Während das Jahr von Projekten – wie jüngst Batman v Superman: Dawn of Justice – bestimmt wird, über die der Zuschauer vor dem Starttermin beinahe alles Wichtige erfahren kann, gibt 10 Cloverfield Lane dem Kino von heute eine vergessene Spannung zurück. Produzent J. J. Abrams (Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht) sorgte dafür, dass erst weniger als zwei Monate vor US-Start überhaupt bekannt wurde, dass der Film entstanden war.

J. J. Abrams erweist sich also damals wie heute als Marketinggenie. Und genauso wie seine neue Kampagne ist auch sein neuester Streifen. Überraschend und originell! Ich konnte mich vor Verzückung kaum noch halten, nachdem ich bemerkt hatte, dass das Trailermaterial von 10 Cloverfield Lane beinahe nur Einstellungen aus den ersten 20 Minuten des Film enthielt. Was in den restlichen 80 Minuten geschah, war vollkommen neu – mit all seinen kleinen Twists.
Auch jetzt, da der Film auf der Leinwand läuft, sollte sich der interessierte Zuschauer dieses Unwissen wenn möglich bewahren. Schließlich befindet er sich damit in der gleichen Situation wie die Protagonistin Michelle (Mary Elizabeth Winstead) und erlebt ihre Reise hautnah mit.

Es dauert bloß eine Weile, bis in dieser unfreiwilligen Dreier-WG Howards neurotische Seite ans Licht gerät. Dabei stellt sich dem Zuschauer und auch Michelle immerzu die Frage, welche Worte des alten Mannes tatsächlich wahr und welche nur Schein sind. Ich kann nicht genug betonen, dass über dieses Indie-Projekt unter J. J. Abrams Schirmherrschaft nicht zu viel verraten werden sollte. Der Film ist ein solches Wagnis wert und zwar genau aus einem Grund: Er ist großartig.

Neben einer starken Leistung von Mary Elizabeth Winstead (Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt) liefert vor allem John Goodman (The Big Lebowski, Argo) eine beachtliche Performance ab. Er verkörpert den brodelnden Vulkan, der in seinem Charakter Howard schlummert, sowohl in den lauten als auch in den totenstillen Momenten äußerst gekonnt. Bereits nach einer Weile blitzt in seinen Drehbuchzeilen nur durch kleine Weichenstellungen die größere Geschichte auf. Dann entwickelt sich aus dem limitierten Szenario im Bunker ein Kleinod, das dramatische und schaurige Elemente fantastisch auszubalancieren weiß.
An dieser Stelle noch eine kleine Warnung: Auch wenn J. J. Abrams 10 Cloverfield Lane in einem Interview als Blutsverwandten des Monsterthrillers Cloverfield bezeichnete, sollte der Genrefan besser nur das erwarten, was der Trailer verspricht. In gewisser Hinsicht ist zwar auch der neue Streifen ein Monsterfilm geworden, aber wie genau gilt es erst im Kino herauszufinden.
Denn wer Lust auf ein Kammerspiel mit Sci-Fi-Elementen hat, das im Sammelsurium der vorhersehbaren Franchise-Filme eine ordentliche Ladung Adrenalin bietet, darf dieses erstklassige Werk nicht verpassen. Gänsehaut garantiert!



