Immer noch jung – 15 Jahre Killerpilze (2017) | Filmkritik

Immer noch jung - 15 Jahre Killerpilze

Sie prägten Generationen, sorgten für volle Konzerthallen und heisere Kehlen ihrer weiblichen Fans: Boybands. Ob *NSYNC, die Backstreet Boys, One Direction, Boyz II Men oder New Kids On The Block, das Phänomen der Boybands kennt kein Ende und junge Mädchen weltweit hängen ihre Zimmer mit immer neuen Gesichtern ihrer Liebslings-Band zu.

Fragt man nach einer deutschen Boyband kommt den meisten Leuten wohl ein Name direkt ins Gedächtnis: Tokia Hotel. Die geschminkte Truppe rund um Bill Kaulitz regierte die Charts von 2005 bis 2009 pausenlos und auch danach waren die Verkäufe ihrer Alben noch hoch. Doch es gab eine kleine, rebellische Punkrock-Band, die etwas vom Kuchen abhaben wollte. 2002 gründeten Johannes ‚Jo‘ Halbig und sein bester Freund Andreas ‚Schlagi‘ Schlagenhaft die Band mit dem wohl schlimmsten Namen der Musikszene: Killerpilze!

Unter der Regie von David Schlichter und Fabian Halbig, dem Schlagzeuger der Band, wurde nun die einzigartige Geschichte der jüngsten Teenie-Band Deutschlands ein filmisches Denkmal gesetzt. Aufstieg, Fall und Wiederauferstehung werden mit zahlreichen Archivmaterial-Aufnahmen gezeigt und die Band präsentiert sich dabei offen und ehrlich. Ein authentischer Einblick hinter die Kulissen der deutschen Musiklandschaft der 00er Jahre.

Die Geschichte fängt dabei in der kleinen Stadt Dillingen an der Donau an und der Tatsache, dass Schlagi eine Klasse wiederholen muss. Mit dem Ansatz eines Bartes und der Zigarette in der Hand stellt er im Jahr 2002 dem 13-jährigen Jo eine neue Welt vor: Punk. Auch wenn keiner der beiden Jungen ein brauchbares Instrument spielt, sind sie Feuer und Flamme eines Tages auf einer richtigen Bühne zu spielen. Als dann auch noch Mäx mit seiner Gitarre dazustößt und Jos kleiner Bruder Fabi zu Weihnachten ein Schlagzeug geschenkt bekommt, scheint die Bandgeschichte sich wie von selbst zu schreiben.

In ihrer freien Zeit, abseits der Schule und des Fußballtrainings, findet man die vier Kinder fortan nur noch im Proberaum, wo eigene Songs geschrieben und die Instrumente erlernt werden. Und dann folgen auch schon die ersten Auftritte, zu welchen man vom Vater kutschiert wird und 10-jährige Fabi pünktlich nach Hause muss, während seine Freunde noch eine Zugabe spielen.

Und dann geht alles Schlag auf Schlag: Wettbewerbe werden gewonnen, Produzenten werden aufmerksam und der Major-Plattenvertrag ist in der Tasche. Die jüngste Boyband Deutschland steht an der Spitze und ziert das Cover der BRAVO, füllt Konzerthallen und reist durch ganz Europa. Es scheint als hätten die vier Freunde aus Dillingen alles erreicht, was sie sich jemals erträumt hatten!

Aber der Traum platz eher als es der Band liebt ist. Nach dem Ausstieg von Schlagi und dem überraschenden Aus bei der Major-Plattenfirma drohte der Sturz in die öffentliche Belanglosigkeit. Die Killerpilze wollen sich aber nicht unterkriegen lassen und stecken einen Schicksalsschlag nach dem anderen weg, nur um gestärkt zurück auf die Bühne zu kommen! Doch sind auch ihre treuen Fans noch mit am Start oder wird fortan in leeren Hallen gerockt?

Groß geworden in einer Zeit, in welcher man dank Handys und Digitalkameras sein gesamtes Leben dokumentieren kann, entstand Immer noch jung – 15 Jahre Killerpilze als eine Art modernes Tagebuch, in welchem die Bandmitglieder auf eine ganz exklusive Backstage-Tour entführen.

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Dabei gibt es nicht nur Bildmaterial aus der Kindheit, auch die Anfänge in der Garage und erste Proben zeigen, wie ehrgeizig und abgeklärt die Kinder in ihren jungen Jahren schon waren. Besonders diese einfachen Momente präsentieren ein ehrliches Bild der Band, welche so schnell mit Ruhm und Erfolg in Berührung kamen. Aber auch die Schattenseiten, die das schnelllebige Rockerleben mit sich bringt, werden ungeschönt angesprochen. Der Tod eines Familienmitglied oder der plötzliche Ausstieg Schlagis sind dabei die emotional stärksten Momente des Films, für welche man sich sogar noch mehr Zeit hätte nehmen können.

Auch wenn Schlagi selbst zu Wort kommt, wird nach seinem Ausstieg nicht mehr viel über den jungen Rebell berichtet, der den Kommerz fürchtete und nicht als BRAVO-Figur verpönt werden wollte. Auch das Thema Drogen, Naivität und Größenwahn hätte in diesem Themenfeld noch etwas intensiver angesprochen werden können. Denn wenn vier Kinder zu solch einem Erfolg kommen, kann dies nicht spurlos an ihnen vorbeigehen.

Zum Ende hin widmet sich der Film aber lieber dem Kampf zurück zur Relevanz und auf die großen Bühnen. Hier nimmt sich Immer noch jung – 15 Jahre Killerpilze seine Zeit, um zu zeigen wie unergiebig und zielstrebig die drei verbleibenden Bandmitglieder selbst Hand anlegen, um ihren Fans und Kritikern zu beweisen, dass sie immer noch da sind und bereit sind zu rocken! Crowdfunding, Auftritte in der Fußgängerzone und das Verteilen von Flyern – die Killerpilze setzen alles daran, um in den Köpfen der Leute präsent zu sein.

Kommentiert wird der Film nicht nur von den vier Jungen Jo, Fabi, Mäx und Schlagi. Auch Wegbegleiter wie Klaas Heufer-Umlauf, Jennifer Rostock, Felix Brummer (Kraftklub) und Michael ‚Curse‘ Kurth sowie Produzenten, Manger und viele mehr kommen zu Wort und schildern ihre Sicht der Dinge.

Immer noch jung – 15 Jahre Killerpilze erzählt eine musikalische Reise, die im Jahr 2002 beginnt und bis zum Album-Release von High (2016) andauert. Die Killerpilze lachen, weinen und rocken zusammen. Und immer wieder müssen sie sich rechtfertigen, warum sie solch einen bekloppten Namen für die Band gewählt haben.

Cast & Crew

Regie: David Schlichter, Fabian Halbig
Musik: Killerpilze
Darsteller: Johannes Halbig, Fabian Halbig, Maximilian Schlichter, Klaas Heufer-Umlauf, Jennifer Rostock

Bewertung

Trailer

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