Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen (2016) | Filmkritik

Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen

Der Anfang eines Filmjahres bedeutet in Deutschland immer Oscarzeit. Und neben dem Westerndrama Hell or High Water und dem Musical La La Land erwartet den Zuschauer auch wieder die klassische Erzählung nach wahren Begebenheiten. Nach Spotlight, The King’s Speech und 12 Years a Slave versucht dieses Jahr Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen sein Glück als Historiendrama.

Dabei setzt der Film aber nicht wie seine genannten Vorgänger auf einen starken Cast, sondern vertraut mehr auf die Relevanz und Bedeutung der Geschichte an sich. Das Ergebnis kann sich nicht nur sehen lassen, sondern ist auch ein wichtiger Bestandteil des diesjährigen Nominierungs-Rekords der Academy Awards. Neben Fences und Moonlight darf Hidden Figures mit der Nominierung von Octavia Spencer eine weitere schwarze Darstellerin ins diesjährige Rennen schicken.

Katherine G. Johnson (Taraji P. Henson), Dorothy Vaughan (Octavia Spencer) und Mary Jackson (Janelle Monáe) sind drei brillante Freundinnen. Die drei schwarzen Damen sind nicht nur als Frauen und für ihre Hautfarbe wahre Patrioten, sondern sind tragende Rollen des neuen Weltraumprogramms der NASA. Katherine unterstützt das Team als Mathematikerin, stellt wichtige Formeln für die erste bemannte Raumfahrt der Amerikaner zusammen und erkennt mit ihrer Brillianz auch immer wieder Fehler ihrer Kollegen – auch wenn dies nicht allzu gerne gesehen ist.

Mary assistiert derweil den Ingenieuren, welche die Raumkapsel für den Astronauten Alan Shepard (Dane Davenport) zu bauen versuchen. Dorothy, die freche und älteste der Dreien, versucht sich ebenfalls in ihrer Abteilung zu behaupten. Als Computer-Spezialistin und Führungskraft bekommt sie den Titel des Supervisor trotz ihrer offensichtlichen Qualifikation nicht anerkannt. Erst als sie sich selbst einmischt und den neuen „IBM“-Rechner kurzerhand selbst zum laufen bringt, erkennt ihre Vorgesetzte Vivian (Kirsten Dunst) endlich ihr Talent. Die drei Frauen kämpfen gemeinsam nicht nur mit im Weltraumrennen der 60er Jahre, sondern versuchen gleichzeitig Grenzen und Normen zu brechen und neue Sphären für die folgenden Generationen zu schaffen.

Das trockene Material des Films spannend zu erklären ist schwer. So ist das Thema und die Geschichte des Films leider sehr flach, wenn auch deswegen nicht minder spannend. Durch die drei parallelen Geschichten von Katherine, Dorothy und Mary wird der Film nie langweilig. Klar übernimmt Erstere klar die Hauptrolle, dennoch kommen ihre Kolleginnen nicht zu kurz. Vor allem Dorothy wirkt so dominant und selbstbestimmt, dass sie viele Szenen komplett zu übernehmen scheint.

Katherine genießt doch hier und da immer wieder Unterstützung durch ihren Vorgesetzten Al Harrison (Kevin Costner). Die anderen beiden Freundinnen hingegen kämpfen scheinbar deutlich härter, um ihre Ziele zu erreichen. Alle drei Geschichten wirken aber unterhaltsam und spannend genug, dass der Aufbau des Films oft eher einer Folge einer Sitcom ähnelt, in welcher zwei Charaktergeschichten parallel verlaufen, um am Ende wieder zusammenzukommen. Dies soll aber keineswegs als Kritikpunkt, vielmehr als interessanter Aspekt genannt werden und untermauern, wie wichtig alle drei Darstellerinnen für die gesamte Geschichte sind. Lediglich zum Ende des Films fokussiert sich der Blick wieder etwas mehr auf Katherine.

