Eine Frau, die gefühlt in jedem dritten diesjährigen Cannesfilm mitspielt ist Isabelle Huppert. Ursprünglich dachte ich, Catherine Deneuve ist die Grande Dame des französischen Kinos. Aber Recherchen haben mir gezeigt, dass Isabelle Huppert die mit Abstand am häufigsten prämierte französische Schauspielerin ist. In Cannes gewann sie 1978 und 2001 den Preis als Beste Darstellerin und der ein oder andere wird sie aus den Filmen 8 Frauen (2002) oder Die Nonne (2013) kennen.
Gleich im ersten Film des siebten Tages spielt sie eine Kriegsfotografin in Louder than Bombs, die auf tragische Weise starb. Ihre hinterbliebenen Söhne (Jessie Eisenberg und Devin Druid) sowie ihr Ehemann (Gabriel Byrne) gehen ganz unterschiedlich mit der Trauerbewältigung um, was beim jeweils anderen auf wenig Verständnis stößt.
Ohne Erwartungen bin ich in diesen Wettbewerbsfilm gegangen und fand ihn überraschend gut erzählt. Mit einer Mischung aus realen Szenen und Traumsequenzen und zahlreichen poetischen Texten aus dem Off, die die verschiedenen Gefühlslagen beschreiben, erhält der Film Tiefe und berührt. Er erinnerte mich an den stilistisch ähnlichen Film A Thousand Times Good Night (2013) von Erik Poppe, der ebenfalls von einer Kriegsfotografin handelt.
Im Anschluss sah ich den wohl schönsten Pixar-Animationsfilm seit langem: Inside Out (deutscher Titel: Alles steht Kopf) von Pete Docter, der den Oscar für seinen Film Oben erhielt sowie Erschaffer von Monster AG, Toy Story und WALL-E ist.
Selten habe ich eine so originelle wie süße Geschichte gesehen: Im Kopf der 11-jährigen Riley arbeiten Emotionen daran zu entscheiden, wie Riley sich im Alltag verhält. Ihre Erinnerungen sind bunte Kugeln, die jede Nacht in die Langzeitspeicher geschickt werden und ihre Persönlichkeit besteht aus Inseln, die man gut pflegen und hegen muss. Joy ist stets bemüht, dass das Mädchen glücklich ist und setzt sich gekonnt gegen Wut, Angst und Traurigkeit durch. Doch als die Familie in eine neue Stadt zieht, kommen wohl oder übel die anderen Gefühle zum Zug. Durch ein Missgeschick verschwinden Joy und Sadness aus dem Zentrum von Rileys Kopf und Fear, Anger und Disgust sind auf sich allein gestellt…
Der Film bildet mit seinen liebevoll gestalteten Figuren, wunderschönen Bildern von Rileys Gedankenwelt und der herzallerliebsten Geschichte die perfekte Familienunterhaltung. Es würde mich nicht wundern, wenn er bei der nächsten Oscarverleihung mit einer goldenen Statue nach Hause geht.
Am Abend folgte ich einer Einladung zum Screening des Dokumentarfilms An Open Secret von Amy Berg, der außerhalb des Festivalgeländes lief. Mehr Infos als den Untertitel „The secret that Hollywood doesn’t want you to know” und die Pressestimmen “Devastating” und “Shocking” kannte ich vorher nicht über den Film und fand schnell heraus, dass dieser vom Missbrauch von Kinderstars durch ihre Manager handelt.
Die Produzenten sowie eines der Opfer waren im Kino und stellten sich im Anschluss einer Fragerunde des Publikums. Sie betonten, dass es sich bei ihrem aufwendig recherchierten Film nur um die Spitze des Eisbergs handle und das man auf Missbrauch von Kindern weltweit und sowohl bei Jungen als auch Mädchen immer wieder aufmerksam machen und diesen bekämpfen müsse. Die wirklich erschütternden Berichte von Betroffenen und deren Familien beschreiben eindringlich die psychischen Folgen solcher Erlebnisse und ich kann den Film nur wärmstens empfehlen zu schauen.
Ein paar berühmte Gesichter bekam ich heute ebenfalls zu Gesicht, als ich die Pressekonferenz zum Wettbewerbsteilnehmer Sicario von Denis Vlleneuve besuchte. Hier berichtete Hauptdarstellerin Emily Blunt, die man zuletzt in The Edge of Tomorrow an der Seite von Tom Cruise sah, über ihre Rolle als weiblicher Cop in einem männerdominierten Beruf.
Zudem empörte sie sich darüber, dass Frauen zur Premiere auf dem roten Teppich abgewiesen wurden, weil sie zu flache Schuhe trugen. Ihre Schauspielkollegen sind der ewige Lationo-Star Benicio del Toro (Traffic) und Josh Brolin (Milk), die aus Solidarität äußerten, selbst in High Heels über den roten Teppich laufen zu wollen „wink“-Emoticon Kameramann Roger Deakins ist noch dazu einer der berühmtesten Kameramänner weltweit und wurde schon zwölf Mal für den Oscar nominiert, u. a. für James Bond 007 – Skyfall (2012) und Unbroken (2014). Mehr möchte ich über den Wettbewerbsfilm noch nicht verraten, da ich ihn mir morgen erst anschauen werde.
Neben Screenings und dem ein oder anderen Promi inspiziere ich morgen außerdem die Stadt Antibes, um dort nach den ein oder anderen Drehorten aus bekannten Filmen zu suchen.
Á plus, MaryChloe