Hell Or High Water (2016) | Filmkritik

Hell Or High Water

Western sind eigentlich schon lange nicht mehr das beliebteste Genre Hollywoods. Klar zeigen auch Filme wie Django Unchained (2012), The Hateful Eight (2015) oder Bone Tomahawk (2015), dass die Filme rund um die Pistoleros im Wilden Westen nicht totzukriegen sind. Dennoch fallen die Filme immer mehr in Richtung Hommage und Stil anstatt das alte Western-Feeling wiederzubeleben. Hell Or High Water versucht etwas anderes! David MacKenzie nimmt den Zuschauer mit in eine Geschichte aus der heutigen Zeit, wie sie dennoch nicht mehr Western sein könnte.

Tanner (Ben Foster) und Toby (Chris Pine) sind Brüder. Während Toby, der ruhigere der beiden, sich um das Haus seiner Mutter und seine Familie kümmert, kehrt Tanner frisch aus dem Gefängnis zurück, als er von den finanziellen Schwierigkeiten seines Bruders erfährt. Seine Mutter ist mittlerweile verstorben, doch hängt die Familie immer noch tief in den Schulden der Midlands Bank, welche nicht nur die Hypothek für die Ranch, sondern auch die Steuerzahlungen der Familie getragen hatte und nun zurückverlangt.

Um schnell an das Geld zu kommen feilt Toby einen genauen Plan aus. Kurz nachdem er mit Tanner die erste Bank in einer kleinen texanischen Stadt überfällt, tritt Marcus Hamilton (Jeff Bridges) mit seinem Partner Alberto Parker (Gil Birmingham) auf den Plan. Der Sheriff will vor seinem Ruhestand den beiden Halunken den Garaus machen und lässt sich auf seinem Weg von nichts aufhalten.

Zu viel darf über die Geschichte von Hell Or High Water gar nicht verraten werden. Selbstverständlich macht der Trailer bereits deutlich, dass die Brüder das Geld nicht gerade auf legalem Wege beschaffen. Doch der Plan der beiden ist durchaus gewiefter als nur das Ausrauben von ein paar Banken. Gegenüber dem Planer Toby steht jedoch immer Marcus, der verbissen versucht den nächsten Schritt der beiden Bankräuber zu erahnen.

Dass Toby der klügere der beiden Brüder ist, wird schon schnell klar. Doch ohne seinen Bruder Tanner ist er aufgeschmissen. Dessen Erfahrung und Skrupellosigkeit wird zwar auch immer wieder zum Problem für die beiden, hilft aber Toby dennoch bei seinem ernsthaften Geldproblem. Die Beziehung zwischen den beiden Brüdern ist mitreißend erzählt. Nicht zu schnulzig oder unrealistisch und mit der richtigen Mischung aus Liebe, Respekt und Bosheit bestreiten die beiden zusammen einen harten Weg, um ihr Ziel zu erreichen. Immer wieder unterstrichen von Sticheleien oder Hinweisen auf die gemeinsame Vergangenheit.

Auf der anderen Seite steht die Beziehung zwischen den Polizisten Marcus und Alberto, die der der Brüder in nichts nach. Der Oldtimer hat immer einen Spruch auf den Lippen der genauso gerne von seinem Partner gekontert wird. Beleidigungen gegen das Alter, Aussehen oder Herkunft scheinen normal und das Zusammenspiel zwischen den Darstellern wirkt bei Zeiten tatsächlich wie das eines schon jahrelang verbundenen Duos. Das Drama rund um das Karriereende Marcus‘ und die Verbissenheit des Oldtimers auf seine letzten Tage werden von ihm selbst immer wieder mit kleinen Witzen aufgehellt und bevor der Zuschauer auch nur eine Chance hat, mit dem Sheriff zu fühlen, bekommt er schon den nächsten Spruch serviert.

