Pinocchio (2022) | Filmkritik

Wie bedeutend der Zeichentrick-Klassiker Pinocchio aus dem Jahr 1940 für das Studio Disney ist, zeigt sich in jedem Intro eines Spielfilms des Konzerns. Bis heute gilt der Song When You Wish upon a Star als Hymne des Konzerns und erklingt parallel zur Darstellung des ikonischen Schlosses.

Erfüllt uns die blaue Fee einen Herzenswunsch?

Umso überraschender ist es, dass es bis 2022 gedauert hat, bis sich das Studio einem Live-Action-Remake der Geschichte annimmt. Nun tanzt der Holzbengel Pinocchio exklusiv für den mauseigenen Streamingdienst Disney+ zusammen mit Tom Hanks über den Bildschirm.

Doch ist die Neuauflage eine wunderbare Sternenschnuppe oder verglüht die Puppe zu Asche?

© Disney

Der Spielzeugmacher Geppetto lebt alleine mit seiner Katze und seinem Fisch in einer kleine Wohnung. Gegen die Einsamkeit schnitzt sich der schrullige, alte Mann eine hölzerne Puppe und tauft diese auf den Namen Pinocchio.

Ein richtiger Junge

Vor dem ins Bett gehen erblickt Geppetto am Schlafzimmerfenster eine Sternschnuppe und wünscht sich, dass sein Holzjunge zu einem richtigen Jungen wird. Die blaue Fee erhört diesen Wunsch und haucht Pinocchio daraufhin Leben ein. Um jedoch ein vollkommen richtiger junge zu werden, muss er sich erst beweisen.

Als Pinocchios ständiger Begleiter und dessen „Gewissen“ wird die Grille Jiminy bestimmt. Doch bereits der erste Schultag Pinocchios entwickelt sich zu einem rasanten Abenteuer voller Ganoven, Betrügern und Entführern.

© Disney

Wie so oft wurden bei dem Remake Figuren, Handlung und Musik ausgearbeitet. Und über 80 Jahre später erzählt die wandernde Grille Jiminy nicht in 83 Minuten über die Abenteuer von Pinocchio, sondern benötigt fast zwei Stunden.

Erfüllt uns die blaue Fee einen Herzenswunsch?

Vor allem der Anfang zieht sich merklich und bis die blaue Fee den Wunsch vom gutherzigen Meister Geppetto erfüllt, vergeht nahezu eine Ewigkeit. In Folge übernimmt der hölzerne Bube das Geschehen und die uns bekannte Geschichte aus den 1940ern wird mit schönen Bildern und Ideen vorgestellt.

Vor allem der Auftritt von Kyanne Lamaya als Fabiana und ihrer Marionette Sabina dürfte als große Neuerung auffallen. Ähnlich wie schon beim Disney-Remake zu Aladdin (2019) und der Ausarbeitung von Prinzessin Jasmin bekommt eine Frau eine sinnvolle und größere Rolle.

© Disney

Was den Auftritt von Tom Hanks betrifft, weiß dieser als liebevoller Vater Geppetto zu überzeugen. Mit starkem Akzent und schrulligem Auftritt ist seine Figur jedoch oftmals zu überspitzt.

Skurrile Gesangs- & Tanzeinlagen

Gleiches gilt aber auch für den restlichen Cast rund um Luke Evans als Kutscher und Giuseppe Battiston in der Rolle des bösartigen Puppenspielers Stromboli. Beide tanzen und singen sich durch ihre Szenen ohne den Zuschauer wirklich abzuholen.

Die interessantesten Figuren sind tatsächlich die animierten Tiere: Joseph Gordon-Levitt leiht der Grille Jiminy Cricket seine Stimme und sorgt für jede Menge Unterhaltung und Witz. So erklärt er zum Beispiel dem Zuschauer augenzwinkernd, warum Geppetto keine Frauen kennenlernt.

Und auch Keegan-Michael Key als Ehrlicher John ist ebenso hinterhältig wie spannend gestaltet. Sein stiller Katzenfreund Gideon unterbricht leider die Aufritt immer wieder unnötig.

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Was die Gestaltung des Films anbelangt, überzeugt Pinocchio mit tollen Kulissen und schönen Settings. Schon die Uhrenwand von Geppetto, die eine einzige Ansammlung von Easter Eggs ist, bleibt in Erinnerung. Hier wird Simba in die Luft gehoben, Roger Rabbit kriegt einen Kuss und Schneewittchen fällt in ihren gläsernen Sarg.

Pleasure Island überspannt den Bogen

Aber auch das Puppentheater von Stromboli und das Innere des Wals sind toll in Szene gesetzt. Ein wenig schwächelt allerdings der Ausflug zur Vergnügungsinsel Pleasure Island, wo alle Kinder auf der Flucht in Esel verwandelt werden.

Ein Feuerwerk aus Farben und ein irritierender Luke Evans sind in diesem Moment zu viel des Guten. Und auch die bekannte Verwandlungsszene der Kinder hin zu leidenden Tieren ist nicht annähernd zu einprägsam wie noch 1940.

© Disney

Die Kombination aus Realfilm-Aufnahmen und Computeranimationen spielt auf einem ähnlichen Niveau wie der Disney+-Starttitel Susi und Strolch (2019).

Bessere Alternativen in Sicht

Regisseur Robert Zemeckis, bekannt für Forrest Gump und seine Film-Trilogie Zurück in die Zukunft, liefert hier nicht seinen besten Wurf. Pinocchio scheitert immer wieder am Pacing, denn nach seinem schleppenden Einstieg werden die Abenteuer des Jungen aus Kiefernholz im Eiltempo abgearbeitet.

Wirklich viele neue Ideen gibt es letztendlich nicht zu bewundern und alles in allem bleibt Pinocchio, das hölzerne Bengele aus dem Jahr 1940 die bessere Wahl im Disney-Sortiment. Auch wirken manche Witze fehl am Platz und erinnern stark an den Klamauk aus dem Marveluniversum.

Ob Guillermo del Toros Pinocchio, der ebenso noch in diesem Jahr erscheinen wird, eine bessere Umsetzung des Stoffs des italienischen Autors Carlo Collodi gelingt, wird sich zeigen. Sicher ist aber, dass Pinocchio (2019) von Matteo Garrone durchaus märchenhafter war als dieses Remake.

Bewertung

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Pinocchio | 8. September 2022 (Deutschland)

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Bildrechte: Disney

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1 Kommentar(e)

Daniel Hinz 10. September 2022 - 18:50
Diese Verfilmung ist eine Schande. Aus eine Italienisch/europäische Geschichte wurde eine italienisch/Afrikanische Darstellung gemacht und Vandalismus als Spaß verkörpert. Unsere Kultur wird mit Füssen getreten.
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