Moonlight (2016) | Filmkritik

Moonlight

And the Oscar goes to… Nachdem im Jahr 2017 der Musical-Film La La Land von Damien Chazelle bereits in sechs Kategorien abräumen konnte, gingen viele Zuschauer davon aus, dass das Werk auch in der Königsklasse „Bester Film“ aufgerufen wird. So war es auch. Doch nach einer kuriosen Verwechslung stand letztendlich ein vollkommen anderes Team rund um Regisseur Barry Jenkins auf der Bühne und streckte den Goldjungen hoch. Der Sieger des Abends hieß Moonlight!

Doch wie konnte sich die kleine Perle gegen den namhaften Favoriten durchsetzen? War es lediglich ein Zeichen Hollywoods für die Homosexualität? Oder bringt Moonlight viele weitere Qualitäten mit sich?

© Universum Film

Erzählt wird der Film in drei Akten, welche die Kindheit, die Jugend sowie das Erwachsenenleben des Protagonisten Chiron thematisieren.

Seine Kindheit verbringt der afro-amerikanische Junge, der von allen nur Little (Alex R. Hibbert) genannt wird, in einem Problemviertel am Stadtrand von Miami. Während seine Mutter ihre Zeit mit fremden Männern verbringt und abends auf der Suche nach dem nächsten Schuss ist, führt Little ein introvertiertes Dasein und wird von seinen Mitschülern gehänselt. Einzig der 9-jährige Kevin (Jaden Piner) scheint ihm ein Freund. Als ihn eines Tages der kubanische Einwanderer und Drogenhändler Juan (Mahershala Ali) mit nach Hause zu seiner Frau Teresa (Janelle Monáe) nimmt, scheint ein weiterer Mensch Anteil an Littles Leben zu nehmen – er gewinnt nicht nur eine Art Vaterfigur, sondern eine kleine Familie.

Als Teenager ist Chiron (Ashton Sanders) jedoch immer noch ein Außenseiter in der Schule. Der Zustand seiner Mutter hat sich drastisch verschlechtert und auch seine neu gewonnene Familie wurde auseinandergerissen. Einzig Teresa und sein Jugendfreund Kevin (Jharrel Jerome) erscheinen noch als Konstante in seinem Leben. Doch langsam bemerkt Chiron, warum er seit jeher von anderen Kindern und Jugendlichen verspottet wird. Sie ahnten etwas, dass Chiron sich nicht eingestehen wollte oder nicht eingestehen konnte. Er fühlt sich zu anderen Männern hingezogen. Gerade als er endlich lernt sich wohl ins einer Haut zu fühlen, kommt es jedoch zu einem Schicksalsschlag, der ihn viele Jahre nach hinten wirft und ins Gefängnis bringt.

Aber Chrion will nicht aufgeben und kämpft um seinen Platz in der Welt. Er will akzeptiert werden. Und er will seine Liebe nicht wieder verlieren.

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Das Drama Moonlight bewegt sich in einer Welt, die es selten auf der großen Leinwand in diesem Ausmaß zu sehen gab. Auch wenn die Schwulen-Szene der afro-amerikanischen Männern mit Bekanntheiten wie Precious-Regisseur Lee Daniels oder NBA-Star Jason Collins keineswegs totgeschwiegen wird, ist es doch ein Thema, das bisher eher im Stillen thematisiert wurde. Die berührende Geschichte des Jungen Chiron gibt dem Thema nun eine Stimme und ein filmisches Denkmal.

Dabei sind es primär die Bilder und Schauspieler, welche Moonlight tragen. Angefangen mit der Kindheit begegnet uns mit Schauspiel-Newcomer Alex R. Hibbert ein kleiner Junge, der kaum drei Wörter nacheinander herausbekommt, aber durch seine Gestik und Mimik deutlich macht, in welchen Verhältnissen er aufwachsen muss. Zu sehen, wie er sich alleine ein Bad einlässt, das Wasser im Kochtopf erwärmt und anschließend einsam in der Wanne sitzt, ist nur einer von vielen Momenten, die im Gedächtnis bleiben sollen.