Die Darsteller in Hell Or High Water sind durch die Bank grandios. Vor allem Ben Foster (Warcraft) hätte neben Jeff Bridges (True Grit) bei schlechterer Konkurrenz sicher eine Nominierung bei den Academy Awards einheimsen können. Dieser spielt sich wiederum wie er es am besten kann. Grummelnd, mit hochgezogener Lippe und Schnurrbart meint man fast, Bridges wäre direkt aus True Grit auf das Set von Hell Or High Water gelaufen.

Aber genau das macht den alten Sheriff so charmant. Chris Pine (Star Trek) spielt eine seiner komplexesten und spannendsten Rollen und kann sich selbst neben Foster und Bridges klar auf der Leinwand behaupten. Vor allem mit seinen aktuell sehr Franchise-basierten Rollen in Wonder Woman und Star Trek ist der Film eine willkommene Abwechslung.

Neben den bekannten und wichtigen Gesichtern des Films, ist für den Film vor allem auch das Sammelsurium an Nebendarstellern interessant. Diese sind nicht einfach Lückenfüller oder Statisten, sondern häufig wichtig für den Hintergrund der Geschichte. Sein es die Kleinstädter, die eigentlich kein Interesse am Wohlergehen einer Bank haben, welche ihnen mehr schadet als hilft oder die urkomische alte Kellnerin, die den beiden Polizisten mit auf unfreundlichste Weise die eigene Speisekarte erklärt; jeder Darsteller hat eine wichtige Rolle in dem Dorfleben. Selbst der alteingesessene, erfahrene Sheriff scheint immer wieder an den Bewohnern und ihrer Art zu scheitern.

David Mackenzie (Mauern der Gewalt) hat mit Hell Or High Water ein echtes Meisterwerk geschaffen. Auf den ersten Blick ein recht simpler Film mit gutem Cast, so entpuppt sich das Werk dieses Jahr dennoch als wichtiger Oscar-Contender. Mit einer neuen, aktuellen und gleichzeitig sehr einfachen Geschichte hat der Schotte einen Western geschaffen, wie es das Genre häufiger gebrauchen könnte.

Seit No Country for Old Men ist dieser Film wahrscheinlich einer der innovativsten und interessantesten Vertreter der Filmkategorie und schafft es zugleich die heutige Zeit und Gesellschaft gut aufzugreifen. Mit den wunderschönen, Landschafts-verliebten Kamerafahrten schafft es Mackenzie gleichzeitig die wunderbaren Weiten und die absolute Kargheit Texas‘ einzufangen. Tatsächlich gedreht wurde der Film übrigens in New Mexiko.

Writer Taylor Sheridan, der kreative Kopf hinter dem kritisch wie kommerziell erfolgreichen Sicario (2015) sowie dessen Nachfolger Soldado (2017), erzählt in Hell Or High Water keine revolutionäre neue Geschichte. Klischees wie der Sheriff kurz vor den Pension und das Brüderduo aus Kriminellem und Gutmensch sind keine neuen Ideen. Dennoch nimmt Sheridan diese ganzen Einzelheiten, schafft so neues und aktuelles Werk, wie es in diesem Genre nicht viele vermögen. Die Verbindung dieser ganzen Elemente, die atemberaubend schönen Bilder, die grandiosen Schauspieler und der gewisse Humor des Szenarios machen den Film zu etwas ganz Besonderem.

Das Werk schafft es mit einer flachen Prämisse eine spannende, tief durchdachte Geschichte zu erzählen und bleibt gleichzeitig realistisch und gesellschaftskritisch. Der Film ist kein einfacher Actionfilm, kein Familiendrama, kein klassischer Heist-Film. Der Film ist all das und noch viel mehr!

Bewertung

Trailer

Informationen
Hell or High Water | 12. Januar 2017 (Deutschland) 7.6
Regisseur: David MackenzieDrehbuchautor: Taylor SheridanDarsteller: Chris Pine, Ben Foster, Jeff BridgesHandlung:

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