Interessant spricht der Film jedoch genau das Thema an, was ihn historisch so wichtig macht: den Rassismus. Klar kämpfen Katherine, Dorothy und Mary oft gegen die Fremdenfeindlichkeit ihrer Kollegen und Vorgesetzten. Jedoch ist dieser Rassismus bis auf wenige Situationen sehr verhalten. Die Frauen werden nicht offen beschimpft oder gar angegriffen. Viel mehr ist es die Gleichgültigkeit, das Desinteresse gegenüber ihren Erfolgen oder die Ignoranz ihrer bloßen Existenz. Die drei Frauen werden nicht aktiv unterdrückt, sie werden völlig ignoriert. Und genau das tut dem Zuschauer so weh, wenn er mit ansieht wie hart die drei Freundinnen um ihre Stellen kämpfen und alles mögliche versuchen, um das Projekt voranzubringen.

Dieser versteckte Rassismus ist gleichzeitig traurig und so schön subtil umgesetzt, dass genau dieser Umgang mit dem Thema extrem frisch und neu wirkt. Kein Charakter wird als offener Fremdenfeind tituliert, sondern das ganze System als abweisend gezeichnet. Auch den eigentlich offensichtlichen Sexismus behandelt der Film sehr behutsam. So werden die Frauen zwar hier und da auf ihr Geschlecht angesprochen, meist wirkt dies aber als Ausweichmanöver um den eigenen Rassismus des Charakters zu verstecken. Das Thema der Unterdrückung und Bevormundung ist in dem Film allgegenwärtig. Entgegen vieler seiner Konkurrenten schafft es der Film jedoch genau diese Materie neu und gleichzeitig realistisch darzustellen.

Die Besetzung des Films ist phänomenal. Nicht nur die drei Hauptdarstellerinnen brillieren in ihrer Rolle als Vorbilder und Revolutionäre in ihrem Feld, die zahlreichen Nebendarsteller machen das Erlebnis des Filmes so rund. Allen voran Kevin Costner (Der mit dem Wolf tanzt) spielt die Rolle von Harrison gleichzeitig bestimmt aber niemals zu dominant, um den Damen die Show auf der Leinwand zu stehlen.

Der Charakter zeigt zwar eine deutliche Entwicklung im Verlaufe des Films, weiß aber im Hintergrund zu bleiben und die Hauptakteure nicht zu überschatten. Mit Jim Parsons (The Big Bang Theory) und Kirsten Dunst (Spiderman) schlüpfen zwei Darsteller in kleinere Rollen, die bei so manchem Zuschauer vielleicht auch einfach nur einen Aha-Moment entlocken können, aber ebenfalls in ihren Rollen aufgehen und im Endprodukt eine würdige Unterstützung bieten. Die coolste kleine Rolle geht aber an Mahershala Ali (Moonlight), welcher in der Nebengeschichte als Partner von Katherine eine superbe Performance am Rande abliefert.

Hidden Figures ist vielleicht kein zeitloser Klassiker. Er gewinnt vielleicht nicht den Oscar für den besten Spielfilm und wäre bei stärkerer Konkurrenz vielleicht auch gar nicht ins Rennen gekommen. Aber der Film ist ein klassisches Standbein der alljährlichen Oscars. Eine Biographie und Nacherzählung einer relevanten, wichtigen Geschichte. Und genau diese Aufgabe erfüllt der Film gut und richtig. Was dem Film nur fehlt ist eine grandiose Performance.

Spotlight, der Gewinner des letzten Jahres, wird in den zukünftigen Jahren wohl nicht bei irgendjemand in Dauerschleife laufen, aber der Monolog von Mark Ruffalo (The Avengers) und das ernste Thema bleibt dem ein oder anderen Zuschauer bestimmt im Kopf. Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen hingegen ist ein weiteres Werk von Vielen im Oscar-Rennen 2017: eine Feel-Good-Story, die dem Zuschauer helfen soll, das schlimme Jahr 2016 zu vergessen. Trotzdem ist die witzige Geschichte rund um die drei Frauen definitiv einen Blick wert. Wenn auch nur einen.

Regie: Theodore Melfi
Drehbuch: Theodore Melfi, Allison Schroeder
Musik: Nick Hans Zimmer, Pharrell Williams, Benjamin Wallfisch
Darsteller: Taraji P. Henson, Octavia Spencer, Janelle Monáe, Kevin Costner, Kirsten Dunst, Jim Parsons

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