Die Weiss-Familie passt perfekt nach Hollywood: Vater Stafford (John Cusack) ist Psychoanalytiker und Motivationstrainer, der ein Vermögen mit Selbsthilfe-Anleitungen verdient hat. Mutter Christina (Olivia Williams) hingegen verwaltet die Karriere ihres Sohnes, des 13-jährigen Kinderstars Benjie (Evan Bird). Dieser kann bereits auf eine Drogenkarriere zurückblicken und kommt frisch aus einem Rehabilitationsprogramm, was für Spannungen zwischen ihm und seiner Mutter sorgt.
Ein schmutziges Familiengeheimnis trägt Tochter Agatha (Mia Wasikowska) mit sich herum. Sie steckte einst das Haus ihrer Eltern in Brand und wurde erst vor kurzem aus einer psychiatrischen Heilanstalt entlassen. Zurück im trauten Hollywood-Heim bahnt sich zwischen ihr und dem Chauffeur Jerome eine Affäre an.
Aber auch die anderen Familienmitglieder haben ihre Probleme. Stafford ist überfordert mit seiner neuen Patientin: Schauspielerin Havana (Julianne Moore) eifert dem Ruhm ihrer verstorbenen Mutter hinterher. Genau daran scheint sie zu zerbrechen und wird vom Geist ihrer Mutter verfolgt. Langsam bröckelt die saubere, glatte Fassade der Familie Weiss und die Abgründe hinter der Glamour-Hollywood-Fassade kommen hervor…
Kultregisseur David Cronenberg stellt erneut seine Regiekünste unter Beweis. Die meisten seiner Filme erforschen die Abgründe der menschlichen Verfassung. Videodrome behandelt die Perversität des Fernsehens, Dead Zone – der Attentäter die Gefahren von politischen Visionen und Paranoia, in Crash geht es um den Kult um den gewaltsamen Tod durch Autounfälle und in Cosmopolis um die Faszination von schrankenloser Geldwirtschaft.
Mit Maps to the Stars dreht Cronenberg das erste Mal in den USA und wirft einen rabenschwarzen Blick hinter die Kulissen Hollywoods. Während Cronenberg nach eigener Aussage die Welt der Reichen und Schönen in Los Angeles ganz pragmatisch betrachtet, zählt Drehbuchautor Bruce Wagner (Wild Palms) zu einem der schärfsten Kritiker. So setzt sich der Film intensiv mit den Schattenseiten Hollywoods auseinander.
Romanvorlage für den Film ist Wagners Dead Stars. Er war einst selbst erfolgloser Autor und Chauffeur ähnlich wie Robert Pattinsons Rolle. Dieser wiederum arbeitet zum zweiten Mal mit Cronenberg zusammen und wechselt von der Rückbank in Cosmopolis auf den Fahrersitz in Maps to the Stars – eine Anspielung, die Cronenberg sicher bewusst einsetzt. Dass der Twilight-Star in einer so kleinen Rolle zu sehen ist, kann man sehr wohl als Ironie verstehen. Die Wahl der restlichen Schauspieler ist dafür umso überzeugender. John Cusack als esoterischer Selbsthilfeguru und jähzorniger Familienvater ist ebenso perfekt gewählt wie Evan Bird als unausstehlicher Kinderstar Benjie. Mia Waskowska als psychisch gestörte Tochter Agatha beweist, dass sie in ein und derselben Figur Unschuld und Grauen in kaum merklichen Übergängen vereinen kann.
Der Film lief im offiziellen Wettbewerb der Filmfestspiele Cannes 2014. Julianne Moore wurde auf dem Festival für ihre großartige Darstellung als Beste Schauspielerin ausgezeichnet. Vor allem sie trägt das Werk als neurotische und hysterische Darstellerin, die das Ende ihrer Karriere fürchtet.
Der Titel ist ein Hinweis auf die Karten, die man erwerben kann, um die Häuser der Stars im Labyrinth von Beverly Hills zu finden. Ebenso kann man diesen auch sinnbildlich als einen Griff zu den Sternen verstehen, den sich zahlreiche Jung-Schauspieler erhoffen, wenn sie nach Hollywood kommen, den Durchbruch jedoch nie schaffen – so wie Pattison, der wie ein Häufchen Elend am Set eines viertklassigen Science-Fiction-Films darauf hofft, entdeckt zu werden.
Auf der Jagd nach Ruhm werden die Charaktere nach und nach von den Geistern der Vergangenheit eingeholt. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes: Sowohl Havana als auch Benjie werden von Geistergestalten geplagt, in Form der toten Mutter bzw. eines kürzlich verstorbenen Mädchens. Diese sollen zwar nicht gruseln oder erschrecken, dennoch fügen sie dem Film eine überzogene unrealistische Note hinzu. Es wirkt durchweg so, als konnten sich die Filmemacher nicht recht für ein Genre entscheiden. Elemente einer übertriebenen Komödie wechseln mit denen eines erschütternden Familien-Dramas. Der Film gewinnt dazu durch die Geister surreale Züge und endet in schließlich mit Horrorfilmelementen. Ein Genre-Mix, der auch durchaus gewollt sein kann.
Schlau wird man als Zuschauer aus diesem düsteren Genre-Mix jedenfalls nicht wirklich, aber dennoch bestens unterhalten. An jeder Stelle finden sich teils offensichtliche, teils versteckte Andeutungen. Durch ausgefeilte Dialoge werden die Darsteller wunderbar überspitzt in Szene gesetzt. Dass alle Figuren klischeehaft und übertrieben präsentiert werden, kann stellvertretend für den Größenwahnsinn der Hollywoodprominenz stehen. Kinderstar Benjie, der an Unausstehlichkeit nicht zu übertreffen ist, kann man metaphorisch als Produkt seiner ruhmsüchtigen Eltern betrachten. Und durch das im Film stets präsente Thema Inzucht finden sich Anspielungen auf die wütende Vetternwirtschaft der Filmbranche sowie den Hang Filme zu remaken anstatt gänzlich neue zu schaffen.
Maps to the Stars zeigt gnadenlos und ungehalten am Beispiel der Familie Weiss eine niederschmetternde Tragödie, die sich hinter den Kulissen der Filmindustrie abspielt. David Cronenberg zerlegt den Glamour-Schein der Reichen und Schönen in seine Einzelteile, indem sich eine Reihe zunächst unabhängiger Einzelschicksale zu einem grauenhaften Gesamtbild fügt. Zusammen mit Wagner verleiht er der Scheinwelt der amerikanischen Film- und Unterhaltungsindustrie seinen eigenen Stempel und liefert mit einem brillanten Cast einen bösartigen, entlarvenden und amüsanten Beitrag irgendwo zwischen Satire und Horrorthriller.
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Bruce Wagner
Musik: Howard Shore
Darsteller: Julianne Moore, Carrie Fisher, Robert Pattinson, Mia Wasikowska, John Cusack, Olivia Williams, Evan Bird, Sara Gadon
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