Ja, es gibt sie noch; diese Filme im Kino, bei welchen man im Vorfeld nicht schon weiß wie alles am Ende ausgehen wird. Bei welchen ein ewig langer Trailer nicht die besten Szenen verrät und man dank der offiziellen Synopsis eins und eins zusammenzählen kann. mother! ist eines dieser Werke, welches von seinem Geheimnis lebt und welches man am besten ohne jegliches Vorwissen sehen muss. Denn das mysteriöse Werk mit Drama und Thriller-Elementen lebt von seiner Entwicklung und seinen Wendungen. Deswegen werden wir auch in dieser Kritik auf Spoiler verzichten, um den Sehgenuss aufrecht zu erhalten.
Regisseur Darren Aronofsky ist nicht gerade für leichte Kost bekannt. Die meisten seiner Filme fühlen sich an wie ein harter Schlag in die Magengrube, wo man bei den rollenden Credits erst einmal das Gesehene verdauen muss und noch einige Zeit nach der offiziellen Laufzeit eines Films über Dialoge, Bilder und Inhalt nachdenkt. Sei es das Drogen-Quartẹtt in Requiem for a Dream, der gescheiterte Kämpfer in The Wrestler oder die hübsche Ballerina in Black Swan. Aronofsky entführt uns hinter die Kulissen einer scheinbar heilen Welt und zeigt uns Wunden, die normalerweise im Schatten verschwinden.
Auch mother! schlägt eine ähnliche Richtung ein. Erzählt wird eine Geschichte, die von Minute zu Minute an Intensität gewinnt, jedoch bei einem gefühlten Nullpunkt beginnt. Man taucht ein in die Abgründe einer Beziehung zwischen Liebe, Hingabe und Aufopferung!
Ein verliebtes Paar lebt zusammen in einem großen viktorianischen Haus umringt von Wiesen und Wäldern. Keine Nachbarn scheinen das Paar zu stören. Während der Mann (Javier Bardem) Tag für Tag an seinen Gedichten schreibt, um die perfekte Kreation zu entwickeln, kümmert sich seine junge Ehefrau (Jennifer Lawrence) um das Haus.
Liebevoll dekoriert sie die Zimmer, verpasst den Wänden einen neuen Anstrich und ist für ihren Mann die perfekte Ehefrau. Doch eines Tages lassen sie das Ungewisse ins Haus. Es klingelt an der Tür und plötzlich steht ein fremder Mann (Ed Harris) vor ihnen.
Während die junge Ehefrau skeptisch ist und Angst vor dem Unbekannten hat, bittet der Dichter den Mann ins Haus und scheint direkt mit ihm vertraut. Als kurze Zeit darauf auch noch dessen Frau (Michelle Pfeiffer) in das riesige Anweisen einzieht, scheint das Unheil seinen Lauf zu nehmen. Anstatt, dass die beiden Fremden sich verabschieden, kommen nach und nach weitere Menschen in die ländliche Gegend und stören die Ruhe und den Frieden des Ehepaars. Die Beziehung des Dichters und seiner Frau wird auf eine harte Probe gestellt, während die ungebetenen Gäste den Alltag zerstören.
So simpel sich die zugrundeliegende Handlung von mother! anhört, so komplex ist das Geschehen auf der Metaebene. Als Zuschauer betrachtet man über einen gefühlt nie enden wollenden Zeitraum ein Beziehungsdrama mit relativ wenig Spannung und Sinn in all dem Gewirr. Immer wieder wird man mit Szenen und Dialogen konfrontiert, die man zunächst nicht einordnen kann oder dessen Dasein irrelevant wirken. Bei einer Laufzeit von exakt zwei Stunden ertappt man sich bereits nach kurzer Zeit gähnend auf die Uhr starrend, weil die Handlung scheinbar vor sich dahin zu plätschern scheint.
Doch nach und nach lüftet sich der Schleier des Films und ein jeder wird irgendwann zu dem Punkt kommen, an dem es Klick macht. An dem all die kleinen Puzzleteile des Films sich zu einem Gesamtwerk verbinden und man beginnt zu verstehen. Beginnt zu verstehen warum die Figuren zuvor so handelten, warum das Haus all seine mysteriösen Ecken beherbergt und warum der Dichter und die Ehefrau so unterschiedlich auf die Fremden reagieren.
Ob die Wartezeit auf diese Erkenntnis die schleppende Langeweile rechtfertigt muss jeder für sich entscheiden. Doch wenn der Abspann beginnt zu rollen, ist auch dieser Film von Darren Aronofsky noch nicht zu ende.
Viele kleine Bausteine sind noch nicht zusammengesetzt worden und ein wiederholtes Sehen des Films bietet sich an. Ein weiterer Grund warum mother! seine Zuschauer in der Anfangsphase nicht direkt verliert, sind zudem seine zwei Hauptdarsteller. Die beiden Oscar-Gewinner Jennifer Lawrence (Silver Linings) und Javier Bardem (No Country for Old Men) agieren in diesem Kammerspiel fesselnd und bauen eine Anspannung auf, dessen Knoten jederzeit zu platzen droht. Ihre komplett verschiedenen Figuren, die liebevolle Ehefrau und der gutgläubige Dichter, scheinen lediglich von ihrer endlosen Liebe verbunden.
Dass mother! kein Ausflug für jeden Kinogänger sein wird, sollte einem bewusst sein. Das Werk polarisiert und spaltet sein Publikum. Gähnende Langeweile oder intelligentes Meisterwerk. An den Kinokassen wird es der Film jedenfalls keineswegs leicht haben, denn so atemberaubend sein Finale auch ist, so ernüchtern ist der langwierige Weg dahin. mother! ist visuell grandios, erzählerisch komplex und schauspielerisch packend. Und doch ein Film, der viel Enttäuschung und Hass auf sich ziehen wird.
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