Mit wenigen Szenen schafft es zudem Mahershala Ali (The Place Beyond the Pines), für seine Leistung mit einem Oscar als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet, der eigentliche Star des ersten Aktes zu werden. Als Ersatzvater nimmt er den Jungen unter seine Fittiche und klärt ihn über das Leben auf. Von alltäglichen Dingen wie dem Schwimmen bis hin zum Gespräch über das Wort „Schwuchtel“ ist er schnell Chirons Weggefährte und hilft ihm durch seine schwierige Kindheit.

Im jugendlichen Alter übernimmt Ashton Sanders (Straight Outta Compton) die Hauptrolle. Auch wenn die Worte weiterhin rar gesät sind, scheint Chiron etwas offener, doch weiterhin auf der Suche nach sich selbst. Nachdem sein Mentor verstorben ist scheint nur noch Teresa für ihn da zu sein. Doch dann kommt es zu dem Moment, der sein Leben verändern soll. Bei Nacht am Strand, im Mondlicht sitzend, scheint er seine Gefühle erstmals zu verstehen. Durch großartiges Schauspiel wird diese Szene in ihrer Einfachheit zu einem weiteren Moment des Films, der noch während des Abspanns im Kopf verarbeitet wird.

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Mit dem dritten und letzten Kapitel des Films beginnt das Erwachsensein des Protagonisten und aus Little, der zu Chrion wurde, ist nun Black geworden. Schauspieler Trevante Rhodes (The Night Is Young) betritt die Bildfläche. Körperlich vollkommen verändert, erkennt man in ihm weiterhin den schüchterneren und verunsicherten Jungen, der uns seit Beginn des Films auf der Leinwand begleitet.

Neben den durch und durch schauspielerischen Top-Leistungen sind es ebenso die bereits aufgezählten Kamerabilder von James Laxton (Tusk), die Moonlight zu einer seltenen Perle machen. Gearbeitet wird mit vielen Nahaufnahmen, stillen Bildern und einsamen Totalen. Optisch einwandfrei kann sich der Betrachter immer wieder in die Gefühlswelt der Figuren hineinversetzen.

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Doch abseits all der positiven Elemente schafft es Moonlight leider nicht rundum perfekt zu sein. Die Erzählstruktur sorgt dafür, dass sich die 111 Minuten Laufzeit an manchen Stellen wie eine Ewigkeit anfühlen. Während auf der einen Seite wichtige Erlebnisse wie der Tod einer Figur oder der Aufenthalt im Gefängnis vollkommen unkommentiert bleiben, strecken sich manche Dialoge zu lange. So wird aus manch gefühlvoll geplanten Szenen mit der Zeit ein Gespräch, bei welchem man nur noch mit einem Ohr zuhören mag und auf den nächsten Schnitt und Szenenwechsel wartet.

Trotz seines schwierigen Themas bleibt Moonlight jedoch eine offene Geschichte, die für uns alle nachvollziehbar ist. Die Orientierung des Hauptcharakters, seine Hautfarbe, all das macht den Film in der heutigen Zeit deutlich relevanter, doch dominiert es nicht die Leinwand. Die Aussage, die Gefühle des Films, sind viel größer als das. Eine Person, die ihr Leben lang nicht akzeptiert wird, sich zunächst nicht mal selbst versteht und als sie es endlich tut, sich verstecken muss. Chiron ist eine tragische und emotionale Figur, die einen Leidensweg durchläuft, der so nur selten im Kino behandelt wurde. Der Film ist nicht nur für seine Aussage über die Akzeptanz so unglaublich wichtig.

Moonlight schafft es, dieses wirklich schwierige Thema auf eine Weise zu projizieren, wie es sonst nie existiert hat. Der Film versucht nicht sich auf die Sexualität festzusetzen, sondern beschreibt einen Charakter, dessen Entwicklung so herzzerbrechend wie tragisch schön ist. Eine Geschichte der Selbstfindung mit tragischen Folgen. Die Geschichte einer hoffnungslosen Gesellschaft, in der manche Menschen einfach keinen Platz haben. Moonlight ist vielleicht kein Meisterwerk für alle Zeiten, aber es ist ein Film, der es schafft ein schwieriges Thema auf sein existenzielles Problem zu bringen. Das wir alle nur wir selbst sein können!

Trailer

Bewertung

Informationen
Moonlight | 9. März 2017 (Deutschland) 7.4

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