Bill Baker (Matt Damon) arbeitet auf dem Bau in Stillwater (Oklahoma). Er ist einfach gestrickt, redet nicht viel und übt einen echten Knochenjob aus.
Gegen jeden Verdacht
Seine Tochter Allison (Abigail Breslin) sitzt in Marseille im Gefängnis. Sie ist während ihres Studienaufenthalts wegen Mordes an ihrer damaligen Freundin zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Allison beteuert jedoch konsequent ihre Unschuld. Als ihr Vater sie besucht, übergibt sie ihm einen Zettel, der für ihre Anwältin bestimmt ist.
Nachdem die Anwältin diesen Brief nicht weiter beachtet, lässt sich Bill den auf Französisch formulierten Brief von seiner Hotel-Nachbarin Virginie (Camille Cottin) übersetzen. In dem Brief fordert Allison ihre Anwältin dazu auf, den Fall neu aufzurollen. Sie habe eine Spur zu dem Killer erhalten.
Eine Stadt voller Geheimnisse
Bill nimmt sich der Sache an und geht in Marseille auf eine Schnitzeljagd. Er muss ohne Französischkenntnisse auskommen. Außerdem sorgt seine eher grobe und unsensible Art bei den Franzosen für Abstoßung. Er scheint auf verlorenem Posten zu sein und die berühmte Nadel im Heuhaufen finden zu wollen.
Doch seine grobe Art ist auch ein Vorteil, zum Beispiel in den Gangster-Vierteln von Marseille.
Der größte Pluspunkt in Stillwater ist definitiv Matt Damon. Der 51-jährige US-Amerikaner, der bereits dreimal für einen Schauspiel-Oscar nominiert wurde und 1998 einen Oscar gemeinsam mit Ben Affleck für das Beste Originaldrehbuch zu dem Film Good Will Hunting erhielt, spielt überzeugend und zeigt eine ganz andere Seite von sich.
Inspiriert vom Fall Amanda Knox
Als eher limitierter Bauarbeiter, der in dem 140-minütigen Film fast nur mit Rucksack und Kappe unterwegs ist, bleibt er stets fokussiert. Er überspielt die Rolle nicht und bleibt seiner Linie treu. In zwei Szenen zeigt er zudem, wie explosiv er sein kann.
Allein schon seine kurzen Sätze, die breite Gangart und die direkte Sprache sorgen für eine angenehme Authentizität. Ohnehin setzt Regisseur Tom McCarthy (Spotlight) dank seiner tendenziell ruhigeren Herangehensweise für Glaubwürdigkeit. Inspiriert wurde Stillwater durch den Fall der US-Studentin Amanda Knox aus dem Jahre 2009. Sie wurde damals im italienischen Perugia wegen Mordes an ihrer Mitbewohnerin verhaftet.
McCarthys Regiearbeit ist gelungen, da er dem Zuschauer trotz eines langsamen Erzähltempos viele verschiedene Handlungsstränge anbietet. So ist der Film mal spannend, mal bitter-traurig und mal emotional. Kleiner Kritikpunkt: Dem Film geht im letzten Drittel etwas die Puste aus.
Hier kommt besonders eine Entscheidung von Bill Baker, die nicht ganz glaubwürdig ist, zum Vorschein. Dies sorgt für ein kurzes Stocken. Dennoch bleibt McCarthy im Kern immer bei seiner Hauptfigur, nur die Präsenz der Nebenfiguren schwankt leicht. Angenehm ist auch die Wahl der Schauplätze. So gewinnt die Story noch mehr an Echtheit.
Matt Damon auf Oscar-Kurs
Es ist auch eine schöne Überraschung in Blockbuster-Zeiten, in denen Hollywood scheinbar nur noch Wert auf Neuauflagen und Fortsetzungen legt, eine so echte Geschichte zu zeigen, die einen aufgrund ihrer Nahbarkeit packt. Die Emotionalität ist hier eine große Stärke. Auch durch das starke Zusammenspiel zwischen Damon und Breslin gewinnt die Story an Boden. Breslin ist neben Damon eine Bereicherung für den Film. Sie ist schwer berechenbar und mimt eine US-Studentin, die ein Geheimnis in sich trägt. Spannungsaufbau und Gedankenspiele sind hier die Folge.
Der größte Kritikpunkt an Stillwater ist die Laufzeit. Die 140 Minuten sind zu lang. Zwischen den einzelnen Handlungen vergeht manchmal zu viel Leerlauf, bis der Plot wieder vorangeht. Dies ist auch schon in McCarthys Oscar-Film Spotlight ein Grundproblem gewesen.
Der Regisseur schafft es zumindest nicht, seine Filme für eine breite Masse attraktiv zu machen. Auch in seinem neuesten Film wird sich dies nicht ändern. Es fehlen einfach die Höhepunkte. So dümpelt der Film über weite Strecken nur so vor sich hin. Trotzdem ist die Länge des Films kein Problem für Zuschauer, die auf gute schauspielerische Leistungen und eine einfache Geschichte stehen. Ein Spektakel sieht jedoch anders aus.
Insgesamt ist Stillwater ein gelungener Film über einen unermüdlich kämpfenden Vater. Matt Damons Performance ist oscarwürdig. Auch die angenehm-ruhige Inszenierung sorgt für Glaubwürdigkeit. Deshalb sollte man sich diesen Film nicht entgehen lassen. Wer jedoch Action und einen hohen Unterhaltsfaktor erwartet, der wird eher enttäuscht sein.
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