10 Cloverfield Lane (2016) | Filmkritik

10 Cloverfield Lane

Während das Jahr von Projekten – wie jüngst Batman v Superman: Dawn of Justice – bestimmt wird, über die der Zuschauer vor dem Starttermin beinahe alles Wichtige erfahren kann, gibt 10 Cloverfield Lane dem Kino von heute eine vergessene Spannung zurück. Produzent J. J. Abrams (Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht) sorgte dafür, dass erst weniger als zwei Monate vor US-Start überhaupt bekannt wurde, dass der Film entstanden war.

Plötzlich war der Trailer einfach da und raubte den Leuten, die eigentlich 13 Hours – The Secret Soldiers of Benghazi sehen wollten, den Atem. Halten wir an dieser Stelle doch für einen Moment inne und versetzen uns in das Jahr 2007 zurück. Denn damals geschah etwas ganz Ähnliches und das hatte ebenfalls mit einem Michael Bay Film zu tun. Vor dem Kickoff des Transformers-Franchise lief ganz unvermittelt die Ankündigung für Cloverfield und sorgte mit dem abgerissenen Schädel der Freiheitsstatur für Gänsehaut im Saal.

J. J. Abrams erweist sich also damals wie heute als Marketinggenie. Und genauso wie seine neue Kampagne ist auch sein neuester Streifen. Überraschend und originell! Ich konnte mich vor Verzückung kaum noch halten, nachdem ich bemerkt hatte, dass das Trailermaterial von 10 Cloverfield Lane beinahe nur Einstellungen aus den ersten 20 Minuten des Film enthielt. Was in den restlichen 80 Minuten geschah, war vollkommen neu – mit all seinen kleinen Twists.

Auch jetzt, da der Film auf der Leinwand läuft, sollte sich der interessierte Zuschauer dieses Unwissen wenn möglich bewahren. Schließlich befindet er sich damit in der gleichen Situation wie die Protagonistin Michelle (Mary Elizabeth Winstead) und erlebt ihre Reise hautnah mit.

Nach einem schweren Autounfall wacht sie jäh in der unwirklichen Zelle eines Bunkers auf, mit einer Kanüle in ihrem linken Arm und einer schweren Bandage um ihr rechtes Bein gewickelt. Als sie um Hilfe ruft stellt sie fest, dass sie diese bereits bekommen hat. Zumindest will der schrullige Howard (John Goodman) sie davon überzeugen. Er päppelt sie zusammen mit seinem Nachbarn Emmett (John Gallagher Jr.) auf, bis sie wieder auf die Beine kommt. An eine Genesung an der frischen Luft ist dabei jedoch nicht zu denken, denn die drei befinden sich nicht umsonst in einem Bunker tief unter der Erde. Beide Männer berichten Michelle von einem Angriff, der die Welt ins Dunkel gestürzt und alles Überleben an der Erdoberfläche unmöglich gemacht hätte.

Es dauert bloß eine Weile, bis in dieser unfreiwilligen Dreier-WG Howards neurotische Seite ans Licht gerät. Dabei stellt sich dem Zuschauer und auch Michelle immerzu die Frage, welche Worte des alten Mannes tatsächlich wahr und welche nur Schein sind. Ich kann nicht genug betonen, dass über dieses Indie-Projekt unter J. J. Abrams Schirmherrschaft nicht zu viel verraten werden sollte. Der Film ist ein solches Wagnis wert und zwar genau aus einem Grund: Er ist großartig.

Regieneuling Dan Trachtenberg und seinem Kameramann Jeff Cutter ist mit 10 Cloverfield Lane ein klaustrophobischer Thriller gelungen, der mit seinem originellem Skript einen frischen Wind ins noch junge Kinojahr bringt. Cutter verdient an dieser Stelle zusätzliche Erwähnung, da er Besonderes geleistet hat. Immer wieder übernimmt die Kamera eine prägende Rolle in der Erzählung. Sie wertet mit ungewöhnlichen Einstellungen nicht nur die spannenden Szenen des Films auf, von denen es gleich einen ganzen Haufen gibt, sondern fängt wichtige Kleinigkeiten so pointiert ein, dass in bester Hitchcock-Manier Suspense entsteht. Gepaart mit einem überzeugenden Soundtrack und dem mysteriösen Plot befindet sich dadurch die spannende Stimmung über weite Strecken auf Messers Schneide. Nie weiß der Zuschauer, wohin die nächste Situation kippt.

Neben einer starken Leistung von Mary Elizabeth Winstead (Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt) liefert vor allem John Goodman (The Big Lebowski, Argo) eine beachtliche Performance ab. Er verkörpert den brodelnden Vulkan, der in seinem Charakter Howard schlummert, sowohl in den lauten als auch in den totenstillen Momenten äußerst gekonnt. Bereits nach einer Weile blitzt in seinen Drehbuchzeilen nur durch kleine Weichenstellungen die größere Geschichte auf. Dann entwickelt sich aus dem limitierten Szenario im Bunker ein Kleinod, das dramatische und schaurige Elemente fantastisch auszubalancieren weiß.

An dieser Stelle noch eine kleine Warnung: Auch wenn J. J. Abrams 10 Cloverfield Lane in einem Interview als Blutsverwandten des Monsterthrillers Cloverfield bezeichnete, sollte der Genrefan besser nur das erwarten, was der Trailer verspricht. In gewisser Hinsicht ist zwar auch der neue Streifen ein Monsterfilm geworden, aber wie genau gilt es erst im Kino herauszufinden.

Denn wer Lust auf ein Kammerspiel mit Sci-Fi-Elementen hat, das im Sammelsurium der vorhersehbaren Franchise-Filme eine ordentliche Ladung Adrenalin bietet, darf dieses erstklassige Werk nicht verpassen. Gänsehaut garantiert!

Bewertung

Trailer

Informationen
10 Cloverfield Lane | 31. März 2016 (Deutschland) 7.2

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