The Call – Leg nicht auf! (2013) | Filmkritik

The Call

„Notruf, wie kann ich Ihnen helfen?“ – Jordan Turner (Halle Berry) arbeitet als Telefonistin bei der Polizeinotrufnummer 911 von Los Angeles. Ein fataler Fehler von ihr führt dazu, dass ein Mädchen während ihres Anrufs von einem Einbrecher entdeckt und daraufhin verschleppt und getötet wird.

Nach sechs Monaten hat Jordan, die nun als Ausbilderin arbeitet, den schrecklichen Vorfall noch immer nicht verarbeitet. Doch als sie den Notruf eines völlig überforderten Telefonisten übernimmt, wird sie schlagartig von dem vergangen Vorfall eingeholt. Am anderen Ende der Leitung fleht die 16-jährige Casey um Hilfe. Sie ist im Kofferraum eines fahrenden Autos eingesperrt, nachdem sie von einem Unbekannten entführt wurde.

Ein Spiel gegen die Zeit beginnt. Zahlreiche Versuche Jordans dem Teenager zu helfen schlagen fehl. Als die Polizei schließlich die Spur des Täters ganz verliert, beschließt Jordan auf eigene Faust zu ermitteln. Denn sie weiß, mit jeder Sekunde, die verstreicht, sinkt die Wahrscheinlichkeit Casey doch noch lebend finden zu können…

Wahrscheinlich haben sich die meisten Menschen noch nie mit der Frage beschäftigt, wie viel Verantwortung den Telefonisten in einer Notrufzentrale zukommt. Wählt eine Person die Notrufnummer, so befindet sie sich in Gefahr und durchlebt möglicherweise Todesängste. In diesem Moment setzt sie die ganze Hoffnung auf eine Stimme am anderen Ende der Leitung. An dieser Person liegt es, die Situation zu erfassen und die Polizei schnellstmöglich zum richtigen Ort zu schicken.

„Oft hört man den Mitschnitt eines tatsächlichen Notrufs in den Nachrichten, aber über die professionellen Telefonisten und ihre Verfassung während der Telefonate, den Belastungen, denen sie ausgesetzt sind, weiß man fast nichts.“, meint Drehbuchautor Richard D’Ovidio dazu.

Mit The Call – Leg nicht auf! lassen die Macher zum ersten Mal die Handlung eines Filmes in einer Notrufzentrale spielen und geben die Situation aus der Sicht einer Telefonistin wieder. Dazu recherchierten D’Ovidio und Regisseur Brad Anderson (Surface – Unheimliche Tiefe, Transsiberian) selbst in einem Call Center in Los Angeles. Aus zahlreichen Gesprächen, Beobachtungen und wahren Geschichten entwickelten sie dann die packende Story.

Schauspielerisch sind die Rollen erst einmal top besetzt. Oscar©-Preisträgerin Halle Berry (Monsters Ball) gehört ohnehin zu den meistgefragten Schauspielerinnen Hollywoods. Zuletzt sah man sie in dem Fantasy-Epos Cloud Atlas – Alles ist verbunden von Tom Tykwer. Mit großem Engagement bereitete sie sich auf ihre Rolle vor. Auch sie besuchte mehrere Call Center und war sehr daran interessiert, die Telefonisten kennenzulernen, um daraus die Protagonistin Jordan zu entwickeln.

Als Entführungsopfer mit großem Überlebenswillen brilliert Abigail Breslin. Die Jungschauspielerin spielte sich bereits mit Little Miss Sunshine in die Herzen der Zuschauer und wurde für ihre Leistung mit einer Oscar©-Nominierung geehrt. Das Publikum wird sie in diesem Film jedoch vollkommen neu kennenlernen, denn die Rolle verlangte einiges von ihr ab. Breslin musste nicht nur enorm viel schreien und aufgeregt Dialoge allein in ein Handy sprechen, sie musste das alles auch noch in einem engen Kofferraum meistern. Was ihr zweifelsohne hervorragend gelingt, an ihrer Todesangst lässt sie den Kinobesucher nicht eine Sekunde lang zweifeln.

Anderson gelingt es, eine nervenaufreibende Atmosphäre zu erzeugen, in welcher sich die Zuschauer genauso unwohl fühlen sollen wie er, als er das Drehbuch gelesen hat. Caseys schreckliches Erlebnis kreist um eine Angst, unter der nicht nur der Drehbuchautor tatsächlich leidet: Klaustrophobie – und es wirkt ebenso echt wie die Vorgänge in der Notrufzentrale. Um diese Stimmung zu erreichen, wurden Kofferraum-Sets mit beweglichen Teilen erstellt, damit die Kamera immer den perfekten Winkel treffen konnte.

Um den Realismus an die Spitze zu treiben ließ Anderson zusätzlich mit Handkameras drehen. Es ist beeindruckend, wie es ihm gelingt, eine Story auf so engem Raum dramaturgisch, visuell und kinematografisch bestmöglich umzusetzen. Was dem Film darüber hinaus enorme Spannung verleiht, ist, dass die Handlung nur innerhalb von ein paar Stunden stattfindet. Die Entführung geschieht in Echtzeit und musste deshalb so realistisch wie möglich sein.

Den passenden Bösewicht fand Brad Anderson in Michael Eklund, mit dem er zuvor an einer Episode der TV Serie Fringe – Grenzfälle des FBI zusammengearbeitet hatte. Er wusste, dass er perfekt für die Rolle ist: „Wir brauchten jemanden, der sich mit aller Konsequenz und ohne Kompromisse in einen gequälten Psychopathen hineinversetzen kann.“ Die Story verliert keine unnötige Zeit damit Licht in die Beweggründe des Täters zu bringen. Hintergründe um seine Tat und seinen verstörenden Charakter werden nur in Bildern kurz angedeutet, reichen aber vollkommen aus und verleihen dem Katz-und-Maus-Spiel zusätzliche Intensität.

Die musikalische Untermalung von Filmkomponist John Debney geben dem Film einen zusätzlichen Gänsehaut-Effekt. Seine Fähigkeit für Filme jedes Genres, erinnerungswürdige Melodien zu komponieren, zeigte er bereits mit dem Soundtrack zu Mel Gibsons Die Passion Christi, der ihm sogar eine Oscar©-Nominierung einbrachte.

Zum Ende hin wird jedoch wieder auf ein paar altbewährte Horrorgenre-Klischees zurückgegriffen. Ein Glück, dass die bis dahin aufgebaute Spannung den Zuschauer gerne darüber hinwegschauen lässt. Dass es natürlich keinen Handyempfang gibt, dass eine Frau allein und unbewaffnet ermittelt und dass offensichtliche Chancen, dem Mörder den Garaus zu machen, ungenutzt bleiben, kennt man aus zahlreichen Filmen.

Eine fast ausschließlich in Echtzeit gedrehte Handlung sowie absolut nervenaufreibend umgesetzte Sequenzen verzeihen alt bewährte Logiklücken und machen The Call – Leg nicht auf! zu einer Thriller-Unterhaltung auf hohem Niveau. Die beklemmende Atmosphäre und mitreißende Schockmomente garantieren Nervenkitzel bis zur letzten Sekunde.

Cast & Crew

Regie: Brad Anderson
Drehbuch: Richard D’Ovidio
Musik: Brian Tyler
Schauspieler: Halle Berry, Abigail Breslin, Michael Eklund, Morris Chestnut, Michael Imperrioli

Bewertung

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