verständlich warum so viele spätere Sequenzen in unsäglich schlechten Green Screen Räumen mit umso schlechteren Hintergründen umgesetzt wurden.

Warum ist die erste Sequenz so schön, wenn man sich später immer wieder in einem Silent Hill Spiel vor der Jahrtausendwende wiederfindet. Ob es dem Budget, dem Desinteresse oder einem schlechten Team zuzusprechen ist, ist nicht nachvollziehbar. Fakt ist jedoch, dass eben diese Sequenzen den Zuschauer immer wieder aus dem Film reißen und weiter von der ursprünglich toll umgesetzten ersten Szene entfernt.

Flatliners ist simpelste Horrorkunst. Wer in Zeiten von unzähligen Fortsetzungen der Insidious– und Conjuring-Reihen mehr erwartet als schnelle, simple Kost mit dem ein oder anderen Jumpscare hier und da, sollte sich nicht in diesen Film setzen. Denn auch wenn der Trailer vielleicht eine tiefe und spannende Geschichte über die Erörterung des Jenseits verspricht, so verfällt der Film schon schnell in altbekannte Klischees.

Zu viele Fragen bleiben am Ende unbeantwortet. Zu häufig scheint die eigentliche Prämisse und Idee des Films vergessen. Der Film bleibt dabei einfacher Durchschnitt und hat mit Jamie sogar einen Charakter, der des Öfteren zur richtigen Zeit den richtigen dummen Spruch auf den Lippen hat, um den Film unterhaltsam zu machen. Würde der Film mit seinem Verlauf nicht immer mehr an visuellen Effekten sparen, wäre er sogar wirklich ein paar Punkte mehr wert. Leider gibt sich der Film mit seinem sonstigen Durchschnittsmaterial so selbst den Todesstoß.

Regie: Niels Arden Oplev
Drehbuch: Ben Ripley
Musik: Jacob Groth
Darsteller: Ellen Page, Diego Luna, Nina Dobrev, James Norton, Kiersey Clemons, Kiefer Sutherland

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