Der Schlagersänger Richie Bravo (Michael Thomas) hat seine besten Zeiten hinter sich. So lebt er in dem italienischen Urlaubsort Rimini und gibt Konzerte für Senioren. Zudem verdient er sich ein Taschengeld hinzu, indem er sexuelle Dienste für seine Fans anbietet.
Die Schattenseiten der Schlagerwelt
Eines Tages reist der einstige Schlagerstar zurück nach Hause, da seine Mutter gestorben ist. Zusammen mit seinem Bruder Ewald (Georg Friedrich) verabschiedet er sich von dem Elternhaus. Deren Vater (Hans-Michael Rehberg) lebt in einem Altersheim und leidet an Demenz.
Zurück in Rimini kreuzt eine junge Frau bei Richie auf, die vorgibt seine Tochter Tessa (Tessa Göttlicher) zu sein. Darüber hinaus bittet sie ihn um Geld, das er ihr für die vielen Jahre Abwesenheit schulde. Daraufhin beschließt der Schlagersänger für die verpassten Jahre aufzukommen und eine Bindung zu seiner Tochter herzustellen. Doch scheint sein Lebensstil ihm dabei des Öfteren im Weg zu stehen.
In Rimini geht es um einen alternden Schlagersänger, der als Callboy seine Kohle verdient und sich zwischendurch die Zeit mit verschiedenen alkoholischen Getränken vertreibt. Vom Vibe her erinnert der 116-minütige Spielfilm von Ulrich Seidl (Hundstage) etwas an das Drama The Wrestler, in dem Mickey Rourke einen alten und verbrauchten Show-Kämpfer mimt, der seine Tochter zurückerobern möchte.
Ohne Scham und voller Elend
Die Parallelen sind spürbar, auch die Lebensstile eines Stars ähneln sich. Nur fällt die Qualität bei Ulrich Seidls Film etwas ab. Denn die Laufzeit von 116 Minuten zieht sich ordentlich in die Länge und fällt negativ ins Gewicht. 90 Minuten hätten hierbei ausgereicht, um der Geschichte noch mehr Dynamik zu verleihen. Doch diese Chance verpasst der Regisseur leider.
In dokumentarisch angelegten Szenen folgt der Zuschauer Richie Bravo bei seinem Alltag. Das macht die Figur glaubwürdig und die Handlung bekommt eine größere Tragweite. Vor allem die starke schauspielerische Performance von Michael Thomas gibt der Hauptfigur ein passendes Gesicht mit einer hohen Ausstrahlung. In seinen Sequenzen spielt er den Teilzeit-Sexarbeiter und Schlagersänger sehr authentisch. Die Kameraarbeit von Wolfgang Thaler überzeugt ebenfalls: Er bleibt dicht an seinem Hauptdarsteller und zeigt ihn in Sexszenen ohne Scham und hält voll drauf.
Darüber hinaus zeigen die verschiedenen Einstellungen durch die Gassen und Straßen die Touristen-Hochburg Rimini von einer ganz anderen Seite. Der große Glanz und die Lebensfreude sind weg, die Melancholie und Tragik der menschlichen Schicksale da. Es ist schon verwunderlich, wie düster und heruntergekommen ein Sommer-Urlaubsparadies im Winter aussieht.
Nahe am Menschen
Als Zuschauer bekommt man einen Einblick, wie verlassen und seelenlos das Leben des Richie Bravo in Rimini ist. Die einzige annähernd emotionale Bindung unterhält der Schlagersänger zu seinen Fans, die ihn lieben und Geld für sexuelle Abenteuer zuschustern. Und dieses Thema wird von Ulrich Seidl voll ausgeschöpft.
Nach gut einer Stunde wirkt sein Leben sehr monoton und Richie Bravo scheint sich auch damit abgefunden zu haben. Durch seine Tochter bekommt er zwar etwas mehr Schwung, doch haben seine Exzesse mehr Spuren hinterlassen, als ihm lieb wäre. So ergibt sich eine authentisch inszenierte Geschichte, die dank einer eindrucksvollen Vorstellung von Michael Thomas und schön eingefangenen Kamera-Aufnahmen von Rimini das Thema abgehalfterter Schlagersänger erzählt.
Zudem bekommt das Schlager-Dasein eine ganz neue Schattenseite. Einige Musikeinlagen wirken lustig. Ein weiterer Handlungsstrang ist das Schicksal von Richies Vater, der permanent versucht aus dem Altersheim auszubrechen und an der Einsamkeit kaputt geht.
Richie Bravo ohne Höhepunkt
Vor allem im letzten Drittel gewinnt dieses Unterthema nochmal an Reiz. Denn Hans-Michael Rehberg spielt sehr glaubwürdig.
Es ist auch interessant die beiden Leben von Vater und Sohn zu verfolgen. Beide sind einsam und gebrochen. Mit etwas mehr Feinschliff an einigen Stellen wäre Rimini noch besser geworden. Doch trotz seiner Darsteller und des gelungenen Stils bleibt Richie Bravo im Mittelmaß hängen.
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