The Dinner (2017) | Filmkritik

The Dinner

Wie weit würde man für das Wohl seiner eigenen Kinder gehen? Würde man eine Lüge decken und sie vor der Öffentlichkeit schützen? Würde man gar einen Mord vertuschen?

Der Abend beginnt mit unverbindlichem Smalltalk über die verstrichene Zeit, Filme und Urlaubspläne. Die Brüder Paul und Stan Lohman (Steve Coogan und Richard Gere) und ihre Frauen Claire und Katelyn (Laura Linney und Rebecca Hall) schweifen immer wieder ab und verlaufen sich in belanglose Gespräche, während luxuriöse Kostbarkeiten von den schicken Kellnern dargereicht werden.

Doch ein Thema muss an diesem Abend noch angesprochen werden: Die Zukunft der Söhne Michael und Rick.

Die 16-Jährigen Söhne haben nämlich ein Gewaltverbrechen begangen, dass ihr Leben zerstören könnte. Doch wie werden ihre Eltern mit der Situation umgehen? Irgendwann muss die Diskussion entbrennen, ob Vertuschung und Verdrängung die beste Lösung wäre…

The Dinner bedient sich einem Thema, welches traurigerweise derzeit so aktuell wie selten zuvor in unserer Gesellschaft war: Gewalt gegenüber Obdachlosen. Menschen, die eigentlich Hilfe und Unterstützung benötigen würden, ernten den Hass und Frust der höheren Schicht. Als Vorlage für diese Geschichte dient ein Drehbuch des Autoren und Regisseurs Oren Moverman, der sich an dem Roman Angerichtet von Herman Koch orientierte. Das Ergebnis ist ein intensives Kammerspiel, welches dank großartiger Darstellerleistungen durchaus sehenswert wird.

Besonders Hauptdarsteller Steve Coogan (Philomena) spielt sich mit seiner Leistung als sarkastisches Arschloch Paul hervor. Als Zuschauer empfindet man ebenso Mitleid für den unter einer familiären Geisteskrankheit leidenden Restaurantgast sowie Abscheu aufgrund seines Verhaltens. Nie wirklich durchschaubar steigert sich die aufgestaute Wut in ihm, um am Ende in eine falsche Richtung zu explodieren.

Deutlich ruhiger und sachlicher agiert sein Bruder und Kongressabgeordneter Stan, der von Richard Gere (Pretty Woman) dargestellt wird. Bis zum Ende hin appelliert er an die Vernunft seiner Tischgenossen nur um als telefonierender Karriereaffe zu enden, dessen Karrierewahn selbst über der Familie steht. Eben diese Entwicklung wirkt leider etwas zu überspitzt dargestellt.

Die weiblichen Gegenstücke, in Form von Laura Linney (You Can Count on Me) und Rebecca Hall (Iron Man 3), ergänzen das kleine Ensemble ebenso gekonnt und entwickeln sich zu Furien, die das Leben der Oberschicht über das der obdachlosen Frau stellen, wobei auch die politischen Ambitionen eine tragende Rolle spielen.

Was als Kammerspiel inhaltlich hervorragend funktioniert, scheitert im Großen und Ganzen an der Auflösung der Geschichte. Ohne eine wirkliche Antwort auf die Frage nach dem Stellenwert der Familie und dem Respekt gegenüber der Gesellschaft zu geben, bleibt der Zuschauer nach über zwei Stunden mit seinen eigenen Gedanken zurück und reflektiert das Verhalten und die Entwicklung der Familie Lohman. Bei der brisanten Thematik hätte ein klares Statement The Dinner gut getan und eine wirkliche Botschaft generieren können.

Regie: Oren Moverman
Drehbuch: Oren Moverman
Darsteller: Richard Gere, Laura Linney, Steve Coogan, Rebecca Hall

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