Martin McDonagh, Colin Farrell und Brendan Gleeson. Dieses irische Trio stand schon einmal für Qualität. Vor 14 Jahren bescherte sich McDonagh mit Brügge sehen…und sterben? sein Spielfilm-Debüt, und den beiden Darstellern die bis dato stärksten Leistungen ihrer Karriere.
Die Groteske wurde von Kritikern und Publikum gefeiert, vor allem für die eigensinnigen Dialoge, die trotzigen Figuren und das herzliche Zusammenspiel von Gleeson und Farrell.
Die Todesfeen von Inisherin
Für den Regisseur folgten Ausreißer nach Hollywood: die eher mittelmäßige Krimikomödie 7 Psychos und das großartige Drama Three Billboards Outside Missouri, mit denen sich McDonagh als Autorenfilmer einen Namen machen konnte.
Für sein jüngstes Werk aber zieht es ihn zurück an seine Ursprünge. Zurück nach Irland, genauer gesagt auf die (fiktive) Insel Inisherin. Und er erzählt eine kleine Geschichte, intim wie nie. Und vielleicht auch so gut wie nie. Denn The Banshees of Inisherin ist sein bisher bestes Werk geworden. Daran haben nicht zuletzt auch wieder Colin Farrell und Brendan Gleeson ihre Mitschuld.
Irland in den frühen 20ern: Während auf dem Festland der Bürgerkrieg tobt, verhallen die Kanonenschüsse vor der rund 700 Einwohner zählenden Insel. In ihrer kleinen, idyllischen Blase gehen die Bewohner mit fast schon stoischem Selbstverständnis ihrem Alltag nach.
Wenn eine Freundschaft zerbricht
Einer von ihnen ist Pádraic (Farrell), der wie jeden Mittag um 14 Uhr seinen besten Freund Colm (Gleeson) abholen möchte, um gemeinsam mit ihm im Pub aufzuschlagen. Doch eines Tages ändert sich ihre Beziehung abrupt, als Colm Pádraic mitteilt, dass er nicht länger sein Freund sein möchte. Während der ältere Colm sich in seiner Leidenschaft, der Musik, verliert, bricht für Pádraic, der auch als „nettester Kerl der Insel“ gilt, eine Welt zusammen.
The Banshees of Inisherin handelt von einem vermeintlich einfachen und doch so ursprünglichen Konflikt. Der Abkehr von einer zwischenmenschlichen Beziehung. Jeder hat es sicher schon einmal miterlebt, wenn sich Freundschaften auseinanderentwickeln.
Doch wie verhält es sich in einem eingegrenzten Szenario, in dem eine Konfrontation mit dem gegenüber allgegenwärtig ist? So harsch und unempathisch Colms Entscheidung zuerst wirken mag und so sehr man auch Mitleid empfindet für den stets gutmütigen Pádraic. Es ist eine seltsame Situation, in der man schlussendlich für beide Seiten Verständnis aufbringen kann.
McDonagh hüllt diese Geschichte in die graugrüne Bildästhetik irischer Landschaften. Eine auf eigensinnige Art schöne Tristesse, die irischen Komödien schon oft gut zu Gesicht gestanden hat. Hier untermalt sie vor allem Pádraics Abhängigkeit von den drei Stützpfeilern in seinem Leben: seiner Schwester, seinem Zwergesel (den er wie einen Hund hält) und seinem besten Freund Colm.
Kleine Geschichte, große Folgen
Als der eine Pfeiler droht wegzubrechen, hat das folgenschwere Auswirkungen auf die Stabilität des Gesamtkonstrukts. Gefüttert mit bissigen Dialogen und kantigen Figuren entsteht eine so dichte und authentische Atmosphäre, dass man von der ersten bis zur letzten Minute gebannt ist von dieser im ersten Moment eher klein wirkenden Geschichte.
Nicht zuletzt zeichnet sich The Banshees of Inisherin aber als großes Schauspielkino aus. Colin Farrell und Brendan Gleeson waren schon das Herzstück in Brügge sehen…und sterben?. Während der eine Film von der Entstehung einer Freundschaft handelt, thematisiert Banshees das Ende einer Freundschaft. Auf gewisse Art und Weise eine thematische Fortsetzung, in der sich die beiden Hauptakteure sogar noch einmal übertreffen.
Eine Besetzung mit Oscar-Ambitionen
Brendan Gleeson ist schon seit jeher ein Meister seines Fachs, und nicht ohne Grund einer meiner persönlichen Lieblingsschauspieler (an dieser Stelle auch ein Tipp, wer sie noch nicht kennt: The Guard und Am Sonntag bist du tot, zwei großartige Komödien mit Gleeson und von Martins Bruder John Michael McDonagh). Colm verleiht er mit seinem Spiel eine bemerkenswerte Beharrlichkeit, für die man diese Figur zugleich lieben und hassen möchte.
Colin Farrell liefert die wahrscheinlich beste Performance seiner Karriere ab. Er gibt seinem Pádraic eine so unschuldige, gutmütige Ausstrahlung, dass man ihn fortwährend in den Arm nehmen möchte. Und doch passiert so vieles noch mit dieser Figur über die Laufzeit des Films, alles als Konsequenz der Ausgangssituation.
Ein leises Meisterwerk
Der Film hat seine Höhepunkte aber genau dann, wenn die beiden Schauspieler aufeinandertreffen. Es ist ein Fest den beiden zuzuschauen, und es wundert einen kaum, dass sie im Privatleben inzwischen gut befreundet sind. Die Oscar-Nominierungen sind hier sicherlich unausweichlich.
Bei all dem Lob für die Hauptdarsteller darf man aber auch Kerry Condon nicht vergessen, die als Pádraics Schwester Siobhán den Felsen in der Brandung verkörpert. Und Barry Keoghans einfältiger Dominic ist ebenfalls eine Wucht.
Wenn Brügge sehen…und sterben? McDonaghs lauter Einschlag in die Welt der schwarzen Komödien ist, ist The Banshees of Inisherin sein leises Meisterwerk geworden. Ein ruhiger und doch so atmosphärisch dichter Film, der in jeder Minute zu packen weiß, mit drastischen Entwicklungen im richtigen Moment schockiert und einem noch lange nach Filmende im Kopf herumgeistert – so wie die Todesfeen den Bewohnern von Inisherin.
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