„Die Pilgerreise aus dieser Welt zur seligen Welt erzählt nach dem Ebenbild eines Traumes, worin enthüllt wird die Art und Weise seines Aufbruchs, seine gefährliche Reise und die sichere Ankunft im auserkorenen Land.“
Ebenjene kryptischen Worte ertönen bereits, noch ehe das erste echte Bild die Leinwand füllt. Sie scheinen von einem unsichtbaren Prediger von einer unsichtbaren Kanzel zu stammen. Aber sind sie wirklich so kryptisch wie sie klingen?
Sind sie nicht eigentlich glasklar? Haben wir uns etwa so sehr daran gewöhnt, im Kinosessel oder auf dem heimischen Sofa einfache Aussagen im einfachen Gewand zu konsumieren, dass wir eine ebenso einfache Aussage im poetischen Stil nicht mehr verstehen? Haben Hollywood und das Mainstream-Kino uns aus unserer eigenen Welt entfremdet?
Viele solcher Fragen sollen während Terrence Malicks neustem Film immer wieder auftauchen und einen auch nach zwei Stunden Lauflänge weiter begleiten. Es ist typisch für einen Regisseur, der mit Werken wie The Tree of Life und Der schmale Grat seinen Stil berühmt machte. So begegnen wir auch in Knight of Cups bedeutungsschweren Naturaufnahmen gepaart mit genauso bedeutungsschweren Worten. Sie locken uns aus der Reserve und provozieren ein Filmerlebnis, in dem niemand bloß passiver Konsument bleiben kann.
Die Handlung an sich stellt einen nämlich bereits vor die erste Aufgabe. Bereits einen Kurzabriss zu entwerfen, erscheint schwierig. Wie soll das auch funktionieren, wenn das Projekt tatsächlich vollkommen ohne Drehbuch auskam? Auf der Berlinale 2015 gerieten Christian Bale und Natalie Portman ins Stottern, wenn sie nach dem Plot gefragt wurden. Sie beschrieben stattdessen lieber, wie der Film entstand: Ohne Skript, nur mit einer vagen Beschreibung des Protagonisten Rick (Christian Bale), mit improvisierten Drehtagen, mit improvisierten Sets. Die Perfektion wurde in der Ahnungslosigkeit gesucht.
Doch wie sieht das fertige Produkt nun aus? Die bessere Frage wäre wohl: Wie hört es sich an? Schließlich ist Knight of Cups eine Voice-Over-Oper vom Feinsten. Über zehn unterschiedliche Personen sprechen symbolisch aufgeladene Zitate.
„Du suchst keine Liebe, du suchst ein Liebeserlebnis.“ oder „Der Ausweg geht nach innen.“ Darüber hinaus bestimmt den Film eine zyklische Motivik. Wir sehen immer wieder Wasser. Menschen, die in der Meeresbrandung stehen, schwimmende Menschen im Pool. Wir sehen immer wieder Charaktere, die aus dem Fenster sehen. Wonach halten sie bloß Ausschau? Wir sehen immer wieder das Ödland einer hügligen Wüste. Und wir sehen immer wieder attraktive Frauen, Reichtum, Exzess und auch Sexualität. Sie verbreitet sich nur selten ästhetisch, sondern die Szenerie wirkt viel häufiger gefühllos und darum hässlich.
Aber ist der Film wirklich so krude, wie er vorgibt zu sein oder trügt der Schein? Tatsächlich ist die Geschichte eigentlich nicht so geheimnisvoll, wie sie in ihren tranceartigen Fragmenten aussieht.
Es geht um einen Ritter, den sein Vater einst entsandte, um eine wertvolle Perle zu finden. Doch er trank auf der Reise aus einem Kelch, der ihn seine Identität vergessen ließ. Er verschluckte seine eigene Bestimmung! Diese Heldensage schlägt sich in Ricks Leben nieder. Wie viel er dem Zuschauer auch im Voice-Over verrät, so wortkarg ist er doch im Dialog. Er ist unfähig über das zu sprechen, was ihn bedrückt. Er weiß es vielleicht selbst gar nicht. Die Leere in seinem Innern scheint so groß, dass sie ihn mit Stummheit schlägt.
Vieles in Knight of Cups ist virtuos eingefangen und lässt einen in schieres Staunen geraten. So ist die Schauspielerei äußerst feinfühlig, genauso wie Emmanuel Lubezkis Kameraarbeit. Seine Bilder sind – wie so oft – überlebensgroß, selbst dann wenn sie ganz klein wirken. Jedes für sich erzählt schon seine ganz eigene Geschichte. Hier wäscht sich ein Mann die Hände in Blut. Da spielen Mutter und Kind in einem kafkaesken Spielzimmer voller Rauch und knochenweißer Lichtstrahlen. Natürlich passt auch die Musik zu jenem künstlerischen Rhythmus. Nicht umsonst empfehlen die Produzenten in einer Notiz zu Beginn des Films, die Lautsprecher möglichst laut aufzudrehen.
Es ist erfrischend einen Film zu erleben, der einem das Gefühl gibt etwas Neues zu sein. Mit ein wenig Abstand wird man allerdings feststellen, dass sich dahinter bloß die halbe Wahrheit verbirgt. Die Entstehung dieses Machwerks mag zwar innovativ und bemerkenswert sein, seine Ideen sind dennoch nur poetische Versionen von Althergebrachtem.
Wo massentaugliche Filme eine plumpe Antwort auf die großen Fragen nach Sinn, Liebe und Erfüllung geben, traut sich Knight of Cups überhaupt keine echte Antwort zu finden. Und ist das manchmal nicht genau dasselbe?
Terrence Malick setzt uns einen Film vor, der still und doch voller Worte ist. Der in all seiner Fülle leerer ist, als er zugibt. Nichtsdestotrotz ist Knight of Cups ein Fragepaket an seine Zuschauer und vielleicht gerade deswegen beachtlich. Mitdenken und Nachdenken bleibt da garantiert nicht aus.
Eine Journalistin fragte Christian Bale auf der Berlinale, ob er die Probleme seiner Figur aus der eigenen Erfahrung kenne. Daraufhin antwortete Bale mit einer Gegenfrage. Passend zum Film! Sinngemäß lautete diese Frage: „Sind auch Sie unserer Zivilisation manchmal überdrüssig geworden?“. Lassen wir diese Frage doch einfach einmal zu!
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
Musik: Hanan Townshend
Darsteller: Christian Bale, Cate Blanchett, Natalie Portman, Antonio Banderas, Brian Dennehy, Freida Pinto, Imogen Poots, Isabel Lucas, Teresa Palmer, Wes Bentley